Im Mai 2004 wurde die „Bar jeder Sicht“ in der Hinteren Bleiche als einzige queere Bar mit Kulturzentrum in Mainz und direkter Umgebung gegründet. In den 20 Jahren, in denen es die Bar schon gibt, hat der Betreiberverein des Zentrums schon einiges erlebt. Was genau, das erzählt Vorstandsmitglied Andreas Vetter im Gespräch mit Merkurist.
Queeres Zentrum und Bar in einem
Vorbild für die „Bar jeder Sicht“, die 2004 noch „Sichtbar“ hieß, war damals das „SCHMIT-Z“ in Trier. „Beim SCHMIT-Z haben wir uns Inspiration geholt“, so Vetter. Die Trierer Einrichtung ist, wie die „Bar jeder Sicht“, queeres Zentrum und Bar in einem. Seit der Eröffnung der „Bar jeder Sicht“ ist diese Kombination auch das Alleinstellungsmerkmal unter den sozialen Einrichtungen in Mainz. Finanziert wurden der 1999 gegründete Verein sowie die spätere Bar mit dem Reingewinn des ersten Christopher Street Day (CSD) im Jahr 1993. Heute wie damals wird das Zentrum fast ausschließlich ehrenamtlich betrieben.
Vetter sagt: „Die Leute haben so einen Raum damals einfach gebraucht.“ Trotzdem sei es zu Beginn nicht einfach gewesen, bei der Stadt für die Notwendigkeit der Einrichtung zu argumentieren, erzählt er. Damals sei man vor allem auf „wohlwollendes Desinteresse“ gestoßen. Zu direkter Kritik an dem Konzept soll es jedoch nie gekommen sein. „Heute ist die Stadt unser größter Förderer“, auch wenn manche konservativeren Parteien nach wie vor skeptisch seien, so Vetter.
Gründer und Inhaber der „Bar jeder Sicht“ ist der „Förder- und Trägerverein des Kultur- und Kommunikationszentrums für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transidente, Intersexuelle und Queere Mainz e. V.“ Dieser wiederum wurde am 9. September 1999 von dem queeren Verein Schwuguntia und dem damals „Autonomen Schwulenreferat im Asta der Johannes Gutenberg-Universität Mainz“ gegründet.
Soziale Einrichtung mit Kneipenbetrieb
„Wir sind in erster Linie eine soziale Einrichtung – ein Zentrum, aber mit Kneipenbetrieb“, beschreibt Vetter das Konzept. Diese besteht aus einem großen Raum, der meistens zweiteilig genutzt wird. Im vorderen Teil ist der Kneipenbereich mit Gastronomiebetrieb. Weiter hinten ist der Veranstaltungsbereich. Dort finden unter anderem Filmabende, wissenschaftliche Vorträge, Ausstellungen und Workshops statt. Zusätzlich bietet der Trägerverein Beratungen an, zum Beispiel zu Coming-Out Prozessen, zu Familienplanung in queeren Partnerschaften und zu Lebenskrisen, so der 57-Jährige. Außerdem wird die Veranstaltungsfläche von vielen Gruppen als Treffpunkt genutzt.
2009 und 2019 wurde die Bar umgebaut. Vor allem der Einrichtungsstil habe sich dabei immer wieder verändert. Der Charakter sowie das Konzept seien jedoch gleichgeblieben, so Vetter.
Auf der Webseite der Einrichtung heißt es, dass die Bar ein „Zentrum für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Intersexuelle und Queere in Mainz und Umgebung“ sei. „Heteros und Heteras sind natürlich ebenfalls willkommen!“ Und genau das zeichnet die Bar laut Vetter auch aus. Jeder kann vorbeikommen, unabhängig von der sexuellen Identität und Orientierung. „Wir sind ein sicherer Raum.“ Vor allem in der Anfangszeit sei das wichtig gewesen. In den gesamten 20 Jahren sei die Bar so gut wie nie Ziel von Anfeindungen gewesen, „was gerne so bleiben kann“, so Vetter.
Zwischen Nostalgie und Zukunftsplänen
Im Rückblick auf die letzten 20 Jahre gebe es inzwischen mehr Austausch zwischen den unterschiedlichen queeren Orientierungen, sagt Vetter. „Wir sind einfach ein Ort der Begegnung.“ Auch gebe es grundsätzlich mehr queere Orientierungen als damals. „In der Diversität ist es noch diverser geworden.“ Vor allem das Einzugsgebiet für die Beratungen sei immer größer geworden. „Die Leute kommen teilweise von sehr weit her.“
Für die Zukunft wünscht sich der 57-Jährige, „dass wir weiterwachsen und weitermachen können“. Aktuell bestehe der Verein aus etwa 180 Mitgliedern. Diese Zahl sei in den letzten zwei Jahrzehnten beständig gewachsen. Außerdem seien mehr Fördermittel für das Zentrum wünschenswert. Aktuell ist der Betreiberverein auf der Suche nach neuen Räumen (wir berichteten), mit der Möglichkeit, die vorhandene Fläche besser zu unterteilen, damit Gruppentreffen auch gleichzeitig stattfinden könnten. „Auch Themenabende wie der ABBA-Abend wären mal wieder schön, aber das ist eben viel Arbeit.“