Straßenbahnen in Worms: So war es damals

In Worms fuhr lange Zeit wie vielerorts die „Elektrisch“. Vor knapp 70 Jahren wurde sie jedoch eingestellt. Hier erfahrt ihr alles Wissenswerte zur Straßenbahnzeit in der Nibelungenstadt am Rhein.

Straßenbahnen in Worms: So war es damals

Erste Diskussionen um eine Straßenbahn in Worms kamen Ende des 19. Jahrhunderts auf, als das Zeitalter der Elektrizität begann. In Worms verhandelten die Stadt und die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) damals über den Bau eines Elektrizitätswerks. Dabei wurde auch diskutiert, ob ein Straßenbahnnetz mit Oberleitung gebaut werden sollte. Zuvor wollte eine Koblenzer Gesellschaft 1890 eine Pferdebahn betreiben, doch wegen Unstimmigkeiten wurde die Idee wieder rasch verworfen worden.

Der Beginn der Wormser Straßenbahn

Die AEG wollte die Tram eigentlich in Eigenregie bauen und führen. Die Stadt aber plante, das Netz selbst zu betreiben – und konnte sich durchsetzen. So begann die AEG im Januar 1906 mit dem Bau, am 20. Dezember 1906 wurde der Straßenbahnbetrieb feierlich eingeweiht. Der damalige Oberbürgermeister Heinrich Köhler (NLP, PVD) wollte eine „Verkehrserleichterung“ und das „Erwerbswesen fördern“, schreibt Ralph Häussler in seinem 2012 erschienenen Buch „Die Wormser Straßenbahn“. Außerdem gehen die hier genannten Informationen auf eine Festschrift der Stadtwerke aus dem Jahr 1981 zurück.

Mit der Tram wurden anfangs alle damaligen Stadtteile, das Stadtzentrum, mehrere bedeutende Fabriken und weitere Einrichtungen angebunden. Das Streckennetz war insgesamt rund 10 Kilometer lang und umfasste zwei Linien: eine Nord-Süd-Verbindung von Neuhausen zum damaligen Vorstadtbahnhof und eine Ost-West-Verbindung vom Barbarossaplatz über Hauptbahnhof zum Westendplatz. Dort teilte sich die Strecke in Richtung Westen auf: Es ging links nach Pfiffligheim und rechts nach Hochheim. Hier führte der Weg entlang der Bergstraße mit 7,92-prozentiger Steigung.

Zwischen Marktplatz und Kämmererstraße gab es eine gemeinsame Strecke für beide Linien, an der Ost-West-Verbindung lag eine Abzweigung zum Betriebshof mit der Wagenhalle. Streckenverlängerungen wurden zwar hin und wieder diskutiert, jedoch aus wirtschaftlichen Gründen allesamt verworfen – bis auf eine: Von 1948 bis 1955 führte die Tram von Hochheim weiter nach Herrnsheim.

Straßenbahn in Worms gerne genutzt

Die Straßenbahn war nicht unbeliebt: Die Fahrpreise waren erschwinglich und der Takt dicht. In den Hauptzeiten (ab 10 Uhr) fuhren die Bahnen grundsätzlich alle siebeneinhalb Minuten, in den Randlagen alle 15 oder 30 Minuten. Für die Fabrikarbeiter gab es eigene Sonderfahren. 1907 wurden 1,4 Millionen Fahrgäste gezählt, während der Weltkriege gab es zeitweise bis zu vier Millionen Passagiere. Der absolute Rekord wurde jedoch 1948 erreicht: 5,5 Millionen Fahrgäste.

Im letzten vollen Betriebsjahr zählten die Stadtwerke 1955 immerhin 2,05 Millionen Fahrgäste in den Trams. Die Stadtbusse, in dem Jahr mit etwa 2 Millionen Fahrgästen besetzt, hatten bereits Teilstrecken der Straßenbahn und die Bedienung der hinzugekommenen Stadtteile übernommen.

Der Wiederaufbau: Anfang vom Ende

Mit dem Zweiten Weltkrieg kam der Straßenbahnbetrieb zum Erliegen, weil große Teile der Streckennetzes von Bomben zerstört wurden. Der Wiederaufbau ging nur zögerlich voran, es fehlten Ersatzteile und Baumaterialien. In den Nachkriegsjahren wurde die Stadt autogerechter – und die „Elektrisch“ zunehmend verdrängt. Dabei hatte die Straßenbahn selbst die Hyperinflation in den 1920er Jahren überdauert: zwar mit Einschränkungen, dafür gaben andere Städte den Trambetrieb bereits ganz auf.

In Worms dachten die Stadtwerke seit 1951 darüber nach, den Betrieb komplett einzustellen. Zwei unabhängig voneinander erstellte Gutachten empfahlen stattdessen den Stadtbus. Nach über 40 Betriebsjahren waren die Gleisanlagen und die Fahrzeuge veraltet und in einem wirklich schlechten Zustand. Sie sicher zu betreiben, war nur noch schwer zu gewährleisten.

Die Strecke nach Herrnsheim wurde deshalb sogar ein Jahr früher eingestellt, ausgebaute Teile dienten als Ersatz für andere Strecken oder Fahrzeuge. Zuletzt war der Busbetrieb günstiger als die Sanierung. Da die Trams zudem oft in entgegengesetzter Richtung auf eingleisigen Strecken fuhren, stiegen die Unfallgefahr und Verspätungsanfälligkeit, weil mehr Autos auf den Straßen unterwegs waren.

Das endgültige Aus

Am 29. Januar 1956 war es dann so weit: Man fand zur Einstellung am Marktplatz zusammen. Sechs der zwölf verbliebenen Bahnen nahmen am Vormittag noch einmal ihren regulären Dienst auf. Sie trafen um 11:15 Uhr auf dem Marktplatz ein, während die anderen sechs Bahnen mit Ehrengästen besetzt von der Wagenhalle zum Marktplatz fuhren. Zugleich wurde auf den neuen Buslinien der Fahrplanbetrieb aufgenommen und Sonderbusse fuhren zwischen Depot und Marktplatz.

Bei der Umstellung wurde darauf geachtet, dass die Buslinien im selben Takt fuhren wie zuvor die Straßenbahnen. Der Takt wurde wohl nur ein Mal reduziert, und zwar inflationsbedingt 1921 auf zehn Minuten. Zum Schluss ein Fun Fact: Anfangs gab es nur 37 Mitarbeiter im Betrieb, im Fahrdienst hatten sie damals Zehn-Stunden-Dienste. Erst nach neun Tagen gab es einen freien Tag.

Vermisst ihr die Straßenbahn? Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare!