Schon wieder Ärger in einem Bretzenheimer Mehrfamilienhaus: Vergangenen Winter saßen Bewohner und die Kinder einer dort ansässigen Krippe wegen eines mutmaßlichen Familienstreits des Vermieters tagelang im Kalten (wir berichteten), nun wurde der Aufzug vorübergehend vom TÜV stillgelegt – nachdem er offenbar mit Wissen des Vermieters zehn Monate lang ohne funktionierenden Notruf in Betrieb war. Vor allem für eine Bewohnerin hatte das Konsequenzen: Weil sie im Rollstuhl sitzt, konnte Claudia Merk für eine Woche nicht ihre Wohnung verlassen.
Familienstreitereien sorgen für Ärger
Seit Dezember 2024 habe Merk den Aufzug in ihrem Wohnhaus nur noch mit Bauchschmerzen nutzen können: Zu dieser Zeit habe der Vermieter darin den Hinweis „Notruf ohne Funktion – Benutzung der Aufzugsanlage auf eigene Gefahr“ aufgehängt. Diesen hatte Merkurist bereits im Januar 2025 fotografiert, als die Bewohner mit dem plötzlichen Ausbau ihrer Heizungsanlage überrascht wurden – ihnen zufolge das Resultat eines monatelangen Streits des Vermieters mit seinem Sohn, der hätte vermieden werden können.
Auch beim einwöchigen Ausfall des Aufzugs sehe Merk die Schuld klar beim Vermieter. Mitarbeiter der Aufzug-Firma Schindler hätten ihn demnach im Dezember 2024 darauf hingewiesen, dass sowohl der Notruf als auch der Akku, der bei einem Stromausfall eine automatische Notevakuierung einleitet, defekt seien. Statt eine Reparatur in Auftrag zu geben, habe der Vermieter dann jedoch nur den Hinweiszettel im Aufzug aufgehängt.
Die Schuld für die ausbleibende Reparatur soll der Vermieter – wie auch schon beim Heizungsvorfall – auf seinen Sohn geschoben haben. „Zu uns hat er immer gesagt, er kann nichts dafür. Schuld wäre der Sohn, der hätte irgendeinen Raum zugeschlossen“, so Merk. „Aber das ist absoluter Blödsinn gewesen, wie wir dann mitgekriegt haben.“
Von Aufzug-Angst zu Wohnungsarrest
Seit elf Jahren wohnen Claudia Merk und ihr Mann Roland in dem Mehrfamilienhaus in Mainz-Bretzenheim. Unter anderem wegen des Aufzugs seien sie überhaupt erst dorthin gezogen – denn Claudia hat Multiple Sklerose (MS). Immer schwerer sei ihr das Laufen gefallen, seit einigen Jahren ist sie nun auf einen Rollstuhl angewiesen. Auch für Roland, der nach 27 Jahren Arbeit beim Real-Markt im Gutenberg-Center schließlich wegen Kniebeschwerden früher in Rente gehen musste, sei der Aufzug eine große Erleichterung gewesen.
Ohne Notruf, ohne Notfall-Akku und den Merks zufolge auch ohne Handyempfang seien die Fahrten im Aufzug jedoch monatelang ein Risiko gewesen. „Ich hatte ja immer schon ein bisschen Angst, damit zu fahren“, sagt Claudia. „Denn wenn er steckengeblieben wäre, dann hätte ich nichts machen können.“
Aufzug vom TÜV stillgelegt
Dann die Wendung: Am 10. Oktober 2025 wurde der Aufzug wegen der Mängel vom TÜV stillgelegt. Darüber informiert wurden offenbar weder die Merks noch die anderen Hausbewohner – obwohl der Vermieter gewusst habe, dass Claudia Merk im Rollstuhl sitzt und auf den Aufzug angewiesen ist. Eine Woche lang habe sie die Wohnung nicht verlassen können, bis der Notruf endlich repariert und der Aufzug wieder vom TÜV freigegeben worden sei.
„Das hätten wir eigentlich schon vor einem Jahr haben können“, sagt Roland Merk. „Warum hat er es nicht gleich gemacht?“ Doch auch hier habe der Vermieter jede Schuld von sich gewiesen. „Das wäre die Schuld von der Firma Schindler“, gibt Roland wieder, der den Vermieter zu Beginn des Aufzugausfalls zusammen mit einer Nachbarin angerufen habe. „Die hätte ihm jetzt erst Bescheid gegeben, dass auch der Notfall-Akku kaputt war.“
Das sagt Schindler
Auf Merkurist-Anfrage bekräftigt Schindler-Pressesprecher Jan Steeger hingegen, dass bereits in vergangenen TÜV-Prüfungen festgestellt worden sei, dass der Notruf der Anlage mangelhaft sei. „Daraufhin hat der TÜV dem Betreiber Frist zur Mangelbeseitigung gegeben“, so Steeger. „In dieser Zeit lief der Aufzug mit gültiger TÜV-Zulassung weiter.“ Wann genau diese vergangenen TÜV-Prüfungen stattfanden, könne das Unternehmen nicht konkret sagen.
