Das Bestattungsgesetz soll in Rheinland-Pfalz nach über 40 Jahren reformiert werden. Über dieses Thema sprachen nun Dirk Beyer (SPD), seit Januar dieses Jahres Landtagsabgeordneter und Mitglied im Gesundheitsausschuss, und sein Parteifreund und Landesgesundheitsminister Clemens Hoch auf dem Weingut Sandwiese in Worms. Zur Gesprächsrunde am Dienstagabend kamen rund 30 Gäste. Kurz zuvor, ebenfalls am Dienstag, kam der Gesundheitsausschuss des Landtags zusammen, um Experten und Verbände zum geplanten Gesetz zu befragen.
Bestattungen künftig auch ohne Friedhof
Mit dem neuen Gesetz ist geplant, die Beisetzungspflicht auf Friedhöfen zu streichen und einzelne neue Bestattungsformen alternativ zum Friedhof zu erlauben (wir berichteten). Es gebe eine steigende Nachfrage nach anderen Bestattungsformen als die klassische Friedhofsbeisetzung im Sarg oder in der Urne, erklärte Hoch. Für viele Menschen sei die Bestattung im eigenen Garten ein relevantes Thema geworden. Hoch soll dabei schon Fragen wie diese erhalten haben: „Wann kann ich mich endlich unter meinem Apfelbaum bestatten lassen?“
Es soll nun möglich werden, dass die Asche außerhalb von Friedhöfen verstreut werden darf, etwa im eigenen Garten oder auch im Rhein, in der Saar, der Lahn und Mosel in Rheinland-Pfalz. Ebenso soll erlaubt werden, dass die Urne künftig an Privatpersonen übergeben werden darf oder die Asche aufgeteilt werden kann. Der verstorbenen Person soll künftig die Möglichkeit eingeräumt werden, individuell seine Bestattungsform wählen zu dürfen. Der Wille des Verstorbenen soll respektiert werden.
Dazu müsste, so Hoch, die verstorbene Person schriftlich erklärt haben, wie sie bestattet werden will und weiterhin eine Person benannt haben, die sich um die Bestattung kümmern soll. Wenn keine schriftliche Erklärung vorliegt oder wenn die benannte Person mit der gewählten Bestattungsform nicht einverstanden ist, bleibe es bei der herkommlichen Friedhofsbeisetzung. Damit werde der Grundsatz der Sarg- oder Urnenbestattung trotz der Änderungen fortbestehen, so der Minister.
Kritik von den Gästen und vom Landtag
In der Wormser Runde gab es einige, mitunter kritische Fragen und Kommentare, insbesondere über die Bestattung zu Hause oder in den Flüssen: Wie wird sichergestellt, dass mit der Urne privat würdevoll umgegangen wird? Was passiert mit der Urne, wenn selbst die Angehörigen, die sie aufbewahren, versterben? Wie wird die Genehmigung für die Flussbestattung oder das Austreuen außerhalb des Friedhofs eingeholt? Hierzu müsste immer das Einverständnis des betroffenen Grundstückseigentümers eingeholt werden, sagte Hoch. Auch zum privaten Umgang mit der Urne würde der Minister die intensiv geäußerten Bedenken und offenen Fragen nachvollziehen können.
Minister Clemens Hoch: „Wenn aber eine Urne auf dem Spermüll landen sollte, bin ich mir den öffentlichen Aufschrei schon sicher.“
Individualismus habe am Lebensende nichts zu suchen, finden manche, wie Hoch erläuterte. Andere würden um die Totenruhe besorgt sein, wenn Urnen privat aufbewahrt werden. Nach Hochs Wahrnehmung würden zumeist die Ehepartner die Urne bei sich zu Hause wünschen, wenn für sie der Weg zum Friedhof zu weit wurde. „Da glaube ich, dass die meisten Menschen würdevoll mit der Urne umgehen werden. Wenn aber eine Urne auf dem Sperrmüll landen sollte, bin ich mir den öffentlichen Aufschrei schon sicher.“
Aus dem Landtag hörte man am Dienstag ähnliche Kritik wie aus der Gesprächsrunde in Worms. Die CDU will die Beisetzungspflicht auf Friedhöfen erst gar nicht streichen. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Christoph Gensch, kommentierte: „Mit der Abschaffung der Friedhofspflicht schafft die Landesregierung mittelfristig die Friedhöfe ab.“ Minister Hoch entgegnete in der Wormser Runde, dass die Friedhöfe als Ort kollektiver Trauer erhalten werden sollen. Dabei wurde in der Runde auch angesprochen, wie sich Angehörige, Bekannte und Freunde verabschieden oder der verstorbenen Person gedenken sollen, wenn die Urne privat unzugänglich sei. Eine Frau aus den Gästereihen gab den Vorschlag mit, für Personen, die außerhalb des Friedhofs bestattet werden, Gedenkstelen auf Friedhöfen zu erlauben.
