Aus und vorbei: Mit Wirth und Listmann schließen zum Jahresende zwei große Mainzer Traditionsgeschäfte unwiderruflich – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Für die Mainzer Innenstadt ist das ein herber Schlag, der noch aufgrund der Schließung eines weiteren Traditionsgeschäfts verstärkt wird (wir berichteten).
Der sogenannte Branchenmix wird somit für viele potenzielle Innenstadt-Kunden offenbar immer uninteressanter. So kommentiert beispielsweise Merkurist-Leserin Nadja: „Mainz wird immer unattraktiver.“ Immer mehr Geschäfte, die einen Einkauf interessant machen, würden verschwinden, so ihre Meinung, der etliche andere zustimmen.
Die Stadt Mainz hatte zuletzt auf die Kritik an der Innenstadt reagiert und Maßnahmen vorgestellt, wie Handel und Aufenthaltsqualität in der Mainzer City gestärkt werden sollen. Zudem gab die Verwaltung an, dass sich viele Aspekte, die die Innenstadt betreffen, positiv entwickelt hätten (wir berichteten). Ist die Kritik am Branchenmix im Mainzer Handel also (weiterhin) berechtigt? Gegenüber Merkurist erklärt nun die Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Rheinhessen, Karina Szwede, die aktuellen Herausforderungen und überrascht dabei auch mit ihrer Einschätzung.
Branchenmix im Wandel
Wie Szwede sagt, sei die Debatte um den Branchenmix in der Mainzer Innenstadt wichtig. Dass sich immer mehr Gastronomie und Dienstleister in der Innenstadt ansiedeln, sei Teil eines bundesweiten Strukturwandels, aber kein reines Mainzer Phänomen. „Der Onlinehandel boomt, das Konsumverhalten verändert sich, die Kosten steigen – das spüren viele klassische Einzelhändler, nicht nur in Mainz“, so Szwede. Diese Entwicklung sei ein Spiegel der Nachfrage. „Eine Stadt ist dann attraktiv, wenn sie einen für ihre Region interessanten Mix bietet.“ Letztlich mache das Zusammenspiel aus Handel, Kultur, Wohnen und Aufenthaltsqualität eine attraktive Stadt aus.
So steht es um den Leerstand
Obwohl die Mainzer Innenstadt weiterhin gut besucht sei, bedeute das nicht automatisch mehr Umsatz für die Geschäfte. „‚Besuch‘ ist nicht automatisch gleichzusetzen mit Umsatz – das ist eine zentrale Herausforderung“, betont Szwede. Dass Mainz mit einer vergleichsweise niedrigen Leerstandsquote punkten kann, sei ein gutes Signal – es zeige, dass die Innenstadt grundsätzlich funktioniert. „Aber: Eine Quote unter dem Bundesschnitt darf nicht zum Ruhekissen werden. Entscheidend ist nicht allein, wie viele Flächen belegt sind, sondern womit“, so Szwede.
Qualität, Nutzungsmix und Attraktivität für Besucher zählten am Ende mehr als die reine Zahl. „Entscheidend ist die Qualität der belegten Flächen, die Lage der Leerstände und deren Entwicklung über die Zeit“, macht die IHK-Hauptgeschäftsführerin deutlich. Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) hatte zuletzt betont, dass es in der Innenstadt eine mit 6,5 Prozent geringe Leerstandsquote gebe.
Insgesamt sei die Stimmung im Mainzer Einzelhandel jedoch „durchwachsen“, sagt die IHK-Chefin Szwede. Viele Händler zeigten zwar großes Engagement, stießen aber zunehmend an ihre Grenzen. Die größten Probleme seien dabei nicht nur die Konkurrenz durch den Onlinehandel oder ein verändertes Kaufverhalten. „Vor allem Baustellen, Verkehrsprobleme und die fehlende Abstimmung im Mobilitätskonzept machen den Betrieben zu schaffen“, so Szwede weiter. Zusätzlich wünschten sich die Händler mehr Aufenthaltsqualität durch mehr Grün, Sauberkeit und Ordnung.
Kostenloses Parken als Anreiz?
Doch kommen nun genügend Passanten in die City? Dezernentin Matz hatte zuletzt angegeben, dass es eine „hohe Passantenfrequenz“ gebe. Dazu sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Szwede: „Hohe Passantenfrequenzen sind ein gutes Signal – aber noch kein Garant für volle Kassen. Sie zeigen, wie belebt ein Bereich ist, sagen aber nur eingeschränkt etwas über das tatsächliche Kaufverhalten aus.“ Nicht jeder, der durch die Fußgängerzone läuft, kaufe auch ein.
Die Innenstadt sei heute mehr Aufenthalts- und Begegnungsraum als früher. Für den Handel bleibe die Frequenz dennoch wichtig. „Entscheidend ist, ob es gelingt, aus Laufkundschaft echte Kundschaft zu machen“, so Szwede. Das brauche attraktive Schaufenster, gutes Sortiment, Service und ein Umfeld, das zum Verweilen einlädt.
Um den Zugang zur Stadt zu erleichtern, könnten laut der IHK außer Aktionen wie dem 0-Euro-Samstag auch günstigere Parkpreise helfen. Das Auto spiele für viele Kunden weiterhin eine wichtige Rolle – gerade am Wochenende. Eine IHK-Umfrage vom September 2024 habe gezeigt, dass 68 Prozent der Innenstadtbetriebe zwei kostenlose Parkstunden in den PMG-Parkhäusern als spürbaren Anreiz ansehen, um mehr Menschen in die Stadt zu locken.
Abschließend erklärt Szwede: „Klar ist: Die Innenstadt kann nur im Schulterschluss weiterentwickelt werden. Es braucht den offenen Dialog zwischen Stadt, Handel, Politik und weiteren Akteuren – dauerhaft und auf Augenhöhe.“