Die Filme des Mainzer Regisseurs Uwe Boll gehören seit Jahren zu den umstrittensten der Welt. Schonungslose Gewalt durchzieht fast alle seine Filme, egal ob Trash-Horror, Action, Drama oder Komödie. „Die Realität ist hart und blutig“, sagte Boll bereits 2023 gegenüber Merkurist. Seine Fans lieben ihn dafür, bei vielen Filmkritikern ist das Gegenteil der Fall.
Nach zahlreichen kontroversen Projekten scheint ein Film nun aber einstimmige Meinungen hervorzurufen: „First Shift“, ein Polizeithriller über zwei grundverschiedene Cops aus New York, die gemeinsam einen actionreichen Arbeitstag bewältigen müssen. Wochenlang hielt sich der Film in den Top 10 beim US-amerikanischen Streaming-Anbieter Paramount+ und auch viele Kritiken kommen zu einem positiven Urteil. Mit Merkurist hat Uwe Boll über seinen USA-Erfolg gesprochen und verrät, was er als nächstes vorhat.
Merkurist: Herr Boll, mit Ihrem Film „First Shift“ haben Sie jetzt in den USA einen ziemlichen Erfolg gefeiert.
Uwe Boll: Rund zwei Monate in den Top 10 bei Paramount+!
Hätten Sie damit gerechnet?
Das war eine absolute Überraschung, ich bin auch sehr positiv beflügelt. Ich habe das schon oft erlebt, dass meine Filme irgendwo gelaufen sind, dann ein, zwei Wochen ganz gut platziert waren und dann im Niemandsland verschwunden sind. „First Shift“ hat sich überraschend stärker gehalten.
Hat Paramount+ sich dazu auch schon geäußert?
Nicht direkt. Aber die vom Filmvertrieb sind natürlich sehr happy. Ich habe denen jetzt auch gesagt, dass wir einen zweiten oder dritten Teil drehen wollen – oder eine Serie draus machen.
Eine Serie, wie soll das dann aussehen?
Das Grundkonzept bleibt: Zwei Cops, die nicht so gut miteinander auskommen, müssen in der Frühschicht zusammenarbeiten. Die Idee für die Serie ist aber nicht so wie beim Tatort oder anderen Krimis, mit einem Fall pro Folge. Sondern: Die wissen ja nicht, was passiert. Das heißt, man arbeitet zusammen, es kommt der Funkspruch: Jetzt dahin. Und natürlich gibt es dann auch mal einen Mord, wo die Ermittlung losgeht. Aber der wird eben an dem Tag bestimmt nicht gelöst. Und es gibt viele verschiedene Arten von Einsätzen. Im Film zum Beispiel müssen sie sich nicht nur mit der Mafia herumschlagen, sondern auch einen Hund retten. Ich glaube, das kommt ganz gut an, weil es abwechslungsreich ist.
Im krassen Gegensatz zu Ihrem Erfolg in den USA steht ja die Rezeption in Deutschland: Hier wurde „First Shift“ lange Zeit noch gar nicht verkauft oder gestreamt. Wird sich das jetzt ändern?
Ja, zum Glück! Aufgrund des Erfolges waren wir jetzt in der Lage, den Film endlich in Deutschland zu verkaufen, an die Firma Plaion. Die vertreiben zum Beispiel auch die Filme von Disney, also die sind schon groß. Vorher wollte das hier keiner, das verstehe ich gar nicht. Im Fernsehen werden doch andauernd Polizeifilme geguckt. Aber jetzt auf einmal haben wir das nicht nur in Deutschland verkauft gekriegt, sondern auch in England und Italien. Von daher hat das wirklich was ausgelöst, dass wir diese Erfolgsmeldung aus den USA hatten.
Steht schon ein Erscheinungstermin in Deutschland fest?
Noch nicht, aber theoretisch kann es direkt losgehen. Wir haben nämlich schon eigenständig eine deutsche Synchro zu dem Film gemacht, bevor die Filmrechte verkauft waren. Damit haben wir eine Sneak-Preview-Tour durch Deutschland organisiert. Meinem Produktionspartner Michael Rösch von Kinostar gehören ein paar Kinos und der hat natürlich gute Verbindungen. Wir waren auch in meinem Heimatort Burscheid – noch nie war man mir da so wohlgesonnen wie bei diesem Film (lacht). In Mainz hat es aber leider keiner gespielt.
