Seit Monaten steht die Wiesbadener Hausverwaltungsgruppe Consigma in der Kritik, weil sie offenbar Rücklagengelder von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) über Umwege zu Darlehen bei Immobilienfirmen machen ließ. Bisher kamen die Beschwerden, die Merkurist erreichten, hauptsächlich aus Hessen. Doch wie sich nun herausstellt, sind auch mindestens zwei rheinhessische WEGs betroffen. Was war passiert?
Grauzone oder Straftat?
Anfang des Jahres waren Ergebnisse einer gemeinsamen Recherche von HR und BR zu Consigma bekannt geworden. Es zeigte sich, dass die Hausverwaltungen, die zu dem Unternehmen gehören, ihre Vollmachten über die Rücklagenkonten der Wohnungseigentümergemeinschaften nutzten, um große Summen zu Anleihen bei der sogenannten DR Deutsche Rücklagen GmbH zu machen. Diese Firma wiederum soll das Geld, das ihr so zur Verfügung gestellt wurde, zu Krediten für Bauvorhaben gemacht haben.
Dieses Vorgehen löste Anfang des Jahres eine Empörungswelle aus, auch Juristen beurteilten es als fragwürdig. So erklärte etwa Rechtsanwalt Sinem Tükek vom Rechtsanwaltsbüro Hobohm Natalello Giloth GbR gegenüber Merkurist: „Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf darauf vertrauen, dass im Falle einer beispielsweise nötigen Reparatur unmittelbar auf die Rücklage zurückgegriffen werden kann, da den Verwalter die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung in Form ordnungsgemäßer Zurücklegung des Geldes trifft. Bei solch spekulativen Geldanlagen kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass das Geld sicher verwahrt wird. Vielmehr ist diese Möglichkeit der Anlegung risikoreich und widerspricht dem Sinn und Zweck, welchem die Rücklagen einer WEG zu dienen bestimmt sind. Ein Verwalter, der gegen seine Geldverwahrungspflicht verstößt, macht sich haftbar.“
Die Finanzaufsicht BaFin hatte der DR Deutsche Rücklagen laut Hessenschau im April das Kreditgeschäft mit Rücklagen untersagt. Dementsprechend sollten die Gelder an die WEGs zurückgehen. Auf Merkurist-Nachfrage teilte auch Consigma mit, dass die DR die Gelder an die WEGs zurückzahle.
Neue Hausverwalterin steht vor Problemen
Das entspricht allerdings nicht der Erfahrung zweier WEGs in Rheinhessen: einer in der Gutenbergstraße in Nieder-Olm und einer in der Vogelbergstraße in Mainz. Beide wurden bis vor kurzem von Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe betreut, mittlerweile sind sie zur Nieder-Olmer Hausverwaltung Heide gewechselt. Laut deren Geschäftsführerin Bianca Heide gaben beide Wohnungseigentümergemeinschaften an, nicht vorab über das Geschäft mit ihren Rücklagen informiert worden zu sein. Dennoch seien bei der Nieder-Olmer WEG 40.000 Euro vom Rücklagenkonto zu Anleihen bei der DR gemacht worden, bei der Mainzer WEG sogar 180.000 Euro. Beide Beträge seien bis dato nicht zurück auf die Rücklagenkonten gebucht worden.
Das sei außerdem nicht das einzige Problem, so Heide. Die Consigma-Hausverwaltungen seien darüber hinaus für sie nicht zu erreichen, weshalb sie die Unterlagen der WEGs nicht bekäme. „Ich kann die Versorger nicht anschreiben und sie über den Verwalterwechsel informieren, was auf Dauer dazu führt, dass die Versorger das Gas, Wasser und Strom abstellen, denn irgendwann wird kein Geld mehr auf den Bankkonten sein“, erklärt die neue Hausverwalterin. Wenn sie bei der Consigma anrufe, gelange sie nur ins Callcenter, auf Mails und Briefpost werde nicht reagiert.
