Es ist der Alltag auf Sanitätsdiensten und im Rettungswagen, der Jonas Deichelmann aus Worms-Pfeddersheim schon während der Schulzeit zum IT-Entwickler werden ließ. Mit seinem Start-Up „Aiddevs“ will der studierte Informatiker und ausgebildete Rettungssanitäter den Rettungsdienst, das Gesundheitswesen und den Arbeitsschutz verbessern. An Bord sind die Mitgründer Moritz Vetter und Marco Odenwälder.
Start-Up-Idee aus Kalifornien mitgebracht
Deichelmann engagiert sich schon seit knapp 20 Jahren in der Blaulichtfamilie, wie der 29-Jährige im Gespräch mit Merkurist berichtet: Mit zehn Jahren habe er bei der Jugendfeuerwehr angefangen, mit 16 sei er in die DRK-Bereitschaft gewechselt – mit Sanitätsdiensten auf Veranstaltungen wie dem Backfischfest. Seit 2015 fährt Deichelmann als Rettungssanitäter beim Arbeiter-Samariter-Bund mit, heute ist er „Organisatorischer Leiter Rettungsdienst“ für die Stadt Worms bei Großeinsätzen.
Nachdem das erste iPad auf den Markt gekommen war, entwickelte Deichelmann noch als Schüler seine erste App, um die Rettungskräfte auch noch auf eine andere Art unterstützen zu können: eine Anwendung für Einsatzleiter im Rettungsdienst, die ihnen helfen sollte, Einsätze zu koordinieren. „Es wurde so dargestellt, als sei es nicht schwer, seine eigene App zu entwickeln. Daher wollte ich das selbst mal ausprobieren.“
Noch während der Abi-Zeit schnupperte Deichelmann an der Hochschule Worms ins Informatik-Studium, das er später auch aufnahm. Im Herbst 2019 sei ihm dann die Idee zum Start von „Aiddevs“ gekommen, inspiriert von einem Auslandsemester in Kalifornien. „Dort sollten wir eigene App-Ideen entwickeln. Aus dem Semester nahm ich den Spirit mit, selbst mal ein Start-Up gründen zu wollen.“ Die Gründung folgte formal im Mai 2020, vor nunmehr fünf Jahren.
Erste Start-up-Idee war ein Flop
„Unsere Idee war anfangs ein grüner Erste-Hilfe-Knopf, der wie die roten Feuermelder-Druckknöpfe in Unternehmen installiert ist und innerhalb des Unternehmens Ersthelfer alarmiert.“ Trotz mehrerer Vorstellungsgespräche bei verschiedenen Unternehmen blieb es nur bei dem Prototypen, da die Interessenten doch ausblieben, wie Deichelmann erzählt. Dafür habe er wenig später mit der „Verbandbuch-App“ seinen ersten „Aiddevs“-Erfolg feiern können: Über 1000 Unternehmen und Einrichtungen würden die Anwendung mittlerweile nutzen, auch über die Landesgrenzen hinaus komme sie zum Einsatz.
Heute hat das Start-Up außer dem Verbandbuch drei weitere Apps auf dem Markt: Die „Rettertool“-App soll Einsatzkräften unter anderem dabei helfen, wichtige Körperparamenter der Patienten zu erfassen. Denn laut Deichelmann wird die Atemfrequenz in Einsätzen oft falsch eingeschätzt. „Heroshift“ solle die Dienstplanung im Gesundheitssektor vereinfachen, indem bei Personalausfällen automatisiert Ersatz gesucht werde. Aktuell sei man dabei, in die App einen KI-Chatbot zu integrieren.
Neuste „Aiddevs“-App von der IHK ausgezeichnet
Die neuste App ist „NeoDiary“, die Deichelmann als Teil seiner Masterarbeit entwickelt hat – und dafür im vergangenen Jahr mit dem Preis der Industrie- und Handelskammer (IHK) ausgezeichnet wurde (wir berichteten). Es handelt sich um eine Tagebuch-App für Eltern von Frühgeborenen, die in den ersten Wochen nach der Geburt im Alltag begleiten und unterstützen kann. Von einer Kollegin aus einer Frühchenstation soll die Idee gekommen sein. Aktuell plane Deichelmann, die App auf Portugiesisch zu übersetzen, da es eine entsprechende Anfrage gebe.
Wichtig ist Deichelmann zufolge, für die „Aiddevs“-Projekte passende Partner aus der Gesundheitspraxis zu finden. Die Apps sollen besonders praxisnah und im Alltag eine Hilfe sein. So werde die „NeoDiary“-App etwa von der Uniklinik Dresden wissenschaftlich begleitet und in Zusammenarbeit mit der „Deutschen Stiftung Kranke Neugeborene“ entwickelt. Bei „Heroshift“ ist es die „Gesellschaft für Notfallrettung“.
Blick in die Zukunft
Die Projekte gehen „Aiddevs“ so schnell nicht aus, sagt der Geschäftsführer: „Viele Ideen parken auf dem Ideenparkplatz.“ Perspektivisch soll das Start-Up zum mittelständischen IT-Unternehmen werden. „Wir wollen Stück für Stück langfristig, organisch wachen.“
Neuerdings wurde das Start-Up zum IHK-Ausbildungsbetrieb zertifiziert. Zudem betreut es aktuell drei Masterarbeiten. Im Wormser Netzwerk „Digital Hub“ finde das noch junge Unternehmen große Unterstützung: „Im Vergleich zu den richtig großen Großstädten erfahren wir hier in Worms die maximale Aufmerksamkeit, da sich hier weniger Start-Ups behaupten müssen. Das Interesse für Start-Ups ist damit in Worms nochmals größer als in anderen Städten.“