So war die Premiere der Nibelungen-Festspiele 2025 in Worms

Am Freitag (11. Juli) feierte die diesjährige Hauptinszenierung der Nibelungen-Festspiele, das Stück „See aus Asche“, Premiere unter freiem Himmel vor dem Wormser Dom. Merkurist-Redakteurin Anna C. Schmahl war dabei.

So war die Premiere der Nibelungen-Festspiele 2025 in Worms

Nach den ersten Sätzen ist klar: „See aus Asche“, das Nibelungenfestspiele-Stück 2025, verlangt, dass die Zuschauer mitdenken. Autor Roland Schimmelpfennig und Regisseurin Mina Salehpour wollten offenbar verhindern, dass das Stück als einfacher Genuss konsumiert wird. Im Vorfeld wurde die diesjährige Inszenierung als vielversprechend diskutiert, einige Prominente besuchten die Premiere – etwa Harald Schmidt, Julia Klöckner, Alexander Schweitzer, Marie-Luise Marjan und Petra Gerster. Alle Vorstellungen waren schon Tage vor der Premiere ausverkauft (wir berichteten).

Fantasie und Mitdenken gefordert

Zu Beginn von „See aus Asche“ sprechen die Figuren von einem Lied, das gespielt werden müsse, auch wenn damit alles zugrunde gehe – und meinen damit wohl das Stück selbst. Wenn das Nibelungenlied auserzählt ist, endet die Inszenierung, und die Figuren in der diesjährigen Besetzung sterben.

Wer wen spielt, ist ebenfalls nicht ganz einfach zu erkennen. Die Figuren stellen sich selbst wie ein allwissender Erzähler vor, sprachen also über sich in der dritten Person. Dann wechseln sie in die Ich-Perspektive und gehen in ihren Rollen auf, doch dabei bleibt es nicht: Die Schauspieler haben Doppelrollen, was dann erneut in der dritten Person erklärt wird. Immer wieder kommentieren die Figuren sich selbst.

Auch das eindrucksvolle Bühnenbild fordert die Fantasie heraus: Einmal stehen die circa 600 Tonnen Kies vor dem Wormser Dom für das Nibelungengold, dann wieder für Berge, Burgmauern oder Herausforderungen, die erklommen werden müssen. Für die Schauspieler gibt es diese Herausforderungen ganz buchstäblich. Immer wieder betonten sie in Interviews, wie anstrengend das Spiel auf dem Kies sei. Auch die Kostüme sind nicht eindeutig.

Parallelen zwischen Brunhild und dem Drachen

Nach der Einführung kommt umgehend der erste Rollenwechsel: Jasmin Tabatabai, eben noch als Brunhild vorgestellt, wird zum Drachen. Die Vorgeschichte, in der Siegfried (Eivin Nilsen Salthe) den Nibelungenschatz und das Schwert Balmung bekommt, dem Elfenkönig Alberich die Tarnkappe nimmt und den Drachen erschlägt, ist entscheidend für Schimmelpfennigs Version des Nibelungenlieds. Denn dass der Drache getötet wird, hätte nie geschehen dürfen, sagt Tabatabai, die dafür kurz in die Rolle der allwissenden Erzählerin schlüpft, um direkt darauf wieder zum Drachen zu werden: „Wenn du mich umbringst, wirst du selbst zum Ungeheuer“, sagt sie zu Siegfried.

Doch trotz dieser düsteren Prophezeiung gibt es im Stück auch immer wieder lustige Momente: Gieselher etwa, dargestellt von Denis Geyersbach, sorgt als junger Taugenichts wiederholt für Lacher – beispielsweise, wenn er erneut die Illusion bricht und vorgibt, ein Selfie mit dem Publikum machen zu wollen. „Rücken Sie doch alle einmal etwas zusammen!“, ruft er mehrmals.

Die dramatischen Szenen überwiegen dennoch. Dass Tabatabai sowohl den Drachen als auch Brunhild spielt, ist kein Zufall. Denn wie „die älteste Kreatur der Welt“ schändet Siegfried auch Brunhild. Dank seiner Tarnkappe unsichtbar, bezwingt er sie, damit der schwache Nibelungenkönig Gunter (Hans-Werner Leupelt) sie in der Hochzeitsnacht freien kann – soweit folgt Schimmelpfennig der Sage. Doch es wird angedeutet, dass auch Siegfried Brunhild vergewaltigt.

Unterdrückte Weiblichkeit

Als die List geschildert wird, wird eine Großaufnahme von Kriemhilds Gesicht auf einem großen Bildschirm an der Bühne gezeigt, sie scheint außer sich vor Schmerz. Gespielt wird sie in diesem Jahr von Kriemhild Hamann. Sie zeigt sich auch entsetzt, als die gebrochene Brunhild sie kurz darauf bittet, ihr das Sticken beizubringen. Was sie schon kann – Kämpfen, Siegen, Strahlen – nützt ihr nun als besiegte Frau von Gunter nichts mehr. Dass Kriemhild mit Brunhild leidet, zeigt die Unterdrückung der Frau als ein wichtiges Thema des Stücks.

Und noch eine weibliche Figur erscheint als geschändet: Das Lindenblatt (Lisa Natalie Arnold), das sich Siegfried auf die Schulter gelegt hat, beschreibt in einem Wut-Monolog, dass immer nur der große Baum gesehen werde, nie das Blatt. Es selbst habe seine Möglichkeiten aber soweit wie möglich überschritten: „Als Blatt alleine bist du nichts. Es sei denn, du lässt dir etwas einfallen, du legst dich auf eine Schulter und badest im Drachenblut. Ich bin so weit gekommen, wie ich nur konnte.“ Das Blatt wird durchbohrt und stirbt, wenn Hagen (Wolfram Koch) Siegfried tötet.

Gesellschaftskritische Momente

Insgesamt wirken die Tötung des Drachen, der Verrat an Brunhild und das Übersehen des Lindenblatts in „See aus Asche“ wie derselbe große Fehler: Die Natur, die man nicht verstehen kann, wird vernichtet. Der ungeheuerliche Drache, die ungeheuerlich starke Brunhild und die ungeheuerliche Macht eines einzelnen kleinen Blattes werden nicht als Wunder begriffen, sondern die Helden gehen mit Gewalt über sie hinweg.

Bei Schimmelpfennig ist das der Grund für den endgültigen Untergang von Siegfried, Gunter, Gieselher, Volker und Hagen; zurück lassen sie nur Zerstörung. Damit wird der Nibelungenstoff auf die Gegenwart übertragbar: Die Themen Umweltzerstörung, Geschlechterkampf, Egoismus und Kapitalismus scheinen auf – und auch die Verantwortung der Medien wird angedeutet. Das Nibelungenlied bleibt eine Heldensage. So gesehen gewinnen auf lange Sicht die Zerstörer.

Dem Premierenpublikum schien das Stück gefallen zu haben, es gab langen Applaus und Standing-Ovations. Allzu frenetisch geklatscht wurde allerdings nicht. „See aus Asche“ schien eher zum Nachdenken angeregt zu haben.