Zwei schwere Luftangriffe hatte Mainz bis 1945 schon erlebt. Vieles war bereits zerstört: Bahngleise, Industrie, Wohngebiete. Als niemand mehr damit rechnete, am 27. Februar 1945, nur wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs, heulte um 16:30 Uhr plötzlich der Voralarm. Das bedeutete: Flieger hatten die französische Grenze überquert, waren auf Anflug in Richtung Mainz.
Doch die Warnung kam spät. „Noch während wir die Treppe hinunter in den Keller rannten, kamen uns die Scherben von den zerborstenen Fenstern schon entgegen“, erinnerte sich Rosi aus Mainz in einem Gespräch mit Merkurist vor einem Jahr. Damals war sie zehn Jahre alt und lebte mit ihrem Vater sowie ihrer Stiefmutter in einem Mehrfamilienhaus in der Mainzer Neustadt. Ihre Mutter war bereits in einer „Heilanstalt“ getötet worden (wir berichteten).
Über 400 Bomber flogen über Mainz
Knapp 1500 Tonnen Spreng- und Brandbomben wurden in 16 Minuten abgeworfen, 435 Bomber der britischen Royal Air Force flogen den Angriff auf Mainz. Als alles vorbei war, Rosi wieder aus dem Keller nach oben kam und aus den zerstörten Fenstern schaute, sei „alles platt“ gewesen, erzählte sie. „Nur der Dom war noch zu sehen, und das von der Neustadt aus.“
Die Altstadt brannte in der Fläche, „ein einziges Flammenmeer“, so Rosi. Am Ende waren 80 Prozent der Innenstadt zerstört. Verbrannte Teile flogen weite Strecken, teilweise bis nach Gonsenheim. Menschen waren durch die Phosphorbomben bei lebendigem Leib verbrannt. Mehr als 1200 Menschen starben, viele von ihnen waren in den Kellern erstickt. Allein in den Kellern der Aktienbrauerei und am Kupferberg starben 200 Menschen. Insgesamt waren während des Krieges etwa 2800 Menschen in Mainz durch Bombenangriffe getötet worden, unzählige waren verletzt. Zehntausende verloren ihren gesamten Besitz.
Kein Wasser, kein Strom, keine Fensterscheiben
In den noch verbliebenen Häusern herrschte ab dem Tag Ausnahmezustand: „Es gab kein Wasser mehr, keinen Strom, keine Fensterscheiben, kaum Essen“, so Rosi. Das Regen tropfte in die Wohnung. Die Leute bohrten Löcher in die Wände, die als Abluft für die Kamine dienten. Die Kinder suchten im Schutt nach Verwertbarem. Die Mainzer, die wohnungslos geworden waren, drängten sich in die noch verbliebenen Häuser.
„Dieser Tag ist in das Gedächtnis der Mainzerinnen und Mainzer fest eingeschrieben“, so Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) angesichts des 80. Jahrestags. Bei einer Gedenkstunde am Mahnmal St. Christoph legte er gemeinsam mit Domdekan Henning Priesel und Dekan Andreas Klodt einen Kranz nieder. „An diesem Tag, um genau 16:46 Uhr war das Mainz, wie man es bisher kannte, war die 2000 Jahre alte Stadt Mainz, ausgelöscht.“ Dieser Krieg, der am 27. Februar 1945 mit „vernichtender Wucht in unsere Stadt kam“, war von den Deutschen selbst zuvor entfesselt worden, so Haase. Das nationalsozialistische Deutschland sei „berauscht gewesen von Selbstverherrlichung, Rassenwahn und unsagbarem Vernichtungswillen“.
Gedenken an den Luftangriff auf Mainz
Zum 80. Jahrestags des Luftangriffs gibt es in der Kirche St. Stephan die Fotoaustellung „Mainz, du sollst nicht untergehen… – Die Stadt 1945 und heute“. Gezeigt werden Schwarz-Weiß-Bilder des zerstörten Mainz 1945 im Kontrast zu Farbfotos von heute. Die Fotos können noch bis zum 23. März angeschaut werden. Der Eintritt ist frei.
Von 16:30 bis 16:46 Uhr werden zudem in den Kirchen der Innenstadt die Glocken läuten und damit an den Beginn und die Dauer der Bombardierung erinnern.
Seit einiger Zeit berichtet „Rosi aus Mainz“ auf ihrem Instagram-Kanal von ihren Erinnerungen aus den letzten 80 Jahren in Mainz. Ihre Familie, vor allem ihre Enkelin Paula, war 2022 auf die Idee gekommen. Inzwischen folgen ihr rund 29.200 Menschen.