Wird es jetzt nochmal einen offiziellen Kinostart in Deutschland geben? Oder soll es hier auch eher in Richtung Streaming gehen?
Der Film wird eher über Streaming und DVD/Blu-ray laufen. Aber aufgrund des Erfolgs sind auch die normalen TV-Programme wie RTL und so interessiert. Ich habe auch eine Idee, an der ein Sender und ein Streamer schon Interesse haben: Ich will sowas wie „First Shift“ auch in Deutschland als Serie haben.
Sie glauben also, das „First Shift“-Konzept würde auch in Deutschland funktionieren?
In Deutschland sind wir ein bisschen festgefahren mit diesen Krimiserien. Wir haben hier Serien, die laufen seit 30 Jahren. Warum nicht mal was Neues probieren? Das müsste man natürlich eher in einer Großstadt machen, also Frankfurt, Hamburg, Köln oder so. Aber ich denke, da gäbe es eine gute Chance. Ich hätte Spaß dran, mal wieder in Deutschland was zu drehen. Ich muss immer um die ganze Welt fliegen, um irgendwelche Filme zu drehen. Alle denken immer, das ist so toll. Aber andererseits ist man dann auch lange weg von zu Hause.
Frankfurt als Drehort wäre dann natürlich praktisch.
Ja, da könnte ich jeden Morgen hinfahren (lacht). Aber zum Beispiel Wiesbaden oder Mainz, das ist zu klein. Es muss auch genug Tatorte geben, teilweise mit organisierter Kriminalität. Pro Folge hat man ungefähr drei Tatorte, die vielleicht aber auch erst in Folge drei oder vier wirklich gelöst werden. Dann hat man eben auch einen Grund, die nächste Folge zu gucken.
Haben Sie schon eine Traumbesetzung im Kopf?
Man sollte auch mal jüngere Schauspieler ranlassen. Ich finde Max Riemelt super, der könnte sowas auch. Der kann eigentlich alles. Man kann jetzt nicht Elyas M'Barek nehmen und sowas wie „Fack ju Göhte“ draufsetzen. Es muss schon auch ein ernster Krimi werden, wenn es drauf ankommt. Es muss jemand sein, dem man das dann auch noch abnimmt. Und Karoline Herfurth wäre gut, denn die hat Humor, die kann aber auch ernst. Der traue ich es absolut zu, dass sie sowas auch gerne mal machen würde.
War „First Shift“ jetzt eigentlich Ihr größter Erfolg? Oder gab es einen anderen Film, der das übertroffen hat?
Man muss da zwei Sachen trennen, glaube ich. Das eine ist der finanzielle Erfolg, da war sicherlich „House of the Dead“ mein größter Erfolg – für den habe ich aber auch die schlechtesten Kritiken gekriegt (lacht). Damals flossen über die DVDs und Blu-rays noch ganz andere Summen zurück als jetzt durch die Streamer. Von daher wird sich das sicherlich nicht wiederholen. Vom Zufriedenheitsgrad waren es eher andere Filme wie „Rampage“. Damit war ich persönlich total happy, obwohl der viel billiger war in der Herstellung. Mit „First Shift“ bin ich jetzt auch sehr zufrieden, obwohl der Dreh sehr schwierig war.
Inwiefern?
