Hessische Unis wehren sich gegen Gender-Verbot

Ursprünglich sah der Koalitionsvertrag von CDU und SPD vor, das Gendern mit Sonderzeichen an allen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zu untersagen. Jetzt haben die hessischen Hochschulen bekanntgegeben, dass sie sich davon nicht gebunden sehen.

Hessische Unis wehren sich gegen Gender-Verbot

„Die hessischen Hochschulen verstehen sich als vielfältige und inklusive Orte, die sich die Verwirklichung von Gleichstellung, Diversität und Antidiskriminierung zum Ziel gesetzt haben. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Personen aller Geschlechtsidentitäten in der Ansprache einbeziehen zu können“ – so positionierten sich die hessischen Universitäten laut Hessenschau nun zum Gender-Verbot in schulischen Abschlussprüfungen, das das Kultusministerium bekanntgegeben hatte.

Hessische Hochschulen lehnen Sprachregelungen ab

Der Hessenschau zufolge stellte sich die Goethe-Universität Frankfurt zuerst gegen das Genderverbot, jetzt bekam sie Rückendeckung von der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien (KHU). Die Goethe-Uni gab bekannt, dass sie sich von dem Verbot nicht gebunden sehe – und das, obwohl CDU und SPD ursprünglich in ihrem Koalitionsvertrag vorgesehen hatten, das Gendern mit Sonderzeichen an allen öffentlich-rechtlichen Institutionen zu untersagen. Eigentlich wären Universitäten dann eingeschlossen, doch im Unterschied zu den Schulen gebe es derzeit keine explizite Regelung der Landesregierung für den Sprachgebrauch an Universitäten, so das Präsidium der Goethe-Universität.

Konkret habe der Präsident der Goethe-Universität, Enrico Schleiff, in einem Schreiben an alle Universitätsangehörigen geschrieben, dass Hochschulen Orte des freien Denkens seien. Verbote stünden dem diametral gegenüber. Auch die Vize-Präsidentin der Goethe-Uni, Sabine Andresen, ist gegen ein Gender-Verbot, wie sie gegenüber dem HR sagte. Es sei ein Versuch, eine komplexe, vielfältige Realität über ein Sprachverbot auszublenden. „Ich habe gedacht, wir seien alle schon weiter“, so ihr Kommentar.

Greift das Gender-Verbot in die Wissenschaftsfreiheit ein?

Den Brief mit dieser Klarstellung habe das Präsidium der Goethe-Uni an die Studierenden gerichtet, „um möglichen Verunsicherungen entgegenzuwirken“. Es solle den Studierenden also weiter möglich sein, „geschlechterinklusiv und diversitätssensibel zu kommunizieren“. Eine Gender-Pflicht lehne man aber genauso ab wie ein Gender-Verbot.

Sollte die Landesregierung die hessischen Unis ebenfalls mit dem Gender-Verbot belegen, wolle das Universitätspräsidium den Beschluss rechtlich prüfen lassen. Für Schleiff läge dann nämlich „eine massive Einschränkung der im Grundgesetz und in der Hessischen Verfassung garantierten Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre“ vor.

Hintergrund

Nach der Landtagswahl im Herbst 2023 hatten CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass staatliche und öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie Schulen, Unis und der Rundfunk auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichten sollten. Weil Opposition, Wissenschaft und verschiedene öffentliche Organisationen darauf mit heftiger Kritik reagierten, ruderte die Koalition jedoch teilweise zurück.

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) erklärte laut Hessenschau im Februar vor dem Landtag, dass er keinen „Kulturkampf“ bezüglich des Genderns führen wolle. Ihm gehe es darum sicherzustellen, dass Studierende, die nicht gendern, nicht schlechter benotet würden. In den Ministerien des Landes ist Gendern seit März verboten.

Zuletzt hatte das Kultusministerium bekanntgegeben, dass in Prüfungen für das Abitur, in Abschlussprüfungen an Real- und Hauptschulen keine Genderzeichen wie Doppelpunkt, Sternchen oder Unterstrich mehr benutzt werden dürfen. Die Gender-Zeichen gelten als Fehler und können zu einer schlechteren Benotung führen. Wie die Universitätspräsidien hatte sich auch bereits der Stadtelternbeirat Wiesbaden gegen das Gender-Verbot ausgesprochen, den Eltern ging es dabei allerdings explizit um die Schulprüfungen.