130 Millionen Euro Investitionen in das Hauptwerk an der Horchheimer Straße – die hat das Wormser Chemieindustrie-Unternehmen Renolit für die nächsten fünf Jahre angekündigt. Zum einen soll die Frankenthaler Produktionsstätte mit den dortigen Mitarbeitern nach Worms wandern und die Produktion ansteigen. Zum anderen soll ein eigener Windpark errichtet werden, um das größer werdende Werk direkt mit erneuerbarer Energie versorgen zu können.
Genauer gesagt möchte Renolit fünf leistungsstarke und bis zu 290 Meter hohe Windräder bauen, auf Ackerland zwischen Horchheim, Pfiffligheim und Wiesoppenheim an der B47. Dazu veranstaltete das Unternehmen drei Infoabende in den drei Stadtteilen. Dort wurde jeweils gemeinsam mit dem Projektpartner Juwi über den aktuellen Projektstand aufgeklärt und sich im Anschluss den Fragen und der Kritik der Bürger gestellt – so auch in Pfiffligheim am 17. Juli.
Arbeitsplätze sichern mit Klimaschutz
Torsten Maschke nutzte dort als Vorstandsmitglied der Renolit zu Beginn die Gelegenheit für ein Plädoyer. Renolit dürfe sich nicht der Nachhaltigkeit verschließen – gerade auch, weil es als Industrieunternehmen sehr viel Energie benötige und die Kunden immer mehr Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung einfordern würden. Gleichzeitig wolle man wettbewerbsfähig bleiben und als Unternehmen weiter wachsen. Indem die Produktion auf erneuerbare Energien umgestellt werde, könne man dem Anspruch gerecht werden und damit Arbeitsplätze sichern.
Renolits Ziel dabei ist, bis 2045 seinen Energiebedarf CO2-frei decken zu können – passend zu den deutschen Klimaschutzzielen. Für die Umstellung bräuchte es aber künftig doppelt so viel Strom. Man geht in Worms von rund 105 Gigawattstunden pro Jahr aus, sagte Ines Friedla, die Umwelt- und Energiebeauftragte von Renolit. Die Windräder an der B47 sind hier ein wesentlicher Punkt, um den Bedarf mit erneuerbarer Energie zu decken: Die fünf Windkraftanlagen sollen zusammen jährlich 90 Gigawattstunden Strom produzieren und seien damit besonders leistungsstark, aber mit bis zu 290 Meter Höhe auch größer als herkömmliche Anlagen.
Ärger um steigende Energiepreise
Der erzeugte Strom soll über eine 1,8 Kilometer lange Direktleitung ins Werk fließen, so Friedla. Renolit will den Strom nicht ins Stromnetz einspeisen, sondern Überschüsse in Speicheranlagen speichern, wie Maschke erklärte. Dadurch müssten für den produzierten Strom keine Netzentgelte gezahlt werden, weil der Strom über die Direktleitung ins Werk fließt. Dabei darf die Leitung nach der aktuellen Gesetzgebung maximal fünf Kilometer lang sein.
Die stetig steigenden Stromkosten würden für das Unternehmen eine Herausforderung darstellen, sagte Dr. Michael Bätz, der Werkleiter in Worms. Die Netzentgelte, Steuern und Umlagen würden einen erheblichen Anteil des Energiepreises ausmachen. So entfallen laut Friedla allein auf die Netzentgelte 30 Prozent der Stromkosten. Deshalb sei „nur eine planungssichere Energieversorgung, die sich aus Strombezug am Regelmarkt und selbst erzeugtem Strom zusammensetzt, wirtschaftlich darstellbar“, ergänzt Bätz.
Dazu kommentierte ein Gast: „Renolit muss die Zeche zahlen. Es ist auf die Windräder angewiesen, aber können diese nicht weiter weg stehen? Die Regel muss in Berlin dringend angepasst werden.“ Eine Frau pflichtete ihm bei: „Die Zersiedlung der Landschaft widerstrebt mir. Das Netzentgelt kann nicht das Argument sein.“ Vorstandsmitglied Maschke erklärte, keine Option auslassen zu wollen „die sich anbietet, günstig grünen Strom zu bekommen und wettbewerbsfähig zu bleiben“.
