Die Stadt sei „Opfer des eigenen Erfolges“ geworden – mit diesen Worten kommentierte Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) am Mittwoch den Beschluss des städtischen Rechtsausschusses. Der hatte kurz zuvor angeordnet, die Tempo-30-Regelung auf der Rheinachse und der Kaiserstraße sofort zurückzunehmen. Der Grund: Offenbar sind die Luftwerte in Mainz inzwischen so gut, dass es laut dem Rechtsausschuss keine rechtliche Grundlage mehr für Tempo 30 gibt (wir berichteten).
Seitdem sind die 30er-Schilder in diesem Bereich größtenteils abgedeckt, also auf der Parcusstraße, der Kaiserstraße, der Rheinallee und der Rheinstraße. Teilweise wurden einfach Tüten über die Schilder gehängt. Denn die Stadt will bereits in wenigen Wochen zurück zur Tempo-30-Regelung in diesen Straßen. Zum einen seien Anzahl und Schwere der Unfälle mit der geringeren Geschwindigkeit gesunken, zum anderen würden bei Rückkehr zu Tempo 50 die Lärmschutzwerte wieder überschritten. Vor allem der Lärmschutz soll nun eine neue rechtliche Grundlage für die Tempo-30-Regelung bieten. Einen entsprechenden Antrag habe man beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) bereits gestellt.
Gesundheitsschutz und mehr Lebensqualität
David Nierhoff, mobilitätspolitischer Sprecher der Grünen im Stadtrat, sagt dazu: „Insbesondere vor dem Hintergrund der in Zukunft weiter sinkenden Grenzwerte ist es niemandem zu erklären, weshalb jetzt eine Verschlechterung des Status Quo zu Lasten der Gesundheit aller Mainzer:innen in Kauf genommen werden soll.“ So sollen sich die gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte in der Luft laut einer neuen EU-Verordnung ab 2030 halbieren (wir berichteten). Daher begrüße er das geplante Vorhaben der Stadt, das Tempolimit von 30 km/h beizubehalten, „zum Schutz der Bewohner:innen der Innenstadt und zur Steigerung der Verkehrssicherheit und Lebensqualität“.
Unterstützung bekommt Steinkrüger aber nicht nur aus ihrer Partei. Auch die SPD könne die Entscheidung des Rechtsausschusses „nicht nachvollziehen“, so Erik Donner, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion. Denn Tempo 30 sei damals eingeführt worden, um das Dieselfahrverbot in Mainz zu verhindern. „Der Erfolg war aber weitaus größer: bessere Luft, mehr Verkehrssicherheit, weniger Lärm und eine höhere Aufenthaltsqualität.“ Nun würden vor allem Anwohner, Kinder auf dem Schulweg sowie Fußgänger und Radfahrer unter dem Beschluss leiden. „Es ist ein Schlag ins Gesicht für die Lebensqualität“, so Donner weiter.
Tempolimit ohne ausreichende Rechtsgrundlage?
Der Kreisvorsitzende der Freien Wähler in Mainz indes findet den Vorstoß, die 30er-Regelung wieder einführen zu wollen, „unverantwortlich“, wie er sagt. Es deute darauf hin, dass die Entscheidung „ideologisch und nicht vernunftorientiert getroffen“ worden sei, so Christian Weiskopf weiter. Er fordert darum, die Anordnung des Stadtrechtsausschusses zu befolgen. AfD-Fraktionschef Arne Kuster geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert den Rücktritt der Verkehrsdezernentin. Es könne „nicht toleriert werden, dass eine Dezernentin ihre persönlichen ideologischen Vorstellungen über Recht und Gesetz stellt“. Oberbürgermeister Nino Haase solle daher „unverzüglich“ die Schilder wieder entfernen.
Auch von der Mainzer Linken hagelt es heftige Kritik am grünen Verkehrsdezernat. Zwar bekenne sich die Stadtratsfraktion zu Tempo 30 auf der Kaiserstraße und Rheinachse – fordere aber eine rechtssichere Umsetzung. „Das grün geführte Amt hat es schlicht verschlafen, die Anordnung von Tempo 30 auf sichere Füße zu stellen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Bereits Ende 2022 sei klar gewesen, dass „die Begründung für das Tempolimit entfallen ist“. Die Linke wirft dem Verkehrsdezernat vor, eine „Scheißegal-Haltung gegenüber Leben und Gesundheit“ der Mainzer Bürger bewiesen zu haben, und spricht von einem „verkehrspolitischen Super-GAU“.
Die CDU wiederum hatte bereits vor einem Jahr gefordert, Tempo 30 in Kaiserstraße und Rheinachse abzuschaffen, da das Tempolimit hier keine ausreichende Rechtsgrundlage habe. Zwar habe der LBM am 22. Juni 2020 die Einrichtung der Tempo-30-Strecken auf der Bundesstraße genehmigt, die habe aber nur für eine Pilotphase bis zum 30. Juni 2021 gegolten. Der Stadtrat hatte damals die Fortsetzung der Regelung im Zusammenhang mit dem Luftreinhalteplan beschlossen (wir berichteten). Im selben Jahr hatte eine Privatperson Widerspruch gegen die Tempo-30-Regelung auf der Kaiserstraße und Rheinachse eingelegt, der den Rechtsausschuss allerdings erst Ende 2023 erreicht hat.
Alle wichtigen Infos zu der neuen Regelung findet ihr im folgenden Artikel: