Mehr als 100 Mainzer haben den Instagram-Post, den die Betreiber des Capitol-Kinos am 24. August, ein Jahr nach Wiedereröffnung, auf Instagram veröffentlicht haben, bereits mit ihren schönsten Capitol-Erlebnissen kommentiert. „Das ist schön zu lesen“, sagt Rani Francis, Betriebsleiterin der Arthouse Kinos Mainz, gegenüber Merkurist. „Es ist schön, dass viele wieder ins Capitol gefunden haben und es akzeptieren.“
Das älteste Kino der Stadt Mainz hatte im November 2023 gemeinsam mit dem Partnerkino Palatin schließen müssen. Beide waren seit 2009 von Jochen Seehuber und Eduard Zeiler geführt worden. 2021 wurde das Gebäude, in dem sich das Palatin befand, von der Immobilienfirma „Fischer & Co.“ aufgekauft. Diese plante den Abriss und Neubau des Gebäudes. Da das Capitol nur über eine einzelne Leinwand verfügt, konnte es allein nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.
Gewöhnungsprozess bei Zuschauern und Kinobetreibern
Nach dem Abschied der alten Betreiber mietete die Stadt Mainz das Capitol an. Die heutigen Betreiber waren im Mai 2024 in einem Vergabeverfahren einstimmig ausgewählt worden (wir berichteten). Das Team unter der Führung von Geschäftsführer Christopher Bausch betreibt bereits die drei Programmkinos Cinéma, Eldorado und Harmonie in Frankfurt am Main, sowie das Casino-Kino in Aschaffenburg. Von der Bevölkerung habe man sich von Anfang an akzeptiert gefühlt, sagt Francis. So erinnere sie sich an Menschen, die bereits in der Umbauphase vor einem Jahr am Kino in der Neubrunnenstraße vorbeigeschaut hätten, um die Interimsbetreiber willkommen zu heißen. „Die Grundstimmung ist, dass es wieder als Teil der Stadt gesehen wird“, so Francis.
„Sachen haben sich verändert und daran mussten sich alle erstmal gewöhnen“, sagt Francis. Die einzelne Leinwand im Capitol schränke die Programmgestaltung ein, insbesondere da sich die Betreiber zu Beginn das Ziel gesetzt hatten, ein „Kino für alle zu machen.“ Für diese unterschiedlichen Zielgruppen müsse man gezielt Filme aussuchen, so Francis. Dies habe insbesondere in der Anfangszeit dafür gesorgt, dass Zuschauer nachgefragt hätten, warum bestimmte Filme nicht im Capitol gezeigt werden.
Kulturdezernat sieht alle Erwartungen übertroffen
Die Arbeit mit der Einschränkung sei für das Team ein „Learning“ gewesen, sagt Francis. Mittlerweile sei sie aber überzeugt davon, dass auch die Zuschauer sich auf das Programm eingestellt hätten, die Besuchszahlen lägen sogar etwas über den Erwartungen. Diese Einschätzung teilt auch das Kulturdezernat. „Das erste Programmjahr nach der Wiederbelebung des Capitol hat alle Erwartungen erfüllt und sogar noch übertroffen“, so das Dezernat auf Merkurist-Anfrage.
So seien alle verbindlichen Erwartungen an die Programmgestaltung, darunter die Kooperationen mit Mainzer Institutionen, erfüllt worden. „All das nach nur einem Jahr zu leisten, ist keine Selbstverständlichkeit.“ Auch könne das Dezernat mit der Zusammenarbeit mit dem Team der Arthouse Kinos „nicht zufriedener sein“. Und: „Es freut uns sehr, dass wir gemeinsam in die gleiche Richtung blicken und daran arbeiten, das Programmkinoangebot in Mainz für die Zukunft wieder besser aufzustellen.“
Laut Betriebsleiterin Francis seien auch die Rückmeldungen der Kinogänger überwiegend positiv. „Wir versuchen auch immer, auf die Leute einzugehen.“ Um Wünschen des studentischen Publikums entgegenzukommen, würden bestimmte Filme nur in der Originalfassung angeboten, so Francis. Eine eigene Montagspreview für die Filmwissenschafts-Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität nach Vorbild der vorherigen Kinobetreiber zu etablieren, sei jedoch auf Grund der geringen Nachfrage gescheitert. Im Gegensatz dazu komme die „Spotlight Sneak Preview“ bei dem jungen Publikum sehr gut an. Grundsätzlich habe das vergangene Jahr den Kinomachern gezeigt, welches Publikum welche Veranstaltungen bevorzuge. „Wir kriegen langsam den Dreh raus“, so Francis.
