Im Mai erhielt der Mainzer Gastronom Jan Appeltrath die Nachricht, dass er die Außenfläche seines „Gasthaus Willems“ in der Kapuzinerstraße verkleinern müsse, von 50 auf 20 Quadratmeter. Damit sei Appeltrath nicht allein, erzählt er gegenüber Merkurist. Auch viele der anderen Gastronomen in der Altstadt seien nun mit der 20-Quadratmeter-Regelung konfrontiert worden.
Wie kommt es jetzt zu diesem Umschwung? Gerade erst im März beschloss der Stadtrat eigentlich, die Gastronomie in Mainz „weiter unbürokratisch zu unterstützen“ und auch im Jahr 2024 keine Gebühren für die Sondernutzung von Außenflächen zu erheben – eine Regelung, die während der Corona-Pandemie eingeführt wurde. Außerdem sieht der Beschluss vor, die Vergrößerung von Gastronomie-Außenflächen zu vereinfachen und den Ermessensspielraum des Bebauungsplans „voll auszuschöpfen“.
Größere Außenflächen während Corona
Genau dort liegt aber offenbar das Problem: Die Gastronomiebetriebe, die jetzt von der Verkleinerung betroffen sind, dürfen laut Baurecht keine größeren Außenflächen haben. Es handele sich dabei um sogenannte Wirtschaftsgärten, erklärt ein Sprecher der Stadt Mainz auf Merkurist-Anfrage. Überall dort, wo die Bebauungspläne oder Baugenehmigungen keine detaillierten Regelungen zur Außengastronomie treffen, könne die Stadt im öffentlichen Raum Wirtschaftsgärten genehmigen – bis zu einer Größe von 20 Quadratmetern.
Dass einige der Wirtschaftsgärten zwischendurch größer gewesen seien, liege ebenfalls an der Corona-Pandemie. Eine der Erleichterungen für die Gastronomie war die Regelung, dass Außenflächen erst ab 50 Quadratmetern eine Baugenehmigung brauchen, und nicht schon ab 20. „Diese 20 m²-Regelung wurde nach der Pandemie wieder angewandt“, so die Stadt Mainz. Was genau „nach der Pandemie“ bedeutet, verrät der Sprecher nicht. „Willems“-Inhaber Jan Appeltrath erzählt, dass die Regelung erst in diesem Jahr „rückwirkend zum 1. Mai“ wieder geändert worden sei.
Mit „Gastro-Gefühl Mainz“ gegen die Politik
Für Appeltrath und die anderen Gastronomen mit Wirtschaftsgärten in der Altstadt komme diese Nachricht „zu einem ganz schlechten Zeitpunkt“. Nach der Corona-Pandemie, Energiekrise, Inflation und der Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent in der Gastronomie sei es schon jetzt schwer, keine Verluste zu machen. Dass nun auch die Außenflächen wieder verkleinert wurden, habe Appeltrath dazu bewegt, zu handeln. Gemeinsam mit anderen Gastronomen hat er die Interessengemeinschaft „Gastro-Gefühl Mainz“ gegründet und will damit für bessere Bedingungen im Restaurantgewerbe eintreten. Außerdem habe er das Gespräch mit Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) gesucht. Dieser sei ihm zwar mit Sympathie begegnet, habe bei der Außenflächen-Problematik aber nur bedingt helfen können.
Auch gegenüber Merkurist äußert Haase sich zu dem Thema: „In jüngster Zeit wurden bereits Einzelfälle in der Altstadt geprüft mit dem Ergebnis, dass die Sondernutzung von Parkplätzen für die Außengastronomie weiter genehmigt werden konnte“, so der Oberbürgermeister. „Ich befürworte darüber hinaus, dass auch ausgewählte Bebauungspläne auf ihre Aktualität überprüft werden.“ Die Nutzungsbedürfnisse hätten sich in den vergangenen Jahren nämlich verändert – auch wegen des Klimawandels. „Wir brauchen die Gastronomie samt Außenflächen auch zur Belebung unserer Altstadt.“
Bebauungspläne auch schon Thema im Stadtrat
Inwiefern die Bebauungspläne in der Altstadt zugunsten der Gastronomie geändert werden können, wurde in der vergangenen Stadtratssitzung am 15. Mai diskutiert. Dort ging es allerdings nicht in erster Linie um die Außenflächen, sondern um die Öffnungszeiten sogenannter Tagescafés. Als Beispiel wurde der vor kurzem eröffnete „Zaubersalon“ genannt, der aufgrund des Bebauungsplans um 20 Uhr schließen muss (wir berichteten). Den Antrag des Inhabers, sein Café bis 22 Uhr öffnen zu dürfen, lehnte das Bauamt ab.
Obwohl sich mit Ausnahme der Freien Wähler alle Fraktionen des Mainzer Stadtrats dafür aussprachen, die Bebauungspläne in der südlichen Altstadt anzupassen, machte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) wenig Hoffnung auf eine zeitnahe Änderung. „Ich kann total verstehen, dass der Wunsch besteht, hier zu einer schnellen und möglichst einfachen Lösung zu kommen“, sagte sie im Anschluss an die Diskussion. „Es gibt aber Fragestellungen und Rahmenbedingungen, die sind sehr kompliziert. Und die können wir auch nur kompliziert beantworten.“
„Baurecht ist sehr schwierig“
Bevor ein Bebauungsplan überarbeitet werden kann, müsse vorher „immer, immer, immer“ ein städtebauliches Konzept erarbeitet werden, betont Grosse. „So will es das Gesetz.“ Einzelne Textpassagen zu ändern, sei ebenfalls stark reguliert und nur bei Sachverhalten möglich, die das Baugesetzbuch ausdrücklich erlaubt. „Baurecht ist sehr schwierig“, sagte sie zu den Mitgliedern des Stadtrats. „Aber es muss eingehalten werden, weil wir sonst vor jedem Gericht scheitern können und jeder Widerspruchsführer Recht bekäme.“
Die Stadtverwaltung habe bereits damit begonnen, die Bebauungspläne in der Altstadt zu überprüfen und zu schauen, inwiefern sie für die Bewohner und ansässigen Gewerbebetreiber verbessert werden könnten. Auf Basis dieser Erkenntnisse soll dann ein städtebauliches Konzept entwickelt werden, gefolgt von einer Bürgerbeteiligung. „Wir gucken uns das alles an“, verspricht Grosse. „Aber es wird Zeit brauchen.“