Stadt Mainz verteidigt Finanzpolitik nach Biontech-Boom

Vor einigen Jahren nahm Mainz dank Biontech Steuern in Milliardenhöhe ein. Dieser Geldsegen ist inzwischen vorbei, nur knapp entging die Stadt einem siebenstelligen Haushaltsdefizit. Wie Finanzdezernent Beck nun auf Kritik reagiert.

Stadt Mainz verteidigt Finanzpolitik nach Biontech-Boom

Vom Wunder der Mainzer Goldgrube zum Millionendefizit: Dass der Biontech-Boom nun endgültig vorbei ist, zeigte das Debakel um das drohende Haushaltsdefizit von 90 Millionen Euro, das die Stadt in den vergangenen Monaten beschäftigte. Eine Steuernachzahlung löste das Problem dann überraschenderweise in Luft auf.

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Hat die Stadt etwa schlecht gewirtschaftet, wie einige Merkurist-Leser kritisieren? Achim fragt dazu in seinem Snip: „Sollte Hr. Beck nicht Verantwortung dafür übernehmen, dass trotz Milliarden-Einnahmen die Gewerbesteuer wieder erhöht wird?“ Dazu melden sich die Stadt Mainz und der Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) jetzt selbst zu Wort.

Das passierte mit den Biontech-Milliarden

Mitte Oktober beschloss der Stadtrat, den Gewerbesteuerhebesatz ab dem Jahr 2025 von 310 wieder auf 440 Punkte anzuheben. Erst Ende 2021 hatte die Stadt den Hebesatz gesenkt, um Mainz als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen (wir berichteten). Auslöser für die damalige Entscheidung waren die Rekordsteuereinnahmen, die der Corona-Impfstoff-Hersteller Biontech der Stadt beschert hatte. In den Jahren 2021 und 2022 flossen insgesamt fast 3,3 Milliarden Euro Gewerbesteuer in die Stadtkasse. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 lagen die Gewerbesteuereinnahmen bei 375 Millionen, für 2024 werden etwa 385 Millionen Euro erwartet.

Die Überschüsse der Jahre 2021 und 2022 – rund zwei Milliarden Euro – flossen laut Stadt in das Eigenkapital, das sich dadurch mehr als verdoppelt habe. So konnten beispielsweise die Schulden der Stadt Mainz von knapp 1,2 Milliarden (Stand 2020) auf 375 Millionen Euro (Stand 2023) gesenkt werden. Auch die liquiden Mittel seien gestiegen, also die Gelder, die für aktuelle Ausgaben zur Verfügung stehen. Wie genau diese ausgegeben wurden, erfahrt ihr in diesem Merkurist-Artikel:

Beck weist Vorwürfe zurück

Doch wieso wurde ein Teil des Geldes nicht für knappere Haushaltsjahre zur Seite gelegt? „Überschüsse der Vorjahre können nicht zum Ausgleich von Defiziten der Folgejahre verwendet werden“, sagt die Stadt auf Merkurist-Anfrage. Hier gelte das sogenannte Jährlichkeitsprinzip. Das bedeutet, dass der Finanzhaushalt immer für ein konkretes Jahr geplant und abgerechnet werden muss. Das ist auch gesetzlich geregelt: Sowohl die Bundes- als auch die Landeshaushaltsordnung schreiben das Jährlichkeitsprinzip vor.

Die Kritik, dass die Stadt schlecht gehaushaltet habe, weist Finanzdezernent Beck zurück: „Die Stadt Mainz hat diesen Geldsegen dazu benutzt, um sich selbst nahezu komplett zu entschulden und hat wichtige Weichen für die Zukunft von Mainz gestellt, damit Mainz eine klimaneutrale Stadt wird; ein moderner, digitaler Ort zum Leben und Arbeiten und unverändert die liebens- und lebenswerte Stadt bleibt, in der bahnbrechende Innovationen die Zukunft weiter vorantreiben.“

600 Millionen Euro Gewerbesteuer bei Unternehmen geblieben

Außerdem seien die Unternehmen in der Stadt wegen der Senkung der Gewerbesteuer von 2022 bis 2024 um insgesamt 600 Millionen Euro entlastet worden, so Beck. Das habe den Firmen Investitionen ermöglicht und den Wirtschaftsstandort gestärkt. Doch inzwischen seien die Gewerbesteuereinnahmen deutlich gesunken – und dies laut dem Finanzdezernenten „nicht durch die Stadt verursacht“. Die Anhebung der Gewerbesteuer sei somit eine notwendige Maßnahme, um die Aufgaben der Stadt weiterhin finanzieren zu können.

Die vorübergehende Entlastung der Unternehmen hat allerdings auch für Kritik gesorgt. So warf die Mainzer Linke in einem Statement vom September den anderen Stadtratsfraktionen „gravierendes Versagen“ vor. Den Hebesatz der Gewerbesteuer zu senken und somit auf 600 Millionen Euro an Steuereinnahmen zu verzichten, sei „finanzpolitisch verantwortungslos“ gewesen, habe die aktuell angespannte Situation des Mainzer Stadthaushalts verschärft und falle letztendlich auf die Bürger zurück. Denn nicht nur die Gewerbesteuer soll ab 2025 wieder angehoben werden, sondern auch die Grundsteuer. Letzteres kritisierte der Bund der Steuerzahler scharf.