Die Freien Wähler befanden zur Ausschuss-Anhörung vom Dienstag: „Fast alle Experten, die sich im Ausschuss geäußert haben, forderten ausdrücklich mehr Zeit zur sorgfältigen Prüfung und Diskussion der tiefgreifenden Neuregelungen. Diesem Wunsch darf sich die Landesregierung nicht verschließen.“ Es gehe hier nicht um eine kleine Verwaltungsreform, sondern um einen grundlegenden Eingriff in unsere Bestattungskultur, unsere ethischen Maßstäbe und das gesellschaftliche Verständnis von Würde und Trauer.
Änderungen noch möglich
Über den Sommer sollen weitere Meinungen und Rückmeldungen eingeholt werden, ehe der Landtag im September das Gesetz verabschieden soll, bekräftigten Beyer und Hoch. Das Gesetz sei bisher noch nicht in Stein gemeißelt und werde weiter intensiv im Parlament, mit Bürgern und Verbänden diskutiert. „Wir sind mitten im Gesetzgebungsprozess.“ Es sollten Fragen erörtert werden und entsprechende Regelungen im Gesetz getroffen werden, ohne mehr Bürokratie zu schaffen, wie die beiden Abgeordneten erläuterten.
Beyer ergänzte dazu: „Kein Gesetz verlässt den Landtag, wie es eingebracht wurde.“ Laut Hoch würden sogar diese drei Änderungen wenig strittig sein: Dass künftig „Sternenkindern“, also Kindern, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind, ein Beisetzungsort garantiert werden soll. Dass Kindern bis sechs Jahren, bei denen die Todesursache nicht eindeutig geklärt ist, verpflichtend obduziert werden sollen. Und dass Rheinland-Pfalz auf Antrag der Angehörigen für die Gräber von im Auslandseinsatz gefallenen Bundeswehrsoldaten aufkommen soll – als deutschlandweit drittes Bundesland.
Gesprächsthema Tod während eigener Geburtstagsfeier: „sehr intensiv“
Hoch empfehle grundsätzlich, mit seinen Angehörigen über das Thema „Nach dem Tod“ zu sprechen. Es sei sinnvoll und empfehlenswert, sich hierzu Gedanken zu machen, auch über das Thema Organspende. „Es hilft ungemein, wenn man einen Organspendeausweis hat, selbst wenn man sich dagegen entscheiden sollte.“ Dazu hatte der Minister eine persönliche Anekdote parat: Während seiner Geburtstagsfeier im Familienkreis habe er mit seinem Bruder und den Eltern sehr spontan und sehr intensiv über die Frage, was nach dem Tod der Eltern passieren soll, gesprochen.
Frage nach der Bestattungsform
Für ihn sei es dennoch eine schöne Geburtstagsfeier, mitunter sogar die schönste Geburtstagsfeier seines Lebens gewesen, wie Hoch erwähnte, weil sich intensiv über das Thema ausgetauscht wurde – wohlgemerkt ein sehr persönliches, das bei vielen oft unbesprochen bleibe. Rudolf berichtete hierzu in der Runde als Bestatter von sehr langen Beratungsgesprächen, die teils sogar über drei Stunden lang gehen würden. „Wir nehmen uns die Zeit“, da das Thema privat viele Fragen aufwerfen würde, die man zuvor nicht geklärt hat.
„Möchte in einer Mülltonne bestattet werden“
Ingrid, eine Kollegin von Rudolf, soll einen Menschen kennengelernt haben, der ihr gegenüber den Wunsch geäußert haben soll in der Mülltonne bestattet werden zu wollen. „Durch meine Beratung hat sich die Person zu einer anonymen Bestattung entschieden. Ich verstehe meine Aufgabe darin, Frieden für alle, den Verstorbenen und die Angehörigen, zu finden.“ Ingrid lobte das geplante Gesetz mit den vorgesehenen Neuerungen. Dagegen äußerte Rudolf jedoch seine Zweifel: Er sehe die Gefahr nach mehr Aufwand für seinen Job, auch im Hinblick auf die Flussbestattungen: „Wer soll da wie eine Genehmigung einholen?“ Oder auch zur Frage, wer die Urne an die benannte Privatperson übergeben soll. Sollen dies auch die Bestatter machen?
Timo Horst (SPD) berichtete zuletzt als Wormser Friedhofsdezernent, über die Entwicklung der zwölf städtischen Friedhöfe. Beispielsweise würden in Worms nicht nur die Urnenbeisetzungen, sondern auch die Tuchbestattungen zugenommen haben. Während diese bisher nur Menschen muslimischen Glaubens vorbehalten sind, sollen sie laut Hoch im neuen Bestattungsrecht hingegen für alle Menschen erlaubt werden. Laut Horst würden die Wormser Kapazitäten für Tuchbestattungen an ihre Grenzen stoßen, da immer mehr muslimische Menschen sich nicht mehr in ihrer ursprünglichen Heimat, sondern in Deutschland bestatten lassen wollen. Die Friedhöfe befänden sich schon jetzt in einem stetigen Wandel.