Werden in Mainz Tauben geschützt, aber Krähen rücksichtlos erschossen? Diese Behauptung jedenfalls stellt ein Merkurist-Leser in einem Snip auf. Der Hintergrund: Vor ein paar Monaten wurden die Abrissarbeiten an einem „Gammelhaus“ am Mainzer Hauptbahnhof gestoppt, weil dort Tauben nisteten. Gleichzeitig wurden im Frühjahr auf den Mainzer Feldern tote Krähen aufgehängt, um andere Vögel abzuschrecken.
Auf die Tauben aufmerksam machte damals unter anderem das Mainzer Tierheim. Demnach seien viele Tauben zu Schaden gekommen, wurden nach den Arbeiten verletzt oder sogar tot geborgen. Einige mussten eingeschläfert werden. Die Stadttaubenhilfe berichtete, dass sie vor Ort gewesen sei, aber die Tier nicht habe retten dürfen.
Tauben, Fledermäuse und Vögel im Abrisshaus
Zudem hatten Tierschützer darauf hingewiesen, dass in dem Haus auch Fledermäuse leben könnten, auf die ebenfalls keine Rücksicht genommen worden sei. Darüber hinaus seien später im Schutt Nester von anderen Gebäudebrütern entdeckt worden (wir berichteten).
Der Protest der Tierschützer hatte Erfolg: Die Abrissarbeiten wurden noch am selben Tag gestoppt. Wie die Stadt Mainz mitteilte, lagen hier tatsächlich Verstöße gegen das Landesnaturschutzrecht vor. Es hätte vor dem Abriss geprüft werden müssen, ob sich in dem Gebäude besonders geschützte Tierarten befinden. Ein Biologe wurde hinzugezogen, um dort vorkommende Tierarten zu sichten und zu begutachten (wir berichteten). Zuvor hatte die Stadttaubenhilfe die Bundespolizei, das Veterinäramt, das Grün- und Umweltamt, die Feuerwehr, das Ordnungsamt und die beauftragte Abrissfirma kontaktiert, wie sie gegenüber Merkurist mitteilte.
Werden Tiere in Mainz ungleich behandelt?
Zu viel Aufwand für „ein paar Tauben“? Wie der Snipersteller kritisiert, würden auf der einen Seite Tauben gerettet, auf der anderen anscheinend Krähen getötet. „Tier ist Tier. Wieso Unterscheidung?“
Tatsächlich stehen auch Krähen unter Naturschutz, vor allem die Saatkrähen. Laut der Landesjagdverordnung Rheinland-Pfalz dürfen sie bis Ende Juli nicht bejagt werden. Doch es gibt Ausnahmen. So kann etwa das Veterinäramt in Absprache mit Landwirten und der Stadt Abschüsse unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen. Hintergrund ist, dass Krähen in den Obstfeldern und -plantagen rund um Mainz und in Rheinhessen große Fraßschäden hinterlassen, teilweise beklagen die Obstbauern existenzielle Ernteausfälle.
So sagt etwa der Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd e.V., dass die Möglichkeiten der Landwirte begrenzt seien, ihre Ernte zu retten. Daher sei die Methode, tote Krähen in Feldern zu platzieren sehr wirksam, da der tote Vogel den Krähen zeige, dass sie sich von dem Feld fernhalten sollten. „Die Landwirte versuchen jetzt alles, was irgendwie Erfolg verspricht und ihre Lebensgrundlage sichert“, sagte der Andreas Pressesprecher des Verbands, Andreas Köhr, im Mai gegenüber Merkurist. Dennoch: Für Spaziergänger kann der Anblick eines an Pfählen aufgehängten Vogels sehr verstörend wirken.
Tierschützer beklagen radikale Vergrämungsmethode
Daher fordern auch hier Tierschützer seit Jahren: „Diese ‚Vergrämungsmethode' mit den geschundenen Körpern toter Tiere muss umgehend verboten werden“, sagt etwa Peter Höffken, Fachreferent bei PETA. „Sie ist nicht nur unethisch, sondern auch völlig wirkungslos.“
Das Haus am Hauptbahnhof, dessen Abriss wegen der Tiere dort gestoppt wurde, ist inzwischen wieder zum Abriss freigegeben worden. Das teilt die Stadtpressestelle auf Merkurist-Anfrage nun mit. Der Gutachter hatte demnach bei seiner Begehung vor Ort Ende Juli noch „zahlreiche lebende verwilderte Haustauben“ im Gebäude entdeckt, das zu diesem Zeitpunkt aber bereits zu 60 Prozent niedergelegt war. Auch habe nicht ausgeschlossen werden können, dass sich noch weitere geschützte Arten dort befinden, inklusive deren Niststandorte. Einen Monat lang ruhten anschließend die Arbeiten dort.
Mithilfe einer Wärmebildkamera wurden die Tiere dann Anfang September ausfindig gemacht. Dabei wurden alle lebenden Tiere, die sich hier noch befanden, sowie ihre Küken geborgen, so der Pressesprecher weiter.
Diskussionen um Umgang mit Krähen
Der Umgang mit den Krähen rund um Mainz wird weiterhin für viel Diskussionsstoff sorgen. Die Bauern suchen händeringend nach Lösungen, den riesigen Schwärmen Herr zu werden, die ihre Obstfelder plündern. Auch in den Wohngebieten sorgen die Vögel für Ärger, immer wieder klagen Bewohner über Belästigung wegen Kot und Lärm.
Die Mainzer Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) forderte daher mehrfach, dass Maßnahmen in Betracht gezogen werden sollen, um die Krähen aus den Landwirtschafts- und Siedlungsgebieten fernzuhalten und ihre Ausbreitung zu steuern (wir berichteten). Gleichzeitig müssen jedoch Tierschutzgesetze eingehalten werden, vor allem bei den Saatkrähen. Die Regelungen zum Umgang mit den Tieren trifft aber am Ende nicht die Stadt, sondern das Bundes- oder das Landesministerium.