Letztlich sei Heide sogar zur Geschäftsstelle der früheren Hausverwaltung ihrer neuen Kunden gefahren, der Impuls-Immobilienverwaltungs-GmbH in Bischofsheim. Die Wiesbadener Geschäftsstelle sei nämlich geschlossen gewesen. Auf der Website der Consigma Holding GmbH wird die Impuls in Bischofsheim als „Einheit der Consigma Unternehmensgruppe“ genannt, zudem taucht im Impressum der Impuls ein Name unter der Geschäftsführung auf, der sich auch im Vorsitz der Consigma wiederfindet. Vor Ort sei ihr dann von einem Mitarbeiter zugesagt worden, dass die Unterlagen herausgegeben würden. „Leider war das nur ein leeres Versprechen“, so Heide.
„Verzögerungen in der Kommunikation“ bei Consigma
Auf Merkurist-Anfrage äußert sich nun die Consigma zu Wort. Eine Geschäftsführerin der Consigma Bayern bestätigt, dass die beiden WEGs in Rheinhessen nicht mehr Kunden bei ihnen seien. Dass die Gelder noch nicht auf die Rücklagenkonten der WEGs zurückgezahlt wurden, begründet das Unternehmen mit einer noch laufenden Kündigungsfrist. Demnach sei die Rückzahlung der Anlagen noch nicht fällig.
Ebenso bestätigt die Consigma-Geschäftsführerin, dass es zu „Verzögerungen in der Kommunikation“ gekommen sei. Grund dafür sei eine Umstrukturierung gewesen. Was genau diese Umstrukturierung umfasst, verrät sie nicht. Wie sie jedoch weiter mitteilt, wurde der ursprünglich in Wiesbaden angesiedelte Standort der Consigma Rhein-Main tatsächlich nach Bischofsheim verlegt. Das sei den Kunden auch mitgeteilt worden. Die verpasste Kommunikation mit der Hausverwaltung Heide in Rheinhessen wolle das Unternehmen nun nachholen. „Wir werden auf die neue Hausverwaltung zugehen und offene Fragen klären.“
Consigma weist Vorwürfe zurück
Doch auch unabhängig von der missglückten Kommunikation kritisiert Bianca Heide als Hausverwalterin das Vorgehen der Consigma-Hausverwaltungsgruppe scharf: „Das ist ein Tiefschlag für die Branche und erschüttert das Vertrauen in uns als Hausverwalter.“ Sie frage sich, ob die Geschäfte der Consigma mit den Rücklagengeldern juristisch als Unterschlagung gelten könnten. „Das könnte der Fall sein, wenn das Geld der WEGs nicht einzeln, WEG-bezogen, bei der DR Deutschen Rücklagen angelegt worden ist, sondern einfach in einem großen ‘Pott’ ohne Bezug zu den einzelnen WEGs“, sagt sie.
Diesen Vorwurf weist die Consigma klar zurück. „Wir haben für jede WEG ein eigenes Instandhaltungskonto mit dazugehörigem Depot angelegt und die Kontoauszüge und Depotauszüge unseren Kunden im Rahmen der Belegprüfungen zur Prüfung vorgelegt“, sagt die Geschäftsführerin von Consigma Bayern. „Bereits bei der Belegprüfung in 2023 für das Jahr 2022 wurde die Anlage von allen unseren Kunden sowohl im Rahmen der Belegprüfung als auch bei der Eigentümerversammlung geprüft und genehmigt.“
Aussagen wie die von Bianca Heide, dass das Vorgehen der Consigma ein „Tiefschlag“ sei, hält die Geschäftsführerin zudem für „polemisch und unangebracht“, weiterhin spricht sie von einer gegen die Consigma gerichteten „ungerechtfertigten Kampagne“ sowie von falschen Beschuldigungen in der medialen Berichterstattung. „Wir haben uns zu jeder Zeit an die rechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der Anlage von Instandhaltungsrücklagen gehalten.“