Der Motor stammt von einem Opel Kadett aus dem 1970ern, der Gastank aus dem Schrott einer Maschinenbauwerkstatt: Die „Lotte“ im Mainzer Volkspark ist ein richtiger Oldtimer. Seit 60 Jahren dreht die ehemalige Bergwerks-Lore immer in den warmen Monaten unermüdlich ihre Runden, Tausende Kinder hat sie bereits transportiert.
Seit 34 Jahren fährt Aldo Zanardelli die kleine Eisenbahn. Sobald es warm ist und genug Betrieb im Volkspark herrscht, hört man ihn am frühen Nachmittag in der Werkstatt hantieren. Hier macht er die Bahn flott für den Tag. Zu tun gibt es immer genug, denn Lok sowie Waggons sind Originale aus dem Jahr 1965. „Ersatzteile sind immer schwerer zu beschaffen“, sagt Zanardelli bei einem Treffen gegenüber Merkurist.
Regelmäßige Reparaturen nötig
Vor einigen Jahren wurde die zwei Tonnen schwere Lok grundlegend repariert. Dazu haben er und sein Helfer Erich sie in eine Maschinenbauwerkstatt nach Hechtsheim gebracht, die ihre Geräte dazu zur Verfügung stellten. „Dort haben wir sie komplett auseinandergenommen, gereinigt und repariert, und dann wieder zusammengebaut“, so Erich. Wer einen Opel Kadett besitzt, Baujahr 1975-79, solle sich gerne melden. „Wir brauchen einen Ersatzmotor.“
Regelmäßig müssen die Stahlräder abgeschliffen werden, „abgedeckt“, so sagt es Zanardelli. Denn diese sind viel breiter als die dünnen Gleise, über die sie fahren. Dadurch bilden sich mit der Zeit Rillen im Stahl. 1000 Euro koste das pro Wagen. Ohne den Einsatz von einigen Helfern, die an der alten Eisenbahn regelmäßig Hand anlegen und Dinge verbauen, die andere auf dem Schrott entsorgen, würde die Bahn wahrscheinlich gar nicht mehr fahren. So hat Erich etwa vor einigen Jahren zwei Katalysatoren eingebaut. Bald steht die TÜV-Prüfung an. „Das kostet dann noch einmal 400 Euro“, so Zanardelli.
Viele schwelgen in Erinnerung
Trotz der oft schwierigen Voraussetzungen mag er es, mit der Lotte durch den Park zu fahren. Die Kinder freuen sich, viele Erwachsene schwelgen in Erinnerungen. „Einige erzählen mir, dass sie schon als kleines Kind hier mitgefahren sind und können es gar nicht glauben, dass es die Bahn noch immer gibt.“ Ein Mann aus Spanien sei im vergangenen Jahr auf ihn zugegangen. Er war als Kind im Urlaub hier und da schon Runden gefahren. Nun besuchte er den Volkspark mit seinen eigenen Kindern.
Ihren Namen „Lotte“ besitzt die Bahn übrigens nicht von Anfang an. Ein Mädchen hatte vor etwa 30 Jahren das Wort an die Lok geschrieben, so erzählt es Zanardelli. „Seitdem wird die Bahn von den Mainzern ‘Lotte’ genannt.“
Preiserhöhung nach 15 Jahren
Im vergangenen Jahr musste Zanardelli erstmals nach 15 Jahren den Preis für eine Fahrt erhöhen: von 1,50 auf 2 Euro (wir berichteten). Denn die Kosten, die hinter dem Betrieb der Bahn steckten, für Material und die häufigen Reparaturen, würden immer mehr, sagte er damals im Merkurist-Gespräch. Auch die Schienen müssten permanent freigehalten werden. „Wenn es stark regnet, läuft Erde und Sand auf die Gleise, das muss ich anschließend wieder rausschaufeln.“ Weil immer wieder Leute während der Fahrt in die Waggons gesprungen seien, hat er nun Stangen aus Edelstahl zur Absicherung an jedem Wagen angebracht.
Zanardelli wünsche sich mehr Unterstützung von der Stadt, sagte er schon im vergangenen Jahr. „Bänke und eine Überdachung für den Bahnhof, Strom und Wasser am Lokschuppen.“ Bisher sei ihm zwar viel versprochen, nachträglich jedoch sei alles abgelehnt worden.
70 Jahre alt ist Zanardelli inzwischen. Er fährt unter der Woche täglich, nur am Wochenende übernimmt ein anderer Fahrer. Er wolle so lange weitermachen, wie es ihm gesundheitlich möglich ist, erklärt er, ohne lange nachzudenken, „für die Kinder“. Ob es eine Feier geben wird anlässlich des 60. Geburtstags? „Vielleicht“, sagt Erich, als Zanardelli auf die Frage hin lächelnd schweigt, „machen wir ja etwas Anfang Mai, wenn auch Aldo selbst Geburtstag hat.“
Die Eisenbahn im Mainzer Volkspark fährt von Frühjahr bis Herbst bei trockenem Wetter täglich ab etwa 15 Uhr, samstags ab 12 Uhr, sonntags ab 11 Uhr.
