Nun steht es fest: Der Fall, in dem ein 40-jähriger Mann und eine 34-jährige Frau ihre gemeinsame 15-jährige Tochter am Wormser Rheinufer getötet haben sollen, ist laut dem Landgericht Mainz „heimtückischer Mord“.
Bei der Urteilsverkündung am Freitag betonte der Richter, dass das Urteil für beide Eltern gelte. Zwar habe nur der Vater die Tat zu Beginn des Prozesses eingeräumt, aber die Beweismittel zeigten aus Sicht des Gerichts eindeutig, dass auch die Mutter die Tat mitzuverantworten habe. Die Tochter sei tot, „weil ihre Eltern beschlossen, dass sie sterben musste“. Beide erwartet darum nun eine lebenslange Haftstrafe.
Die niederen Motive
Laut Richter steht zweifelsfrei fest, dass beide „aus niedrigen Beweggründen“ handelten. Der Vater habe sich erhofft, dass er nach der Tat in die Familie zurückkehren könne. Zuvor habe er unter anderem mit diversen Gewalttaten gegen seine Frau und seinen Sohn dafür gesorgt, dass die Ehe gescheitert sei und er die Familie habe verlassen müssen. Seine Frau habe ihm vor der Tat in Aussicht gestellt, dass sie die Anzeigen gegen ihn zurückziehen würde, wenn der Mordplan umgesetzt sei. Auch das Motiv, dass die Tochter aus Sicht des Vaters seinem Ansehen in der afghanischen Gemeinschaft geschadet habe, sei ein niederes. Zudem habe der Angeklagte sich dahingehend geäußert, dass seine Tochter wegen ihres Verhaltens „sozusagen bereits tot“ gewesen sei. Ihr Leben sei schon verwirkt gewesen, soll er gesagt haben. Diese Ansicht enthüllt dem Richter zufolge ebenso einen niederen Beweggrund.
Der Mutter indessen sei die 15-jährige Tochter zu anstrengend geworden. Sie habe sich gesorgt, was die Nachbarn sagen würden, und ebenfalls um ihr Ansehen in der Gemeinschaft gefürchtet. Darüber hinaus habe sie ihre Erziehungsverantwortung abgeben, die Jugendliche nicht mehr in der Familie haben wollen. Das habe sich etwa gezeigt, als sie dem Jugendamt gegenüber verlangte, dass es die Tochter wegnehmen solle.
Beide Eltern seien außerdem „vollumfänglich schuldfähig“, so der Richter. Eine Enthemmung habe zum Tatzeitpunkt nicht stattgefunden. Das zeige sich schon allein daran, dass die Eltern in Mordabsicht mit der Tochter noch stundenlang herumfuhren, bevor sie ihre Pläne umsetzten. Auch psychologische Gutachten hätten keine Schuldminderungsgründe ergeben. Im Gegenteil würden Mitschnitte von Gesprächen zwischen den Angeklagten vor dem Prozess zeigen, dass sie versuchen wollten, psychische Probleme als Ausreden zu nutzen.
Insgesamt sei es „eiskalter Mord an einer Heranwachsenden, die unbequem war“, gewesen, wertete der Richter. Ein „altruistisches Motiv“ – etwa die anderen Geschwister vor der Tochter schützen zu müssen – schloss er aus. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die 15-Jährige eine Bedrohung gewesen sei. Die Mutter habe darüber hinaus auch geplant, dem Vater allein die Tat anzuhängen, indem sie Telefongespräche zwischen sich und ihrem Mann mitschnitt. Das habe sie in dem Irrglauben getan, dass sie nicht belangt werden könne, wenn sie bei der eigentlichen Tat nicht anwesend war.
Was laut Gericht am Tattag passierte
Aus Sicht des Gerichts stellte sich die Tat folgendermaßen dar: Die Mutter geriet am Am 15. Juni 2024 mit ihrer Tochter in der gemeinsamen Wohnung in Pirmasens in Streit über Handynutzung. In der Zeit davor war die Tochter mehrfach verhaltensauffällig geworden, hatte etwa Drogen und Alkohol konsumiert und Lehrer beleidigt. Dreimal sei deswegen auch die Polizei gerufen worden, vor allem von der Mutter. Diese hatte in der Zeit auch das Jugendamt konsultiert – in der Absicht, ihr Kind loszuwerden, statt Hilfe bei der Erziehung zu erhalten. Am Tattag habe sie dann beschlossen, dass die Jugendliche nun sterben müsse.
Sie fesselte ihre Tochter mit Klebeband an den Händen und verklebte auch ihren Mund. Der älteste Bruder soll das Klebeband im Gesicht gelöst haben, als er merkte, dass seine Schwester schlecht Luft bekam. Die Mutter flößte ihr daraufhin das Opioid Tramadol ein. Es wirkt schmerzlindernd und sedierend, wovon der die Eltern wussten. Haarproben bewiesen, dass sie selbst den Wirkstoff konsumierten. Dann rief die Mutter den Vater der 15-Jährigen an und vereinbarte mit ihm den Mordplan. Der Vater kam hinzu und gemeinsam gaukelten beide der Tochter vor, sie solle die Familie verlassen.
Für dreieinhalb Stunden fuhren die Angeklagten dann mit dem betäubten Kind umher, bevor sie an der Natorampe am Rheinufer in Worms-Rheindürkheim ankamen. Dort ging die Tochter letztlich „vertrauensvoll“ am Arm ihres Vaters mit zum Rheinufer. Die Eltern legten ihrem ahnungslosen Kind einen Schal um. Die drei wurden noch von ein paar Anglern gesehen.
Als es dunkel wurde, setzten die Eltern den vereinbarten Plan um. Die Mutter ging zurück zum Auto, während der Vater die Tochter von vorne mit dem Schal strangulierte. Sie wurde daraufhin ohnmächtig. Dass sie sich hätte wehren können, war dem Richter zufolge ausgeschlossen, denn schon allein die Tramadol-Dosis, die später an ihrer Leiche festgestellt wurde, sei tödlich gewesen. Zudem sei der Vater ihr körperlich eindeutig überlegen gewesen.
Als die Jugendliche bewusstlos war, legte der Vater sie absichtlich mit dem Gesicht nach unten ins Rheinwasser, in dem Wissen, dass sie so keine Luft bekam. Der Angeklagte selbst soll später gesagt haben: „Sie starb wie ein Vogel.“ Die Mutter log noch am selben Tag ihren ältesten Sohn am Telefon an und erzählte ihm, dass die Tochter bei Freunden sei, obwohl sie es besser wusste.
Keine Anzeichen von Reue
Der Richter ist davon überzeugt, dass die Eltern bei ihrer Flucht aus Afghanistan über den Iran Gewalterfahrungen gemacht haben und diese Gewalt dann in die Familie trugen. Sie sei dort zur Lösungsstrategie in Konflikten geworden, vor allem beim Vater. Und das habe sich nie geändert und auch nicht geändert werden sollen. So habe die Mutter Ratschläge einer Therapeutin einmal als nicht zielführend abgetan.
Die Angeklagten hätten ihr Verhalten auch während des Prozesses in keiner Weise reflektiert. Stattdessen hätten sie „Weinerlichkeit, Ich-Bezogenheit und Wehleidigkeit“ gezeigt. Letztlich sei für den Richter klar, dass sie ihre Tochter aus egoistischen Gründen heimtückisch ermordet hätten. „Wenn man sich so einlässt, hilft einem auch der beste Anwalt nicht mehr“, sagte er, bevor er die Sitzung schloss.