Seit Juli 2020 galt auf den Hauptverkehrsstraßen in der Mainzer Innenstadt Tempo 30 – bis jetzt. Wie Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) am heutigen Mittwoch in einer Pressekonferenz erklärte, hat der Stadtrechtsausschuss den alten Beschluss nun gekippt (wir berichteten). Was genau sich jetzt ändert und was hinter der plötzlichen Umkehr steckt, haben wir hier für euch zusammengefasst.
Wo soll Tempo 30 aufgehoben werden?
Das Tempolimit von 30 km/h soll auf der Parcusstraße, der Kaiserstraße und der sogenannten Rheinachse aufgehoben werden, also auf der Rheinallee und der Rheinstraße. Konkret betrifft das den Abschnitt zwischen dem Kaiser-Karl-Ring in der Neustadt und der Holzhofstraße in der Altstadt.
Welche Geschwindigkeit gilt jetzt?
Auf den genannten Straßen gilt jetzt wieder das gleiche Tempolimit wie vor der Einführung der Tempo-30-Regelung: Tempo 50.
Ab wann gilt das neue Tempolimit?
Der Stadtrechtsausschuss hat Steinkrüger zufolge am Mittwoch (9. April) angeordnet, den „Vollzug unverzüglich auszusetzen“ – also das alte Tempolimit von 30 km/h sofort abzuschaffen. Noch am Mittwoch, spätestens aber im Laufe des Donnerstags werde sich die Straßenverkehrsbehörde darum kümmern, die Tempo-30-Schilder abzuhängen oder zu verhüllen.
Wichtig: Auch wenn die Anordnung theoretisch sofort umgesetzt werden soll, gilt praktisch das, was auf dem Straßenschild steht. Solange ihr ein Tempo-30-Schild sehen könnt, müsst ihr euch also noch daran halten. Sobald die Schilder nicht mehr sichtbar sind, gilt dann aber Tempo 50.
Was passiert mit den Blitzern?
Blitzen will die Stadt laut eigener Aussage aber schon jetzt nicht mehr nach Tempo 30 – und nicht erst, wenn die Schilder abgehängt sind. Ein Bußgeld riskiert ihr allerdings dann, wenn ihr das neue Tempolimit von 50 km/h überschreitet.
Sind alte Bußgelder jetzt ungültig?
Wer seit Juli 2020 mit über 30 km/h geblitzt wurde und deshalb ein Bußgeld zahlen oder sogar Punkte in Flensburg hinnehmen musste, könne das jetzt nicht rückwirkend anfechten, stellt Steinkrüger klar. „Die Anordnung des Rechtsausschusses gilt ab jetzt und nicht rückwirkend.“
Ändern sich auch die Ampelphasen?
Die Ampelphasen will die Stadt vorerst nicht an das neue Tempolimit anpassen. Zum einen hoffe das Verkehrsdezernat, demnächst wieder Tempo 30 einführen zu können (siehe „Bleibt Tempo 50 jetzt dauerhaft?“). Zum anderen könne man zu den Hauptverkehrszeiten auf der Kaiserstraße oder Rheinachse ohnehin keine 50 km/h erreichen, sagt Axel Strobach, Amtsleiter im Stadtplanungsamt.
Wie kam es zu der neuen Regelung?
Bereits im Juni 2021 legte eine Privatperson Widerspruch gegen die Tempo-30-Regelung auf der Kaiserstraße und Rheinachse ein. Den Stadtrechtsausschuss erreichte dieser Widerspruch allerdings erst Ende 2023. Grund dafür sei ein mehrmonatiger Schriftaustausch zwischen der Stadt und dem Widerspruchsführer gewesen, in dem Grundfragen wie die Begründung des Widerspruchs geklärt worden seien, erklärt Udo Beck, Abteilungsleiter der Straßenverkehrsbehörde.
Schließlich wurde der Widerspruch laut Stadt damit begründet, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) auch ohne Tempo 30 eingehalten und sogar unterschritten werden. Das zeige eine neue Luftqualitätsstudie, die aufgrund des Widerspruchs in Auftrag gegeben wurde. Dieser Argumentation folgte nun auch der Stadtrechtsausschuss und gab dem Widerspruch statt. Die Steigerung der Luftqualität und die Überschreitung von Schadstoffgrenzwerten bei Tempo 50 waren nämlich die rechtliche Grundlage dafür, dass die Stadt Tempo 30 im Juli 2020 überhaupt erst einführte.
Bleibt Tempo 50 jetzt dauerhaft?
Wenn es nach der Stadt geht, soll das nun wieder eingeführte Tempolimit von 50 km/h nicht lange anhalten. So habe das Verkehrsdezernat bereits einen Antrag beim rheinland-pfälzischen Landesbetrieb Mobilität (LBM) eingereicht, um auf Parcusstraße, Kaiserstraße und der Rheinachse wieder Tempo 30 einzuführen – allerdings nicht aus Luftschutzgründen. Die Straßenverkehrsordnung erlaubt Geschwindigkeitsbegrenzungen nämlich auch zum Schutz der Bewohner vor Lärm.
Während des Widerspruchsverfahrens habe die Stadt bereits ein neues Lärmschutzgutachten in Auftrag gegeben, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. Daraus gehe hervor, dass es bei Tempo 50 zu „erheblichen Überschreitungen der zumutbaren Lärmwerte“ komme und dass aus Lärmschutzgründen Tempo 30 auf folgenden Straßen nötig sei: „in der Parcusstraße, Kaiserstraße, Rheinallee von dem Kaiser-Karl-Ring bis zur Diether-von-Isenburg-Straße und in der Rheinstraße zwischen der Quintinsstraße und der Holzhofstraße“.
Warum will die Stadt an Tempo 30 festhalten?
Lärmschutz ist laut Steinkrüger aber nicht der einzige Grund, aus dem die Stadt Tempo 30 wieder einführen wolle. Auch die Verkehrssicherheit spiele eine entscheidende Rolle. Laut Polizeistatistik hat sich die Zahl der Unfälle auf den betroffenen Straßen von 2019 auf 2021 etwa halbiert, die Zahl der Schwerverletzten sank von 15 auf 1. Ein weiterer Grund seien von der EU vorgegebene neue Schadstoffgrenzwerte, die voraussichtlich 2030 in Kraft treten. „In fünf Jahren ist der Grenzwert bei der Hälfte von heute, sprich bei 20 Mikrogramm und nicht bei 40“, sagt Kai-Simon Gerber vom Grün- und Umweltamt. „Das ist nichts, was man von heute auf morgen umsetzen kann.“ Tempo 30 sei eine von vielen Maßnahmen, die dafür umgesetzt werden müsse.
„Wir sind davon überzeugt, dass Tempo 30 auch weiterhin auf den Hauptachsen der Mainzer Innenstadt die Luftqualität verbessert, die Sicherheit – vor allem auch jene der Schulwege – erhöht und die allgemeine Lebensqualität innerhalb der Innenstadt steigert“, so Verkehrsdezernentin Steinkrüger. „Die positiven Rückmeldungen von Anwohner:innen in den betroffenen Straßen zur Tempo-30-Regelung bestärken uns in unserem Vorhaben, die bisherige Regelung rechtssicher zum Schutze und Wohl unserer Bevölkerung beizubehalten.“