Dieses sehbehinderte Paar aus Worms klärt über Blindheit auf

Wendy Upton und Thomas Vetter aus Worms sind sehbehindert. Wie sie im Merkurist-Gespräch erzählen, wollen sie das Thema Sehbehinderung gemeinsam weiter in die Öffentlichkeit holen und andere Sehbehinderte unterstützen.

Dieses sehbehinderte Paar aus Worms klärt über Blindheit auf

Die Hundeschulter lehnt leicht am Bein der Halterin, sie hat den Bügel fest in der Hand: Wenn Wendy Upton und ihre schwarze Schäferhündin Kascha durch die Wormser Straßen ziehen, an Straßenübergängen halten und Kascha sogar Bescheid gibt, wenn die Straße frei ist, würde man beinahe gar nicht bemerken, dass die 32-jährige Upton seit ihrer Geburt blind ist. Beinahe. Denn in Worms ist sie die einzige, die einen Blindenhund führt – oder vielmehr von diesem geführt wird.

Sehbehinderten eine Lobby bieten

„Und Kascha ist von allen Hygienevorschriften befreit. Sie darf uns in den Supermarkt und auch zum Arzt begleiten“, stellt Wendy Uptons Lebensgefährte Thomas Vetter klar. Er selbst hat vor zwölf Jahren die Diagnose einer seltenen und noch nicht gut erforschten Krankheit erhalten: „Ich sehe alles sehr verschwommen und unscharf. Habe ein eingeschränktes Gesichtsfeld, wie mit Scheuklappen“, sagt er im Gespräch mit dem Merkurist. Es läge alles im Nebel, er könne eigentlich kaum noch etwas lesen.

Die Diagnose sei ein Schock gewesen. Rapide hätte sich sein Sehvermögen verschlechtert und sich die Welt quasi um ihn verdunkelt. „Ich war wütend, stellte mir die Fragen, die man sich nicht stellen darf: Warum ich? Und tat mir sehr schwer damit, mein Schicksal anzunehmen“, erinnert sich der Wormser. Dass er Wendy kennengelernt habe, habe ihn gerettet – mit ein Grund, warum sich das Paar im kommenden Jahr auch das Ehe-Versprechen geben wolle. „Sie ist so lebensbejahend, hat für alles irgendwie eine Lösung parat. Das hat mich fasziniert. Das motiviert mich und treibt mich an. Bis heute“, so Vetter.

Heute hat Thorsten Vetter keine Probleme mehr damit, über seine Sehbehinderung zu sprechen. Im Gegenteil – gemeinsam mit seiner Partnerin wolle er dem Thema eine Lobby bieten. Das war nicht immer so, wie er gegenüber Merkurist erzählt: „Ich muss gestehen, dass für mich die Anfangszeit meiner Erkrankung nicht einfach war. Ich wollte und konnte das nicht annehmen. Wollte mich auch nicht als seheingeschränkt zu erkennen geben.“ Auch hierbei habe seine Partnerin ihm geholfen, habe ihm technische Wege aufgezeigt und Hilfsmittel erklärt.

„Ein Blindenhund ist kein Schmusetier“

Das Haus des Paares ist beispielsweise komplett mit Alexa-Geräten ausgestattet. Termine und Einkaufszettel werden per Sprachgenerator generiert, auch die Smartphones helfen im Alltag. „Es gibt ganz viele Apps, beispielsweise zum Farben erkennen, die auf dem Iphone kostenfrei genutzt werden können“, erklärt Vetter. Hinzu komme das Talent des Blindenhundes Kascha. Die Hündin beherrscht über 50 Kommandos, kann sogar im Supermarkt Lebensmittel finden: „Brokkoli, Müsli. Sie findet das richtige Regal.“ Der Hund führt die Halter auch zum Zebrastreifen und prüft, ob die Fahrbahn frei ist. Darüber hinaus weigert er sich auch am Bahnhof die weiße Linie zu übertreten, bricht also wenn nötig mit dem Gehorsam und trifft selbstständig Entscheidungen. „Das ist schon Wahnsinn“, sagt Vetter.

Seit gut sieben Jahren ist Kascha bereits bei dem Paar. Mittlerweile geht es für sie auch mit nach Heppenheim auf die Kreisverwaltung. Denn hier macht Wendy Upton aktuell eine Ausbildung. Ihr Studium der Politik-Wissenschaften, Soziologie und Medienwissenschaft musste sie kurz vor dem Bachelor abbrechen, weil ihre ausgewählte Universität nicht barrierefrei genug war. Doch darüber sei Upton längst hinweggetröstet, wie sie sagt. Sie wollte es trotzdem schaffen, hat sechs Bewerbungen geschrieben, bekam vier Job-Angebote und punktete mit einer Powerpoint-Präsentation.

„Eine Blinde, die einen visuellen Vortrag hält. Ich konnte das Programm noch nicht einmal als Sehender bedienen“, sagt Vetter. Nicht zuletzt der Unterstützung, die ihm seine Partnerin gegeben hat, möchte er Menschen Mut machen, sich Hilfe zu holen. Vetter ist es aber auch wichtig, aufzuklären. Beispielsweise sei ein Blindenhund bei der Arbeit kein Schmusetier, man solle ihn dann nicht stören. „Ist das Geschirr aber erst einmal aus, dann hat auch Kascha Pause“, sagt Vetter.