Schon in der letzten Stadtratssitzung am Mittwoch, 25. Juni, hatte es hitzige Diskussionen um die Einführung der landeseinheitlichen Bezahlkarte in Worms gegeben (wir berichteten). Seither ist die Kritik nicht verstummt: Zunächst hat sich die Stadtratsfraktion der Grünen noch einmal zu Wort gemeldet, nun hat auch der Helferkreis Asyl Worms e.V. ein emotionales Statement verfasst.
Wormser Grüne kritisieren „Symbolpolitik auf Kosten von Geflüchteten“
Obwohl mit 39 Ja-Stimmen die große Mehrheit der Ratsmitglieder für die landeseinheitliche Bezahlkarte abstimmte, hat eine Fraktion gemeinschaftlich dagegen gestimmt: Die Grünen positionierten sich bereits in der Diskussion klar gegen die Karte. In einer Stellungnahme erklärte Fraktionsvorsitzende Anna Biegler am Tag nach dem Beschluss noch einmal, dass die Wormser Grünen das Abstimmungsergebnis ablehnen.
Zum einen verurteilt die Fraktion die Karte als Symbolpolitik. Sie sei „mehr als nur eine technische Neuerung. Sie steht für ein politisches Signal: Kontrolle und Misstrauen statt echter Integration“, so Biegler. „Sie unterstellt Missbrauch, ohne Belege.“
Überweisungen von Asylbewerberleistungen ins Ausland fänden nicht in dem Ausmaß statt, wie oft behauptet werde, argumentiert die Grünenfraktion weiter. „Die Stadtpolitik entfernt sich hier ohne Not vom wissenschaftsbasierten Diskurs. Wenn dieses politische Verhalten die Stoßrichtung der restlichen Wahlperiode vorgibt, dann mache ich mir Sorgen um die Zukunft des Zusammenlebens in unserer Stadt“, betont Lukas Böhm, Beisitzer im Kreisvorstand der Wormser Grünen.
Bürokatrieaufwand zu hoch?
Zudem ginge die Einführung und Nutzung der landeseinheitlichen Bezahlkarte mit hohem bürokratischem Aufwand einher. Vor allem die sogenannte Positivliste, die es ermöglichen soll, IBANs bei nachweislichem Bedarf von der Stadtverwaltung einzeln freischalten zu lassen, empfinden die Grünen nach eigenen Angaben als weder zeitgemäß noch praktikabel.
Das Argument, dass mehr Geflüchtete nach Worms kommen, wenn die Stadt die Bezahlkarte nicht einführt, halten die Wormser Grünen ebenfalls für falsch. „Geflüchtete werden durch das Land auf die Kommunen verteilt. Sie können nicht frei entscheiden, wo sie wohnen. Ein Umzug ist nur im akuten Ausnahmefall möglich“, betont Carolin Cloos, stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Empfehlungen des Landes missachtet?
Der Helferkreis Asyl Worms e.V. lehnt die Karte ebenfalls vehement ab. Er prangert vor allem die Beträge an, die der Sozialausschuss in seiner Beschlussvorlage vorsah: „Die Bargeldauszahlung für den Haushaltsvorstand beträgt mtl. 130,00 €, für jede weitere Person des Haushalts mtl. 50,00 €“, ist dort zu lesen. Entgegen der Behauptungen in der Vorlage entspreche das aber nicht den Vereinbarungen, die die Landesregierung mit den Kommunen getroffen habe. Eigentlich seien laut der Vorsitzenden des Helferkreises Asyl, Angelika Wahl, nämlich 130 Euro pro Person empfohlen.
Im Jahr 2025 bekomme der Haushaltvorstand für Kinder bis sechs Jahren monatlich 126 Euro, für Kinder von 7 bis 14 Jahren 131 Euro und für Jugendliche von 15 bis 18 Jahren 133 Euro, so Wahl. „Wer die regulären Preise für Schuhe, Kleidung, Ausstattung beispielsweise für Schule und Sportvereine kennt, der kann gut nachvollziehen, dass die betroffenen Familien häufig in Billig-oder Secondhandläden, auf Basaren und Flohmärkten einkaufen, was mit der ‘Social Card’ (Bezahlkarte, Anm. d. Red.) nicht mehr möglich sein wird.“
Wahl zufolge ist es wahrscheinlich, dass Eltern dann beim Kauf von Lebensmitteln einsparen und auf Freizeitangebote wie Schwimmbad, Tierpark, Kino, Theater oder gar Backfischfest verzichten müssten. „Die Stigmatisierung dieser Kinder und Jugendlichen ist absehbar, ihre Integration wird massiv in Frage gestellt“, argumentiert sie. „Es ist beschämend, dass für die Mehrheit des Wormser Stadtrates das Misstrauen gegenüber Geflüchteten und die gesteuerte Kontrolle von Menschen bei der Verwendung der äußerst knappen Asylbewerberleistungen wichtiger ist das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Kindeswohl.“ Insgesamt empfinde der Helferkreis die Karte als „Instrument zur Schikane, Stigmatisierung und Ausgrenzung“.
Hintergrund
Schon bei der Stadtratssitzung, in der die Einführung der landeseinheitlichen Bezahlkarte beschlossen wurde, war über die Einführung der Bezahlkarte ein heftiger Streit ausgebrochen. Letztlich musste die Diskussion abgebrochen werden, weil sie in dieser Ausführlichkeit in den Fachausschuss gehöre, so die Begründung von Oberbürgermeister Adolf Kessel (CDU).