Seit Jahren schon ziehen die Krähen in riesigen Schwärmen über die Obst- und Ackerflächen von Mainz und reißen früh morgens Anwohner aus dem Schlaf. Die Folge: Landwirte klagen über Ernteausfälle und immense Einbußen, Bewohner über Belästigung wegen Kot und Lärm. Auch in Siedlungsgebieten besteht das Problem seit längerem, darunter einem Spielplatz in Mainz-Lerchenberg.
Doch wie Stadtverwaltung und Bauern sagen, hätten sie kaum Möglichkeiten, das Problem zu lösen. Denn vor allem die Saatkrähen stehen unter Naturschutz. Das bedeutet, dass sie nicht bejagt werden dürfen. Für die Rabenkrähen darf die untere Jagdbehörde außerhalb der Schonzeit, also vom 1. August bis zum 20. Februar, anordnen, den Bestand zu reduzieren. Rund 150 Tiere dürften dann geschossen werden. Doch vor allem die Population der Saatkrähe nehme immer weiter zu, beklagen die Landwirte.
Schutz für Saatkrähe aufheben?
Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) will daher, dass weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden, um die Krähen aus den Landwirtschafts- und Siedlungsgebieten fernzuhalten. „Aus meiner Sicht sollten die Saatkrähen, weil sich der Bestand stark erholt hat und diese große Schäden anrichten, als jagdbares Wild klassifiziert werden. Dann können wir auch hier eine Bejagung anordnen“, erklärte sie am Dienstag bei einem Pressegespräch am Obsthof Schmitt in Mainz-Finthen.
Denn die bisher erlaubten Maßnahmen würden nicht den gewünschten Erfolg bringen. Darunter zählen etwa Vergrämungen mithilfe von optischen und akustischen Reizen (etwa Flatterbänder und Greifvogelattrappen). „Krähen sind intelligente Tiere, die schnell merken, dass von den Attrappen keine Gefahr ausgeht“, so Sven Schmitt, der unter anderem mehrere Kirschbaumplantagen bei Finthen betreibt. „Werden die Tiere an einer Stelle verscheucht, lassen sie sich an einer anderen nieder. Sie wandern von Plantage zu Plantage.“ Immer wieder stelle er daher seine Attrappen um.
Totalschäden bei der Ernte
Akustische Reize wie Schüsse aus der Gaskanone seien in Vogelschutzgebieten, in denen auch seine Felder liegen, verboten. Innerhalb von kurzer Zeit käme es daher zum Totalschaden seiner Ernte und zu großen wirtschaftlichen Schäden. Schmitt zeichnet ein dunkles Szenario: „Entweder wird eine Lösung gefunden, oder die Süßkirsche sowie andere Früchte verschwinden aus Mainz.“ Einige Landwirte greifen inzwischen zu drastischeren Methoden. So hatte kürzlich tote Krähen für einige Aufregung gesorgt, die in Feldern rund um Mainz an Pfahlkonstruktionen aufgehängt wurden.
Könnten Falkner das Problem lösen?
So sei auch schon in Erwägung gezogen worden, Falkner zu engagieren. Die eingesetzten Greifvögel würden dann einzelne Krähen aus dem Schwarm fangen, was den Rest der Vögel abschrecken könnte - zumindest für eine Weile. Noch vor etwa sechs Monaten teilte die Stadt Mainz auf Merkurist-Anfrage hin mit, dass mehrere Gründe gegen den Einsatz eines Falkners sprechen würden. „Für die Stadt Mainz bestehen diesbezüglich keine Handlungsmöglichkeiten“, hieß es damals. Von der Rechtsproblematik war damals jedoch nicht die Rede (wir berichteten).
Berthold Geis, Vorsitzender des Landesverbands Hessen des Ordens deutscher Falkoniere, sagt dazu nun: „Der Einsatz von Falken ist eine naturnahe Maßnahme, die zur Beruhigung der Situation beitragen kann.“ Allerdings sei diese Maßnahme auch nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Denn auch mithilfe der Greifvögel könne man die Krähen lediglich verscheuchen. „Letzens Endes nutzt nur der Tod der Krähen etwas“, so Geis. Und damit meint er: Nur, wenn eine größere Menge an Krähen getötet würden, könnte sich die Situation für Landwirte und Anwohner entspannen. Geis sieht in der steigenden Krähenpopulation noch eine weitere Problematik. So würden die Tiere etwa auch die Nester der heimischen Tiere plündern und Jungvögel verletzen. Doch solange die Saatkrähen unter Schutz stünden, könne er mit Greifvögeln sowieso nichts ausrichten.
„Wir wissen, dass die Saatkrähe eine besonders geschützte Art ist und als Teil der heimischen Biodiversität auch ihren ökologischen Wert hat“, so Matz. „Doch es muss möglich sein, ihre Ausbreitung so zu steuern, dass ein harmonisches Miteinander gelingt.“ Sie hoffe nun darauf, dass Land und Bund dieses Anliegen „stärker in den Fokus nehmen“. Sie habe inzwischen auch das Bundeslandwirtschaftsministerium kontaktiert, damit die Regelungen geändert werden. „Wir fordern, die Jagd auf die Saatkrähen zu erlauben“, so die Ordnungsdezernentin.