Einmal hatten wir großes Pech, da ist uns eine 6000-Euro-Drohne gegen die Williamsburg-Brücke gekracht und in den Hudson River gefallen. Drohne weg, Filmmaterial auch weg. Zum anderen ist es in New York grundsätzlich schwer zu drehen. Weil es eine Art Roadmovie ist, waren wir oft in drei, vier Vans unterwegs. Dabei ist ständig die Kommunikation abgebrochen. Das ist sehr schwer, wenn man nicht mit so viel Geld arbeitet und nicht einfach ganze Straßenzüge sperren lassen kann. Dann gibt es noch viel Verkehr, man kommt nicht von A nach B. Auch die Größe ist brutal. Da ist man eine Stunde im Auto denkt: Was passiert hier? Dann merkt man auch erstmal, wie groß Manhattan eigentlich ist. Nicht nur dreimal die Frankfurter Innenstadt, sondern eher so 50 Mal. Aber einen Vorteil hat diese Größe auch: In New York interessieren sich die Leute überhaupt nicht für Filmkameras. Keiner guckt in die Kamera, keiner stört einen und die gehen einfach einen Bürgersteig weiter, weil da so viel passiert. Wenn ich mich jetzt in Mainz mit Schauspielern in die Innenstadt stelle und den Hintergrund filme, dann kommt nach 30 Sekunden einer an und will mit ins Bild.
Also hat sich der Aufwand Ihrer Meinung nach gelohnt?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, es ist einer der Erfolgspunkte von First Shift, dass wir so viel von New York zeigen. Wir verkaufen die Stadt sehr gut.
Das scheint ja nicht nur beim Publikum gut angekommen zu sein, sondern ausnahmsweise auch bei den Kritikern. Hat Sie das überrascht?
Ich freue mich natürlich, vor allem, weil die letzten Kritiken so schlecht waren. Ich meine, als ich in Deutschland den Hanau-Film gedreht habe, bin ich total zusammengefaltet worden. Da ist es jetzt noch schöner, so viel positives Feedback zu kriegen. „First Shift“ ist aber auch ein etwas leichterer Boll-Film, nicht ganz so schwere Kost.
Sie haben aktuell auch noch einen weiteren Film in der Pipeline, der bald erscheinen soll: „Run“. Ist der auch „Uwe Boll light“ oder wird der etwas härter?
Der ist schon etwas heftiger, aber gleichzeitig auch hoffnungsvoll. Es geht in dem Film um Flucht und Migration. Die Message ist aber nicht für oder gegen Migration. Sondern der Film zeigt einfach einen Tag wie in Lampedusa, wo die Boote ankommen: Die Situation ist chaotisch, alles kommt außer Kontrolle. Und er zeigt eben, dass es für alle Beteiligten am Schluss scheiße ist. Also diese ganzen Küstenorte, die überspült werden mit Migranten. Gleichzeitig haben sich die Migranten ganz andere Sachen vorgestellt, die Schleuser haben denen wer weiß was versprochen. Und dann sitzen sie in so einem Auffanglager.
Wenn es für alle so schlimm ist, wo ist da die Hoffnung?
Ich glaube, ich zeige ich in dem Film sehr gut, dass eine Lösung gefunden werden muss, die für alle Beteiligten funktioniert. Natürlich muss man Migration begrenzen. Man kann nicht Tausende von Booten jeden Tag aufnehmen. Aber man muss auch eine Strategie haben, wie es die Menschen leichter haben, sich für einen Aufenthalt zu bewerben, ohne Hunderte von Kilometern zu Fuß laufen zu müssen oder von Schleusern abhängig zu sein. Warum geht das nicht einfach online? Ich glaube, niemand hat wirklich was gegen Migranten, die sich integrieren und arbeiten. Aber hier haben wir das System, dass die Flüchtlinge gar nicht arbeiten dürfen. Und einige Leute, die arbeiten und sich integriert haben, werden dann abgeschoben. Das ist ja vollkommen idiotisch, anders kann man es nicht sagen. Diese Situation sollte man ändern, da muss man zur Not Gesetze erlassen, mit denen man schneller agieren kann.
Ist für den Film schon ein Veröffentlichungsdatum geplant?
Wir haben den angemeldet für die Berlinale und hoffen, dass wir da die Weltpremiere spielen dürfen. Es sind ja auch super Schauspieler in dem Film: Amanda Plummer ist dabei und auch Bharkat Abdi, der hatte Oscar- und Golden-Globe-Nominierungen und hat einen BAFTA gewonnen. Der Film sollte überall gesehen werden und müsste auch im Kino größere Chancen haben als „First Shift“, weil er was ganz anderes ist. Also wir wollen auf jeden Fall eine große Premiere machen – ob Berlinale oder nicht.
Vielen Dank für das Gespräch!