Mit den Einnahmen des Mainzer Corona-Impfherstellers BioNTech sind nach der Pandemie auch die der Stadt Mainz gesunken. 134 Millionen Euro Defizit waren ursprünglich im Haushalt für das Jahr 2025 vorgesehen – eine Planung, die von der rheinland-pfälzischen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) global beanstandet wurde. Der im Juni beschlossene neue Haushaltsplan sieht im Vergleich zum ersten Entwurf mehrere Einsparungen vor, um das Defizit zu senken. Laut Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) ist die neue Ausgabenplanung aber kein wirkliches Sparprogramm – sondern vielmehr eine Abkehr von unrealistischen Vorhaben.
„Wir sind jetzt im investiven Bereich bei einem Projektvolumen, das wir erstmalig seit über einem Jahrzehnt in Mainz auch pro Jahr schaffen“, sagt Haase. In der Vergangenheit hätten sich Projekte im Wert von über 400 Millionen Euro angehäuft, die zwar im Haushalt standen, aber „planerisch nie umgesetzt“ werden konnten.
Mehr Spielraum durch kleinere Planung
Die aktuelle Haushaltssituation der Stadt und die Beanstandung der ADD hätten nun zu einem Umdenken geführt. Das heiße jedoch nicht, dass Mainz arm sei, so Haase. „Wir sind eine sehr reiche Stadt und haben keine Schulden mehr.“ In der Bilanz sei Mainz mit einem Eigenkapital von knapp zwei Milliarden Euro weiterhin gut aufgestellt. Nicht alles davon stehe jedoch flüssig zur Verfügung. „Eigenkapital ist auch, wenn wir eine Schule oder eine Kita bauen“, erklärt Haase. „Das haben wir mit eigenem Geld in den letzten Jahren getan.“
Aufgrund der überdurchschnittlich guten Haushaltssituation der vergangenen Jahre werde Mainz im kommunalen Finanzausgleich noch bis 2027 als reiche Geberstadt eingestuft. „Diese Einstufung hält immer zwei Jahre an.“ Bis dahin erhalte die Stadt keine Ausgleichszahlungen vom Land – das seien in der Vergangenheit rund 100 Millionen Euro pro Jahr gewesen. „Wir sind wie ein sehr Wohlhabender, der allerdings aufgrund dessen aktuell von vielen Zuwendungen abgeschnitten ist“, sagt Haase.
Eine realistischere Planung bei den sogenannten investiven Ausgaben – also Investitionen in neue Projekte, die einen Nutzen für die Zukunft haben sollen – sei nun wichtig, um der Stadt etwas mehr Gestaltungsspielraum im restlichen Haushalt zu geben. „Nur, weil es im Haushalt stand, wurde das Geld ja nicht unbedingt ausgegeben“, erklärt Haase. „Da es aber im Haushalt steht, macht es unsere Haushaltsanmeldung deutlich schwieriger.“
Investitionen nicht das Hauptproblem
Eine realistischere Investitionsplanung allein könne das aktuelle Haushaltsdefizit aber nicht lösen, warnt der Oberbürgermeister. „Das große Problem sind tatsächlich die konsumtiven Ausgaben“ – also laufende Kosten für Personal, Mieten, Verwaltung oder auch Sozialausgaben. „Gerade der Posten der Aufwendungen für die soziale Sicherung ist in den letzten zwei Jahren über 200 Millionen Euro pro Jahr angestiegen – ohne dass wir größere Beschlüsse innerhalb der Stadt Mainz dazu getroffen haben“, sagt Haase. Von etwa einer Milliarde Euro Gesamthaushalt würden im kommenden Jahr schätzungsweise 490 Millionen Euro auf Sozialausgaben fallen.
Das liege unter anderem an einer „gut gemeinten, aber zu kleinteiligen Gesetzesgestaltung“ auf Bundesebene – insbesondere beim Bundesteilhabegesetz. „Ich glaube, der Gesetzgeber ist damit übers Ziel hinausgeschossen“, sagt Haase. „Wir haben manchmal in Schulklassen zehn Integrationskräfte bei 20 Kindern – das sind Extremfälle, aber die gibt es.“ Aus seiner Sicht sei es nun Aufgabe des Bundes, hier gegenzusteuern und die Kommunen zu entlasten. „Die Kommunen leisten circa drei Viertel der öffentlichen Leistungen und bekommen ein Siebtel des Gesamtetats der Bundesrepublik. Wie soll das funktionieren?“
Auch die Kosten für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes würden hauptsächlich von den Kommunen getragen. „Sie werden überall in den letzten zwei Jahren die gleichen Explosionen in diesem Bereich sehen“, so der Oberbürgermeister weiter. „Es nimmt uns die Luft zum Atmen und wird jedes Jahr mehr, ohne dass wir selbst etwas daran verändern – einfach, weil es wieder neue Rahmenverträge gibt, die Gesetzgebung noch komplexer wird, die Bürokratie noch größer wird, wir noch mehr Leute einstellen müssen und trotzdem mit den Fallzahlen nicht hinterherkommen.“