Mainz 05: Markenbildung statt Vereinsidentität

Immer mehr Trikots, die später als nicht recycelbarer Sondermüll enden, immer weniger Raum in Social Media für ehrenamtliche Aktionen der Mitglieder, die Frauen- oder Jugendmannschaften. Gastautor Christoph Kessel über die Markenbildung bei Mainz 05.

Mainz 05: Markenbildung statt Vereinsidentität

Im Interview mit den Zeitungen der VRM-Gruppe kurz vor Ostern erklärte Mainz-05-Marketing- und Vertrieb-Vorstand Jochen Röttgermann die Strategie, die der Club mit Trikotverkäufen verfolgt. Statt primär ums Geldverdienen geht es vielmehr um Markenbildung. Lagen vor Röttgermanns Antritt im Sommer 2023 die Trikotverkäufe bei rund 8000 Stück pro Saison, haben sie sich in der aktuellen Spielzeit auf 25.000 Stück verdreifacht. Erstmals werden in dieser Saison mit dem Merchandise überhaupt schwarze Zahlen geschrieben.

Bisher war das Auflegen von drei normalen Trikots plus Sondertrikot(s) laut Röttgermann defizitär, wenn man den Aufwand zur Vermarktung der verschiedenen Kollektionen einrechnet. Damit ist Mainz 05 nicht allein, laut Röttgermann arbeiten viele Merchandising-Abteilungen im Fußball defizitär.

Großer Aufwand für minimalen Gewinn

Die Trikotproduktion ist energieintensiv und findet meist in Südasien statt. Durch die verwendeten Kunstfasern entsteht Mikroplastik, das beim Waschen ins Abwasser gelangt, während das Trikot selbst als nicht recycelbarer Sondermüll endet – oft auf wilden Deponien in Südasien. Kurz gesagt, die Produktion ist nicht nachhaltig, wie Merkurist bereits letztes Jahr berichtete. Es werden durch zusätzliche Kollektionen nicht unbedingt notwendige Ressourcen in Anspruch genommen, um mit einem immensen Aufwand im besten Fall einen minimalen Gewinn einzufahren. Dieses Vorgehen der Bundesliga-Clubs, die in der DFL organisiert sind, ist mit dem DFL-Bekenntnis zur Nachhaltigkeit nicht in Einklang zu bringen.

Ein Blick in die sozialen Netzwerke zeigt, dass bei Mainz 05 für die Trikots permanent geworben wird. Das ist ein Teil des von Röttgermann angesprochenen enormen Aufwands. Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass andere Mainz-05-Themen ins Hintertreffen geraten. Die Berichterstattung über Nachwuchsteams, den Frauenfußball oder über die Fan-, Handball- und Tischtennisabteilung findet im Netz kaum noch statt. Schließlich sind die Kapazitäten auch im Internet limitiert: Durch die begrenzten Ressourcen im Social-Media-Team des Vereins und die endliche Empfangsbereitschaft derjenigen, die die 05-Kanäle abonniert haben.

Arena-Cleanup geht auf Social Media unter

Mainz 05 ist ein mitgliedergeführter Verein. Auch über manche Aktion im gerade beendeten Mitgliedermonat wurde in den sozialen Netzwerken bisher nicht berichtet. So haben Mitglieder nach dem Heimspiel der Männer-Profi-Mannschaft gegen Kiel auch in diesem Jahr wieder einen Cleanup an der Arena durchgeführt. Unterstützt wurden sie von den Stars Paul Nebel, Andreas Hanche-Olsen und Jae-sung Lee. Wurde in den Jahren zuvor darüber noch auf mehreren Kanälen gepostet, sucht man hierzu dieses Jahr vergeblich nach einem entsprechenden Post. Dabei zog diese Aktion so viele Mitglieder an wie nie zuvor. Die Vereinsidentität bleibt durch die fehlende Berichterstattung in den sozialen Netzwerken auf der Strecke. Es hat auch den Anschein, dass den Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung kein großer Stellenwert mehr eingeräumt wird, wenn der Markenbildung alles andere untergeordnet wird.

Über den Autor

Christoph Kessel ist in Mainz geboren und betreibt den Reise- und Fußball-Blog „Meenzer on Tour“ seit 2009. Der passionierte Mainz 05-Fan hat 2022 sein viertes Buch „Nachhaltigkeit würde der Liga guttun“ veröffentlicht.