Braucht es in Mainz einen Fastnachts-Knigge für Kostüme?

In den letzten Jahren wird immer häufiger über Fastnachtskostüme gestritten. Viele Verkleidungen gelten nicht mehr als politisch korrekt. Doch gibt es auch konkrete Verbote dazu?

Braucht es in Mainz einen Fastnachts-Knigge für Kostüme?

Wer sich an Fastnacht verkleiden will, hat die Qual der Wahl. In den entsprechenden Geschäften gibt es inzwischen Dutzende Kostüme und dazu passende Accessoires. Doch bei der Auswahl der Verkleidung kann man heutzutage durchaus auch ins Fettnäpfchen treten. Denn was früher als unkritisch galt, ist mittlerweile mitunter äußerst umstritten. Schnell sieht man sich dann dem Vorwurf der kulturellen Aneignung oder des Rassismus ausgesetzt, wenn man sich beispielsweise als „Indianer“ oder als Chinese verkleidet.

Während die einen sich in ihrer Kostümauswahl bevormundet sehen und die Diskussionen darüber leid sind, verzichten andere lieber freiwillig auf gewisse Verkleidungen. Auch wenn es nur ganz vereinzelt rechtliche Vorgaben gibt, scheint es aber so zu sein, dass mancherorts durchaus bewusst Vorschriften gemacht werden, wie man sich an Fastnacht zu verkleiden habe.

Vorgabe an Schule

Wie Merkurist nun erfuhr, sollen Kinder einer Schule in der Region eine Auflistung unerwünschter Kostüme bekommen haben. Unter den Verkleidungen waren etwa „Cowboy“ und „Indianer“. Ferner war von einem Verbot von Farben im Gesicht sowie von Rastazöpfen die Rede. Doch ist dieses Beispiel möglicherweise repräsentativ für andere Schulen im Raum Mainz?

Dazu erklärt die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), die in Rheinland-Pfalz für das Schulwesen zuständig ist, dass das Thema Kleidung tatsächlich immer wieder auftauche. In diesem Zusammenhang sei auch das Thema Verkleidungen zu verorten. „Sollten unerwünschte Verkleidungen auftauchen, wird das Gespräch gesucht und die Kinder ihrem Alter entsprechend pädagogisch sinnvoll informiert. In den meisten Fällen kann so die Situation gelöst werden“, sagt ADD-Sprecherin Eveline Dziendziol auf Anfrage. Sofern die Schulen in dieser Angelegenheit Beratungsbedarf hätten, sei die Schulaufsicht selbstverständlich immer ansprechbar. Doch: „Richtlinien gibt es hierzu nicht, auch vor dem Hintergrund, dass es keine vorgeschriebene Schulkleidung gibt.“

Debatte um „Indianer“-Kostüm

Und somit gilt auch weiterhin, dass es keine Vorschriften gibt, was die Kostümwahl betrifft. So sieht es beispielsweise auch Moritz Glenk von der Stiftung gegen Rassismus: „Einordnen lässt sich, dass es keine Verbote gibt.“ Dennoch solle man sich Gedanken zur Kostümwahl machen, „wenn damit real existierende Gruppen nachgeahmt werden sollen“. So seien Kostüme von „Indianer*innen“ bei vielen betroffenen Gruppen in ihrer Verzerrung der historischen Wirklichkeit verpönt, erklärte Glenk schon zur Fastnacht 2023.

Zudem empfiehlt er für Interessierte eine Broschüre, „die vieles etwas umfassender einordnet“ mit Bezug zu Kindern und die zudem auch für Erwachsene bedenkenswert sei. Die Broschüre, die bereits aus dem Jahr 2016 stammt, beschäftigt sich unter anderem mit der „Kostümierung als amerikanische Erstbewohner*innen“. Darin heißt es, dass es die sogenannten Indianer nicht gebe beziehungsweise nie gegeben habe und der Begriff im Zuge der Kolonialisierung Nord- und Südamerikas der damaligen Bevölkerung aufgezwungen worden sei. So habe beispielsweise Federschmuck und Gesichtsbemalung mehr als eine dekorative Bedeutung. „Das macht es noch respektloser, sie als Verkleidung zu benutzen“, so die Broschüre.

„Kultursensibilität ein Fortschritt“

Und auch das „Black-“ beziehungsweise „Yellowfacing“ wird thematisiert. „Ein bisschen schwarze oder gelbe Schminke und schon steht das Kostüm als ‘Afrikaner/in’, ‘Chinese/Chinesin’. Wer findet das lustig und auf welche Kosten geht der Scherz?“, fragt die Broschüre. Und Rassismus-Experte Glenk erklärt dazu, dass man auch nirgendwo einen Menschen mit gelber Hautfarbe finden werde.

Keine gelbe Schminke bei seinem kostümierten Auftritt bei „Mainz bleibt Mainz“ im Jahr 2017 hatte hingegen der ehemalige Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling verwendet. Rückblickend auf seine Verkleidung von damals angesprochen sagte der jetzige Innenminister schon einmal gegenüber Merkurist: „Also ich finde schon, dass eine Kultursensibilität ein Fortschritt in unserer Gesellschaft ist.“ Es werde unter dem Motto diskutiert: „Man darf nicht mehr bestimmte Dinge tun oder es wird einem irgendetwas verboten. Ich jedenfalls will nichts verbieten und nicht vorschreiben, wie Leute sich anzuziehen haben, auch nicht an Fastnacht.“ Aber es sei gut, dass man auf bestimmte Dinge eben sensibler schaue. Und somit darf sich auch dieses Jahr wieder jeder selbst Gedanken machen und sich dann verkleiden, wie er will.

Welche Kostüme tatsächlich verboten sind, erfahrt ihr hier: