Zweieinhalb Stunden und neun Reden des Oberbürgermeisters, der Ratsfraktionen und -gruppen – dann stand der Beschluss des Haushalts für das kommende Jahr. Es beinhaltet ein Minus von 70 Millionen Euro und neue Schulden in Höhe von 40 Millionen Euro. Das sorgte in der Ratsrunde für Gesprächsbedarf, insbesondere über die Finanzausstattung der Kommunen im Land. Schließlich ist das hohe Defizit vor allem in den Pflichtaufgaben, vor allem im Sozialbereich, begründet (wir berichteten).
Gestaltungszuversicht versus Handlungsunfähigkeit
Oberbürgermeister (OB) Adolf Kessel (CDU) führte die Rednerliste an. Mit seiner Rede wolle er einen „eindringlichen Hilferuf an Land und Bund“ senden. „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand.“ Der Haushaltsausgleich ist seiner Meinung nach derzeit in schier unerreichbare Weite gerückt, zumal sich das Haushaltsdefizit innerhalb eines Jahres auf rund 70,7 Millionen Euro nahezu verdoppelt hat. „Das liegt nicht an einer schlechten Haushaltspolitik der Stadt. Es liegt an der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen“, konstatierte der OB.
Trotz der vielleicht düster wirkenden Aussichten gab sich der Stadtchef optimistisch: „Lassen Sie uns im nächsten Jahr weiter für eine auskömmliche Finanzierung kämpfen, um die Lebensqualität zu sichern.“ Denn es gelte, Lösungen für die Zukunftsthemen und Antworten auf die zentralen Fragen der Zeit zu finden, so Kessel. Der Optimismus trotz der Haushaltslage, die Stadt zukunftsgerecht gestalten zu können, teilten auch die Fraktionen von CDU, SPD, Grüne und Linke, die mit dem OB für den Haushalt gestimmt haben. Hingegen bildete sich eine Front, die den Haushalt ablehnt, zu denen die AfD, „Worms will weiter“, „Zukunft für Worms“, die Freie Liste und die FDP zählen.
„Stadtrat schon jetzt nicht mehr handlungsfähig“
„Worms will weiter“-Fraktionschef Mathias Englert erklärte: „Der Stadtrat ist schon jetzt handlungsunfähig.“ Der Stadt fehle es angesichts der Haushaltslage an jeglichen Handlungsspielraum. Dabei empfahl Englert dem OB sogar seinen Rücktritt mit den Worten: „Oberbürgermeister Kessel verwaltet nur, er gestaltet nicht.“ Detlef Kettner (Freie Liste) urteilte zur Lage: „Es darf kein ,Weiter so‘ geben. Die Verantwortung für das Defizit liegt allein bei Land und Bund. Die Stadt hangelt sich von Förderantrag zu Förderantrag.“ Heribert Friedmann (AfD) hinterfragte die Arbeit der Haushaltskonsolidierungskommission (HKK): „Was können wir schon richten? Die Vorschläge der externen Berater [die der HKK angehören, Anm. d. Redaktion] sind finanziell nicht schlecht, nur dann wäre Worms in zehn Jahren eine verlassene Stadt.“
Dirk Beyer (SPD) monierte die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen als ein „tiefgreifendes Problem“, das nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in anderen Bundesländern bestehe. „Der vorliegende Haushalt ist nicht ideal, aber die notwendige Grundlage für Gespräche mit der ADD“, findet Beyer. Anna Biegler von der Grünen-Fraktion sah an der Situation „nichts zu beschönigen“. Es brauche klare Prioritäten: „Der Haushalt darf kein Buch der Kürzungen sein, er muss ein Plan für die Zukunft sein.“ Da der Haushalt voraussichtlich durch die Aufsichtsbehörde ADD nicht genehmigt wird, stünden Entscheidungen bevor, die wehtun werden. Hier lässt sich eine Erhöhung der Gewerbesteuer nennen, die der Rat bislang nicht beschlossen hat (wir berichteten).
Land und Bund verklagen?
Dr. Klaus Karlin (CDU) hob in seiner Rede insbesondere die Bedeutung des Ehrenamts hervor, das durch zunehmende bürokratische Auflagen belastet werde und im Haushalt nicht zu kurz kommen dürfe. Isabell Lieffertz (Die Linke) mahnte in Anbetracht des hoch defizitären Sozialetats: „Armut ist das Problem, nicht die Armen.“ An der Qualität der Sozialleistungen zu kürzen sei deshalb falsch. Toni Ras („Zukunft für Worms“) lag in seiner Rede Wert auf das Thema Wirtschaft. Für Dr. Jürgen Neureuther (FDP) habe die Stadt „ein Ausgaben-, kein Einnahmeproblem“.
Die Reden hoben insgesamt die fundamentale Bedeutung der Kommunen für den Staat hervor. Dabei gehe es auch um das Vertrauen der Bürger in staatliche Institutionen und staatliches Handeln, so die Politiker. Das fange in der Kommune an. Auch wurde mehrfach gefordert, dass sich die Stadt Worms der rechtlichen Klage gegen Bund und Land anderer Kommunen anschließen sollte, so wie zum Beispiel der Landkreis Südwestpfalz das Land verklagen will.
Neue Haushaltsdebatten im neuen Jahr zu erwarten
Mit 31 Ja- und 22 Nein-Stimmen votierte der Rat für den Haushalt. Nun steht die Genehmigung durch die ADD, der Aufsichtsbehörde, aus. Aber allen im Rat war in der Sitzung bereits bewusst, dass sie das Zahlenwerk nicht ohne Weiteres durchwinken wird. Sie erwartet die größtmöglichen Bemühungen, das Defizit so gering wie möglich zu halten und einen Weg der Haushaltskonsolidierung – also ausgeglichener Haushalte – zu beschreiten, auf dem man sich mit der HKK begeben möchte.
Spätestens ab 2034 soll es Haushalte ohne neue Schulden geben. Wie das gelingt, ist derzeit eine offene und diskutable Frage, wie in der Debatte deutlich wurde. Der Rat wird sich wohl weiter mit dem Haushalt 2025 beschäftigen und die Stadt mit der ADD hart um eine Genehmigung ringen müssen.
Über der Stadtratssitzung stand in Worms am Dienstag außerdem die Frage, ob nach der Kommunalwahl im Juni eine neue Ratskoalition steht. CDU und SPD, die bisher koaliert haben, brauchen für eine Mehrheit künftig einen weiteren Partner. Mit den Grünen sei man, wie man aus Ratskreisen hören konnte, in weiten Gesprächen. Mit „Worms will weiter“ kommt es wegen des Haushalts hingegen wohl zu keiner Koalition mehr, wie die Fraktion auf Facebook am Abend nach der Sitzung schreibt. Eine Alternative zur Koalition wären wechselnde Mehrheiten.