2021 schien es, als ob das chronisch klamme Mainz von seinen Geldsorgen befreit sei. Über eine Milliarde Euro Gewerbesteuer zahlte das Biotechnologieunternehmen Biontech an die Stadt und löste damit praktisch über Nacht viele Probleme. Jetzt, im Sommer 2024, sind die Geldsorgen endgültig zurück in Mainz. Am Montag wurde bekannt, dass die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) den von der Stadtpolitik beschlossenen Nachtragshaushalt 2024 nicht akzeptiert. Die Biontech-Einnahmen sind nach dem Ende der Corona-Krise längst eingebrochen, die Stadt Mainz rechnet mit einem Defizit von rund 90 Millionen Euro. Genehmigt sind jetzt nur die Ansätze aus dem ursprünglichen Doppelhaushalt 2023/2024.
Am heutigen Dienstag trat der Mainzer Bürgermeister und Finanzdezernent Günter Beck (Grüne) vor die Presse. Vor wenigen Tagen war er zur ADD nach Trier gereist und musste dort erklären, wie die Stadt ihre Finanzsorgen in den Griff bekommen will. Beck betonte, schon frühzeitig im März 2024 und September 2022 gemahnt zu haben, nicht zu verschwenderisch mit dem Geldsegen umzugehen. Doch offenbar hatte die Mainzer Stadtpolitik die Mahnungen nicht ernst genug genommen, ließ Beck zwischen den Zeilen durchblicken.
Jedes Projekt muss auf den Prüfstand
Von nun an stehe jedes Projekt, dass die Stadt Geld kostet, auf dem Prüfstand, fuhr Beck fort. Schwer vorstellbar, dass Bezirkssportanlagen weiterhin wie zuletzt in Hechtsheim oder Laubenheim im großen Stile saniert und aufgehübscht werden. Noch völlig unklar ist, inwieweit Großprojekte wie der geplante Straßenbahnausbau noch realisierbar sind. Beck stellte in Aussicht, dass Großprojekte zumindest verschoben werden könnten. In den vergangenen Monaten war Mainz vereinfacht gesagt zu wohlhabend, um neue Gelder von Bundes- oder Landesförderprogrammen zu erhalten. Auch hier muss die Stadt nun klar machen: Wir sind wieder so arm, dass wir auf Fördergelder angewiesen sind. Gleichzeitig stellte Beck am Dienstag klar: „Die finanzielle Handlungsfähigkeit der Stadt ist bis nächstes Jahr gegeben.“
Wie die Stadt nun genau Millionensummen einsparen wird, ist nicht alleine Becks Entscheidung. Der Finanzdezernent werde nun Empfehlungen abgeben, entscheiden darüber muss der neu gewählte Stadtrat. Eine Empfehlung Becks ist allerdings, die Gewerbesteuer in Mainz wieder zu erhöhen – auf das Niveau vor dem Biontech-Boom. So könnten im kommenden Jahr wohl 40 bis 45 Millionen Euro mehr in die Stadtkasse kommen. Klar ist aber auch: Für das aktuelle Jahr kann die Gewerbesteuer nicht mehr erhöht werden. Dennoch dürfte diese Maßnahme für schlechte Laune bei Gewerbetreibenden in Mainz sorgen, blickt Beck voraus. „Als wir die Gewerbesteuer gesenkt haben, haben sich nicht viele der Betroffenen bei uns gemeldet und gejubelt. Sollte die Steuer erhöht werden, dürften wohl deutlich mehr Mails mit Reaktionen kommen“, so Beck. Die Anhebung der Gewerbesteuer sei dennoch nicht das „alleinige Allheilmittel“, sagte der Dezernent.
Oberbürgermeister Haase meldet sich aus dem Urlaub
Der parteilose Oberbürgermeister Nino Haase wird am Dienstag außerdem in einer Mitteilung der Stadt Mainz zitiert. Er befindet sich gerade im Sommerurlaub. Mainz müsse nun lernen, realistischer zu planen, mahnte der OB. „Über Jahre hat sich die Stadt bei Projektanmeldungen übernommen und Gelder im Haushalt unnötig gebunden. Der Berg an unerledigten Projekten ist Ende letzten Jahres auf 400 Millionen Euro angewachsen. Für mich ist klar: Dies alles können wir nicht realistisch umsetzen.“ Nun müsse ein neuer Realismus bei er Projektplanung in Mainz einkehren, dafür setze sich Haase als OB ein.
Weiter sagte Haase: „Für mich ist eine Erhöhung der Gewerbesteuer, wie sie die ADD fordert, nur ein Mittel als Ergänzung zu einer maßvollen Ausgabepolitik. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, den Wirtschaftsstandort Mainz attraktiv weiterzuentwickeln, auch um eine verlässliche Einnahmesituation zu gewährleisten.“