„Nach Aussagen unseres Kollegen vor Ort war der Mangel in den vergangenen TÜV-Prüfungen mehrfach Thema, und dann gab es auch immer wieder Zeiten, in denen der Notruf mangelfrei lief.“ Was Schindler allerdings bestätigt: Den Auftrag für die Reparatur des Notrufs habe die Firma erst im Oktober 2025 erhalten. „Seit dem 17. Oktober 2025 ist von uns ein modernes Notrufgerät verbaut und anschließend vom TÜV abgenommen worden.“
Der TÜV hat sich auf Merkurist-Anfrage hin bisher noch nicht zu dem Fall geäußert (Stand 4. November).
Mieter schalten Anwalt ein
Der Heizungsausbau im Winter, der monatelang defekte Aufzug, bei dem schließlich der TÜV einschritt: Das seien lange nicht alle Probleme im Haus. Schon öfter sei beispielsweise unangekündigt das Wasser abgestellt worden, mehrere Treppenstufen seien locker. Eine Treppenhausreinigung oder einen Hausmeister gebe es lediglich auf der Nebenkostenabrechnung. Tatsächlich gemacht werde in diesen Bereichen aber nichts – obwohl schon mehrere Bewohner ihre Hilfe angeboten hätten.
„Man kann doch eigentlich froh sein, wenn man heutzutage noch anständige Mieter hat“, findet Roland Merk. Auch er selbst habe sich in der Vergangenheit als Hausmeister angeboten und zeitweise den Winterdienst übernommen. „Wir durften dafür dann in den Wintermonaten 30 Euro weniger Miete bezahlen, wenn es geschneit hat“, erklärt er. „Aber dann hat er uns in den Nebenkosten auf einmal den Winterdienst berechnet, den ich selbst gemacht habe.“
Um die jüngste Nebenkostenabrechnung überprüfen zu lassen, hätten die Merks sogar einen Anwalt eingeschaltet. „Wir haben ja zum Glück eine Rechtsschutzversicherung“, erklärt Claudia Merk. Das Ergebnis: Nachdem der Vermieter weder auf das erste Schreiben des Anwalts noch auf einen Mahnbescheid und den anschließenden Vollstreckungsbescheid reagiert habe, sei schließlich sein Konto gepfändet worden. 2000 Euro hätten die Merks so zurückerhalten. Auch wegen des Aufzugausfalls hätten sie nun wieder einen Anwalt eingeschaltet. „Das ist doch eine Frechheit, was er seinen Mietern zumutet.“
„Es wohnt keiner mehr gern hier“
Wegen der wiederkehrenden Probleme wollen die Merks eigentlich schon längst nicht mehr in dem Haus wohnen. „Wir wollen unbedingt hier raus“, sagt Claudia Merk. „Wir suchen, suchen, suchen – aber wir kriegen keine Wohnung. Wir werden langsam verrückt.“ Das Problem: Die neue Wohnung der Merks soll nicht nur bezahlbar sein, sondern auch barrierefrei und groß genug, dass Claudia darin mit ihrem Rollstuhl rangieren kann. Das ist gerade offenbar nicht so leicht zu finden. „Jeden Tag bin ich im Internet und suche“, erzählt Roland.
Auch bei offiziellen Stellen bekämen sie keine Hilfe – zumindest nicht sofort. Sowohl bei Anlagen für betreutes Wohnen in Mainz als auch bei der Wohnbau stünden sie momentan noch auf der Warteliste. Bei der Wohnbau umfasst diese Warteliste aktuell 10.200 Mietgesuche, wie Pressesprecherin Lou-Tizia Reimann auf Merkurist-Anfrage mitteilt. Menschen mit Behinderung könnten zwar bei der Vergabe von rollstuhlgerechten Wohnungen bevorzugt werden – extra für solche Fälle freigehalten würden die Wohnungen aber nicht.
Lange Wartelisten für barrierefreie Wohnungen
„Wohnungen, die aufgrund von Förderbedingungen nur an bestimmte Personengruppen vermietet werden dürfen, werden selbstverständlich nur unter den jeweiligen Förderbedingungen vermietet“, so Reimann. „Insbesondere bei neuen Gebäuden, welche vollständig barrierearm oder barrierefrei sind, werden Wohnungen auch an Interessenten ohne besonderen Bedarf vermietet.“
Für die Merks seien die lange Suche und die Situation in ihrem jetzigen Haus eine große Belastung. „Wir sind mit den Nerven am Ende“, sagt Roland. Insbesondere Vorfälle wie der Heizungsausfall im vergangenen Winter hätten sich auch auf Claudias Gesundheitszustand ausgewirkt. „Für die MS war das so schlimm“, sagt sie. Aktuell bleibe ihnen jedoch keine andere Wahl, als dort zu bleiben. „Das ist ein Irrenhaus“, findet Roland Merk. „Es wohnt keiner mehr gern hier.“