Standort noch nicht gesichert
Alternativen sollen weiter geprüft werden, so Maschke, gleichzeitig müsse man mit den aktuellen Bedingungen arbeiten, nach der aktuell der Windpark an der B47 alternativlos scheint. Bisher habe man mit der Stadt aber auch über andere Flächen im Umkreis der fünf Kilometer beraten. Eine Alternative wäre die Fläche entlang der A61 – sie komme jedoch für ein Industriegebiet in Betracht, heißt es vom Unternehmen. Damit hätten die Stadt und Renolit aktuell nur die Fläche an der B47 gemeinsam im Fokus.
Flächenmäßig könnten dort maximal die fünf angedachten Windräder errichtet werden, vier südlich und eines nördlich der B47. Dabei würden alle rund einen Kilometer von der nächstentfernten Siedlung liegen, erklärte Kay Ballmann, Projektleiter bei Juwi. Juwi übernimmt die Planung und die technische Betriebsführung der Windräder. Der Ackerbau sei auf den Flächen weiterhin möglich, so Ballmann. Lediglich während der Bauphase würde es zu vorübergehenden Einschränkungen kommen, etwa durch die Baufahrzeuge und Fundamente.
Einnahmen für die Stadtkasse
In die Stadtkasse könnten durch die Anlagen zweierlei Einnahmen fließen, wie Ballmann weiter erläuterte. Einerseits würde Renolit die Stadt auf Grundlage des Erneuerbare-Ernergien-Gesetzes (EEG) finanziell an der Stromgewinnung beteiligen, mit 0,02 Cent pro Kilowattstunde. So dürften jährlich 180.000 Euro in die Stadtkasse fließen. Anderseits würden die Pachteinnahmen den „wesentlicheren Beitrag“ ausmachen. Von den Gästen gab es den Wunsch, dass die Mehreinnahmen den drei Stadtteilen zugute kommen sollten, da sie am stärksten von den Windrädern betroffen seien.
Der Bauausschuss der Stadt Worms hat über das Projekt und die Fläche bereits nichtöffentlich beraten, wie Bürgermeisterin Stephanie Lohr (CDU) berichtete. Sie sei dankbar für Renolits Einsatz, denke aber zugleich, dass das Projekt von den Betroffenen viel abverlangen werde: „Alle sprechen über die Klimaziele und die Erneuerbaren. Wenn dann aber vor der Tür gebaut wird, ist es nochmal etwas anderes.“ Es gab ebenfalls Lob und Dank von den „Wormser for Future“ und einem weiteren Besucher, der erzählte: „Ich habe den sauren Regen miterlebt. Im Vergleich ist Wind mit das Sauberste, das wir je hatten. Ich wünsche viel Erfolg für das Projekt!“ Daraufhin gab es Applaus von einem Großteil der Pfiffligheimer Gäste.
Der Stadtrat soll in seiner nächsten Sitzung öffentlich über das Thema verhandeln und einen entsprechenden Beschluss fassen. Wenn der Rat grünes Licht gibt, soll die Fläche daraufhin in den regionalen Windräder-Flächenplan aufgenommen werden, um den Weg für die weiteren Planungs- und Genehmigungsschritte zu ebnen. Friedla geht davon aus, dass es bis zur Inbetriebnahme noch fünf bis sieben Jahre dauern dürfte: „Wir sind noch am Anfang des Projektes.“
Hintergrund
Mit mehr als 30 Produktionsstandorten und Vertriebseinheiten in über 20 Ländern und einem Umsatz von knapp 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 zählt Renolit nach eigenen Angaben zu den global führenden Kunststoff-Verarbeitern, etwa für die Bau- und Automobil-, Medizin- und Pharmabranche. Das Familienunternehmen wurde 1946 gegründet, feiert also im kommenden Jahr sein 80-jähriges Bestehen.
In Worms, dem Hauptstandort, werden laut Bätz derzeit mit 17 Großmaschinen jährlich rund 24.000 Tonnen Folie hergestellt, künftig sollen es 38.000 Tonnen werden. Dies sorgt jedoch für einen beachtlichen Energieverbrauch: Das Wormser Werk benötige derzeit jedes Jahr 45 Gigawattstunden Strom und 82 Gigawattstunden Gas. So werden jährlich insgesamt rund 25.000 Tonnen CO2 ausgestoßen. Renolit kommt alleine auf sieben Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der Stadt. Dabei macht die Industrie insgesamt 70 Prozent des Wormser Stromverbrauchs aus. Im Werk ist derzeit noch Gas der Hauptenergieträger.
Weitere Infos zum Windpark findet ihr hier auf der Renolit-Webseite. Dort gibt es auch ein Formular, mit dem Fragen zum Projekt direkt an das Unternehmen gestellt werden können.