Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz (RHG) hat deutliche Kritik an den Mainzer Stadtwerken geübt. In einem Brief* an Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) zweifelt der RHG „an dem Willen des Vorstands, sich mit den Feststellungen des Rechnungshofes vollumfänglich auseinander zu setzen“. Im Fokus der Kritik steht dabei das Geschäftsgebaren der Mainzer Stadtwerke (MSW). „Mainzund“ berichtete zuerst.
Stadtwerke weisen Vorwurf zurück
Der RHG hatte vor mehr als vier Jahren damit begonnen, die Haushalts- und Wirtschaftsführung der MSW sowie der dazugehörigen Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) zu prüfen. Dabei hatte er einige Positionen angemahnt, in der Folge aber offenbar keine zufriedenstellenden Antworten erhalten. Die Stadtwerke können diese Kritik jedoch nicht nachvollziehen. In einer Stellungnahme des Vorstands zum Schreiben des RHG an Haase vom 31. März 2024 heißt es, dass sich dem Vorstand die Kritik des RHG nicht erschließe und diese der Sache auch nicht gerecht werde.
Auf Anfrage von Merkurist erklärt hierzu Jens Grützner von der Unternehmenskommunikation der Stadtwerke, dass der Rechnungshof 2019 mit der Prüfung begonnen, 2022 dann das Ergebnis vorgelegt habe. „Der Bericht enthielt viele Punkte, die die Vergangenheit betrafen, es fanden sich aber auch Anregungen, die wir mittlerweile umgesetzt haben und es bleiben Dinge, wo bis zum heutigen Tag Dissens mit dem Rechnungshof besteht und bestehen bleiben wird.“ Die MSW hätten seit 2019 einen hohen Aufwand betrieben, die Fragen des Rechnungshofes zu beantworten. „Dass der Rechnungshof jetzt dem Vorstand vorwirft, die Hinweise des Rechnungshofes nicht ernst zu nehmen, weisen wir auf das Entschiedenste von uns.“
Darum geht es
Konkret geht es dabei unter anderem um die „Konzernaufgaben“ der Stadtwerke. Hier rügt der RHG, dass der wiederholt angekündigte Nachweis, Wirtschaftspläne, einschließlich der Finanz- und Vermögenspläne aufzustellen, unverändert ausstehe. Mit einem Schreiben vom 25. Mai 2023 sei nun eine Umsetzung für das Jahr 2024 in Aussicht gestellt worden. Doch dies gelte es nun sicherzustellen und vor allem Aufsichtsrat und städtischer Beteiligungsverwaltung vorzulegen, so der RHG.
MSW-Sprecher Grützner erklärt dazu, dass jeweils in der abschließenden Aufsichtsratssitzung eines Jahres dem Aufsichtsrat die Planung für die nächsten fünf Jahre vorgestellt werde. Diese werde dann in der Sitzung beschlossen. Dort seien detaillierte Angaben, beispielsweise zu geplanten Investitionen, aufgeführt. „Diese vom Aufsichtsrat genehmigte Planung ist dann auch Grundlage, um mit finanzierenden Banken in Vertragsverhandlungen über Kredite zu gehen.“
Wie „Mainzund“ berichtet, gehe jedoch aus dem Prüfbericht des RHG hervor, dass seit 2020 „mittelfristige Wirtschaftsplanungen“ bei der MVG fehlten. Und das obwohl die MVG die Sparte sei, die ohnehin das höchste Defizit aufweist. Dennoch habe man in Mainz den Ausbau des Straßenbahnnetzes vorangetrieben. Gleichzeitig sei die Nettoverschuldung im Zeitraum von 2014 bis 2019 um etwa 114 Millionen Euro auf 553 Millionen Euro gestiegen.