Zukunft des Palatin weiter ungewiss
Aber: „Auf lange Frist werden wir das zweite Kino brauchen.“ Wie die Zukunft des zweiten Mainzer Programmkinos, dem Palatin in der Hinteren Bleiche, aussieht, sei jedoch weiterhin ungewiss, sagt Francis. „Wir wissen alle, wie die Haushaltslage ist.“ Im Dezember 2024 hatte der Mainzer Stadtrat bekanntgegeben, die Kinosäle eines geplanten Neubaus nicht mehr anmieten zu können. Dieser Plan war zuvor im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Als Grund wurden die geringen finanziellen Mittel des städtischen Haushalts genannt (wir berichteten).
Im selben Monat erklärte Frank Röhr, Geschäftsführer der Immobilienfirma „Fischer & Co.“ im Gespräch mit der Allgemeinen Zeitung, dass der bereits geplante Abriss und Neubau der Kinosäle auf Grund einer Neubewertung des Gebäudezustands gegebenenfalls ausgesetzt werden könne. Auf Merkurist-Anfrage teilte auch das Bau- und Kulturdezernat mit, eine eigene Begutachtung vorgenommen zu haben. Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Gebäude weiterhin als Kino genutzt werden könne.
Gleichzeitig habe das Dezernat alternative Standorte geprüft. Die Suche nach potenziell neuen Standorten hatte Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) bereits im Dezember 2024 gegenüber dem SWR angekündigt. Ein Kinostandort benötige jedoch spezielle Eigenschaften, darunter eine entsprechende Saalstruktur, die Möglichkeit des Einsatzes von Abspieltechnik, sowie einen realistischen Mietzins, so das Kulturdezernat. „Für die Herstellung dieser Voraussetzung steht das Bau- und Kulturdezernat in engem Austausch mit dem Betreiber des Capitols und zieht externe Kinoexperten heran.“
„Es ist ein langwieriger Prozess“
Kinobetreiberin Francis bestätigt die Gespräche mit dem Bau- und Kulturdezernat sowie der Baufirma „Fischer & Co.“ Man hoffe, dass die Gespräche auch unter dem Nachfolger von Dezernentin Grosse fortgesetzt werden. Diese wird sich 2026 nicht mehr zu Wiederwahl stellen (wir berichteten). Die Situation brauche Durchhaltevermögen, so Francis. „Es ist ein langwieriger Prozess, dass etwas auf die Beine gestellt wird, das nachhaltig ist.“
Wann genau die Mainzer mit dem zweiten Kino rechnen können, scheint weiterhin unklar. Anfang 2024 hatte die Stadt Mainz in der Ausschreibung für den Interimsbetrieb des Capitol noch unter der Voraussetzung eines Palatin-Neubaus von einem Ende der Baumaßnahmen „voraussichtlich in 2027“ gesprochen. Jetzt nennt das Bau- und Kulturdezernat auf Nachfrage keinen konkreten Zeitpunkt mehr, versichert aber: „Der zweite Kinostandort soll so zur Verfügung stehen, dass der Betrieb des Capitol und der Erhalt der Programmkinokultur in Mainz zu keinem Zeitpunkt gefährdet ist.“
Neue Kooperation in Planung
Trotz der ungewissen Zukunft sehen die Kinobetreiber positiv in die nahe Zukunft. „Wir stehen vor einem Herbst mit sehr vielen, sehr guten Filmstarts“, sagt Francis mit Blick auf die kommenden Kino-Monate. Sie persönlich freue sich besonders auf die Verfilmung des Buches „22 Bahnen“ der in Mainz geborenen Schriftstellerin Caroline Wahl. Zudem stehe ab September jede Woche eine Sonderveranstaltung an, darunter Filmgespräche mit Filmemachern sowie die Fortführung bereits bestehender Kooperation wie dem „Strickkino“. Auch das FILMZ-Festival werde im November wieder im Capitol ausgerichtet.
Ab Herbst plane man laut Francis zudem, das Programm durch eine Seniorenkino-Reihe zu ergänzen. Diese solle in Kooperation mit dem Seniorenrat der Stadt Mainz entstehen. Für das Jahr 2026 habe man sich zudem das konkrete Ziel gesetzt, das bestehende Kinder- und Jugendkinoprogramm auszubauen und auf Schulen zuzugehen, um auch den Jüngeren das Arthouse-Kino näherzubringen.