Lebt sie noch oder ist sie doch schon tot? Über die Wiesbadener Innenstadt scheiden sich die Geister. Während die einen, den Branchenmix für attraktiv halten, sind andere mit dem Angebot vor Ort nicht zufrieden. Eher kritisch bewertet auch Leser Pepe die Situation. „In der Stadt ist nichts los, Läden sterben.“ Deshalb fragt er etwas provokativ: „Braucht man da die Fußgängerzone noch?“
„Innenstadt tot“?
Zum Thema Ladensterben in der Fußgängerzone hatte zuletzt auch der Influencer „primoprimo“ aufhorchen lassen. In seinem Video „Wiesbaden Innenstadt einfach tot“, das er auf Instagram postete, wies er auf zahlreiche leerstehende Geschäfte hin (wir berichteten). Doch bedeutet das automatisch, dass die Innenstadt immer weniger attraktiv ist? Aus Sicht der Verwaltung nicht. So sagte der Pressesprecher der Stadt Wiesbaden, Ralf Munser, noch am Anfang dieses Jahres auf Anfrage von Merkurist: „Es gibt eine große Auswahl in der Stadt und viele inhabergeführte Unternehmen, die spezielle Angebote haben, die zur Individualität und Schönheit unserer Stadt beitragen.“ Die Verwaltung bewerte den Branchenmix in Wiesbaden deshalb im Großen und Ganzen als ausgewogen.
Das spiegele sich auch bei den Passantenfrequenzen wider. So habe eine im Herbst 2024 durchgeführte Umfrage in Handel und Gastronomie gezeigt, dass sich die Zahl der Besucher in der Innenstadt nach Corona von 2021 bis 2024 deutlich erholt habe, so Munser. Die Aufenthaltsdauer in der Innenstadt sei erstaunlich stabil geblieben und die Zahl derjenigen, die sich in der Innenstadt sehr wohl fühlen, habe sich fast verdoppelt. Das zentrale Ergebnis der Befragung von Passanten sei demnach, dass die Innenstadt positiver wahrgenommen werde.
Hohe Tagesfrequenz
Und offenbar erfreut sich die Wiesbadener Innenstadt tatsächlich großer Beliebtheit. So gehört sie anscheinend „zu den vitalsten in Deutschland“. So belegt Wiesbaden beim diesjährigen VITALCity-Award von hystreet.com in Zusammenarbeit mit dem Handelsforschungsinstitut IFH Köln in der Größenklasse von 250.000 bis 600.000 Einwohner bundesweit erneut den ersten Platz – zumindest was die „Lebendigkeit der Kirchgasse“ anbelangt.
Ein besonderes Merkmal der Wiesbadener Kirchgasse sei, so die Experten für die Messung von Besucherfrequenzen in Einkaufsstraßen, dass auch zwei Stunden nach Ladenschluss noch mehr als 22 Prozent der Tagesfrequenz in der Fußgängerzone bestehen bleibe – ein Wert, den nur wenige Handelslagen erreichen würden.
Ob sich die Innenstadt nun positiv weiterentwickelt und die Passantenfrequenz in der Fußgängerzone stabil bleibt, wird sich demnächst zeigen. Denn zwischen dem 28. Juli und 15. August wurden Einzelhändler und Gastronomen in Wiesbaden erneut zu ihrer Meinung über die Innenstadt befragt (wir berichteten). Mit Hilfe der Ergebnisse soll die Innenstadt dann (noch) attraktiver werden, so die Verwaltung.