Doch wie stand es nun um die Finanzen bei den Stadtwerken? Im März 2024 jedenfalls präsentierten die Stadtwerke-Vorstände Daniel Gahr und Dr. Tobias Brosze dem Aufsichtsrat eine überarbeitete Mittelfristplanung für den Konzern. Demnach rechnet die Unternehmensgruppe in den kommenden fünf Jahren mit jeweils leicht positiven Jahresergebnissen zwischen vier bis zehn Millionen Euro. Ursprünglich sei ein Minus von insgesamt mehr als 63 Millionen Euro für die Jahre 2026 bis 2028 befürchtet worden. Dies werde aber nun unter anderem durch Einsparungen beim Tochterunternehmen MVG verhindert.
Erstes „Opfer“ der Maßnahmen: Der Rufbus-Service „Mainz Rider“ wird ab Sommer eingestellt (wir berichteten). Zudem sollen die beiden Straßenbahnprojekte Innenstadt und Heiligkreuzviertel zwar „zügig bis zum Planfeststellungsbeschluss vorangetrieben“ werden. Ein automatischer Baustart könne bei den aktuellen Finanzen aber heute nicht zugesagt werden, hieß es zuletzt von Seiten des Vorstands.
Wichtige Kennzahlen vorenthalten?
Der RHG bemängelte nun aber, dass die Stadtwerke mit den Kennzahlen zum Nettoverschuldungsgrad arbeiteten, aber gerade eben diese nicht den Gremien vorstellen würden. Doch gerade diese Zahlen würden einen „objektiven Vergleich und eine Bewertung der Entwicklung insbesondere betreffend operativer Profitabilität und Verschuldung“ ermöglichen. Auf Anfrage erklärt MSW-Sprecher Grützner, dass man den Vorwurf von sich weise, nicht transparent über die Verschuldung des Unternehmens und seiner Sparten zu informieren. Man habe in einer Stellungnahme vom 4. November 2021 lediglich ausgeführt, dass alleine die Betrachtung des Nettoverschuldungsgrades nicht ausreiche. „Bei dieser Kennzahl muss beachtet werden, dass eine Besonderheit der Unternehmensgruppe Mainzer Stadtwerke darin besteht, hohe Investitionen im Verkehrsbereich zu tätigen, für die eine externe Finanzierung abgeschlossen wird.“
Diese Investitionen würden von vorneherein nicht mit einer Gewinnerzielungsabsicht getätigt, da der ÖPNV in Deutschland nicht gewinnbringend betrieben werden könne, so Grützner. Hierbei erfüllten die Stadtwerke in Deutschland einen Versorgungsauftrag, der von den gewinnträchtigen Sparten subventioniert wird. Insgesamt seien die MSW eine wirtschaftlich stabile und „auf mehreren Füßen stehenden Unternehmensgruppe, die sich für die Herausforderungen der kommenden Jahre gewappnet sieht“. So habe man im Geschäftsjahr 2022 im Teilkonzern ein Rekordergebnis von 82,49 Millionen Euro erzielen können. Auch für das Geschäftsjahr 2023 erwarte man ein gutes Ergebnis.
Freie Wähler: Stadt zahlt für Defizit
Kritik an Stadt und MSW kommt derweil von den Freien Wählern (FW). Diese fordern die Stadt nun als Eigentümer der Stadtwerke nach der Rüge des RGH auf, die Ursachen der negativen wirtschaftlichen Situation der Stadtwerke aufzudecken. Zudem heißt es in einem Pressestatement der Partei, dass eine die Anfrage von FW-Stadtrat Erwin Stufler ans Licht gebracht habe, dass die Mainzer Stadtwerke bereits 2022 einen Gewinneinbruch von 40 Prozent zu verzeichnen hätten. Dieser sei dann durch eine Geldüberweisung aus der Stadtkasse kompensiert worden. Notwendige Korrekturmaßnahmen, um der Ergebniskrise entgegenzuwirken, seien dann aber unterblieben.
Unabhängig davon soll das Thema nun noch einmal an diesem Mittwochnachmittag (15. Mai) in der Stadtratssitzung aufgerollt werden.
*der Brief ist auf den 21. Dezember 2023 datiert und öffentlich einsehbar.