Das hat der Wormser Oberbürgermeister in seiner Zeit bei der Polizei erlebt

Adolf Kessel ist seit über 50 Jahren im öffentlichen Dienst – anfangs als Wachtmeister bei der Schutzpolizei, heute als Oberbürgermeister. Im Merkurist-Gespräch verrät er, wie er zur Polizei gekommen ist und was er dort erlebt hat.

Das hat der Wormser Oberbürgermeister in seiner Zeit bei der Polizei erlebt

Adolf Kessel war 15 Jahre alt, als seine Familie im Jahr 1973 von der Wormser Polizei Besuch bekamen. Der Polizist kam wegen seiner Eltern vorbei, die in der Landwirtschaft tätig waren. Der heutige Oberbürgermeister von Worms (CDU) klärt auf: „Damals wurde noch von der Schutzpolizei überprüft, ob die Verkaufswaagen geeicht sind. Der Polizist hat mich darauf angesprochen, was ich denn nach der Schule machen möchte. Da dachte ich ursprünglich noch an Förster oder Elektriker.“

Erste Praxiserfahrungen in Worms gesammelt

Sein Weg führte Kessel dann in die Polizei-Grundausbildung nach Mainz, die er im Januar 1974 begann. Nach der Grundausbildung ging es zur ersten Fachausbildung nach Kaiserslautern. Dort hat Adolf Kessel einen bedeutenden Gerichtsprozess begleiten dürfen: den „Kleinen Baader-Meinhof-Prozess“, bei dem es unter anderem um einen Banküberfall durch die Terrorgruppe RAF ging. Damals wurde ein Polizist erschossen. Kessel wurde eingesetzt, die Wege zum extra für diesen Prozess am Stadtrand provisorisch hergerichteten Prozessgebäude zu überwachen.

Im Januar 1976 kam Kessel dann als Wachtmeister zur damaligen Schutzpolizei Worms, der heutigen Wormser Polizeiinspektion. Dort blieb er 15 Jahre lang und wurde in der Zeit bis zum Polizei-Hauptmeister befördert. Unter anderem wurde Kessel für das Verfolgen von Umweltdelikten fortgebildet, als einer der ersten Polizisten überhaupt in Worms. „Daraus nehme ich bis heute ein starkes Umweltbewusstsein mit“, erzählt er gegenüber Merkurist.

„Man muss sich immer in die Lage des Gegenübers versetzen.“ – Adolf Kessel über den Polizeidienst

Im Wormser Streifendienst konnte der heutige OB seine ersten praktischen Erfahrungen sammeln – ob bei Verkehrskontrollen, Familienstreitigkeiten oder Personensuchen. Dabei traf er nach eigenen Angaben Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen. „Man weiß nie, was einen erwartet, wie einem der Mensch begegnet oder welche Motive er oder sie verfolgt“, so Kessel. Dies sei zugleich das Herausfordernde und Spannende am Polizeidienst. „Man muss sich immer in die Lage des Gegenübers versetzen, sich fragen, warum man so handelt, entsprechend den richtigen Ton finden und entscheiden.“

Es gab in seiner Laufbahn auch Einsätze, bei denen Kessel die Dienstwaffe in der Hand hatte, erzählt der Wormser OB. So habe es einen Einsatz in der Wormser Innenstadt gegeben, bei dem Kessel und seine Kollegen einen Verdächtigen bis zu einem leerstehenden Gebäude in der Cornelius-Heyl-Straße verfolgten. „Dort trafen wir eine Person mit einer erhobenen Latte. Vor Angst sprang sie jedoch aus dem Fenster.“ Der Verdacht habe sich letztlich nicht bewahrheitet, bei der Person habe es sich um einen Wohnungslosen gehandelt. Schießen musste Kessel nach eigenen Angaben aber nie – außer im Training.

In seiner Ausbildung zum Aufstieg in den gehobenen Dienst gab es einen Einsatz im Winter, den Kessel bis heute nicht vergessen hat: Ein Mann wurde im freien Feld tot aufgefunden, nur mit einem Bademantel bekleidet. Er habe nachts eigentlich nur kurz Zigaretten kaufen gehen und anschließend wieder nach Hause kommen wollen. „In der Dunkelheit hat er an einen Weidezaun gefasst, der aber unter Spannung stand.“ Der Mann erlitt einen Stromschlag und erfror daraufhin noch vor Ort in der Winterkälte.

Weiterhin ist Kessel die Heimfahrt von einer Dienstgruppenfeier besonders in Erinnerung geblieben, wie er mit einem Schmunzeln erzählt: „Mir wurde die Aufgabe zugedacht, die Kollegen nach den einzelnen Stopps wieder in den Bus zu bringen, als der Streifendienst so liebenswürdig war, uns mit dem VW-Bulli nach Hause zu fahren.“ Dabei habe er einen Passanten mit einem Kollegen verwechselt. Dieser habe dann aber doch lieber nicht mitfahren wollen.

Wechsel ins Landeskriminalamt

Nach den vielen Diensterlebnissen in und um Worms ging es für Kessel 1990 zur zweiten Fachausbildung an die Polizeifachschule. 1991 bis 1994 folgte das Studium zum Kommissar mit verschiedenen Praktika. Daraufhin wurde der heutige OB nach Mainz in den Lage- und Dauerdienst des Landeskriminalamts (LKA) versetzt. Dort war Kessel 15 Jahre lang nach wie vor im Schichtdienst tätig, aber nicht mehr außerhalb der Wache auf Streife.

Vielmehr arbeitete er nun im Hintergrund, rief etwa Sondereinheiten an, unterstützte und koordinierte. Bei der Arbeit hatte Kessel nun also weniger Kontakt mit den Bürgern als im Streifendienst, doch wurde der Rheindürkheimer 1989 in den Ortsbeirat gewählt.

Was Polizeidienst und Politik eint

Nach dem Einzug in den Stadtrat und der Wahl zum Ortsvorsteher folgte 2009 der überraschende Sprung in die Berufspolitik und daraufhin der Abschied aus dem Polizeidienst: Adolf Kessel übernahm das Wormser Direktmandat im rheinland-pfälzischen Landtag. Am 1. Juli 2019 kam der Wechsel ins Wormser Rathaus. Als OB hat Kessel heute nur noch vereinzelt mit der Polizei zu tun, wie er erklärt, etwa wenn die Polizei im „Ausschuss für kommunale Sicherheit“ zu Gast sei.

Die Polizei habe in seinen 35 Dienstjahren in jedem Fall seine Persönlichkeit geprägt, findet Kessel. „Die hat sich noch im Beruf gebildet, gerade in der Praxis.“ Hinzu komme ein Gespür für Regeln und Gesetz. Auf die Frage, was den Polizeidienst und die Politik eine, sagt der OB: „Der Mensch steht im Mittelpunkt.“ Auch heute noch begegne er häufig Menschen mit ihren Anliegen, zum Beispiel in seinen Bürgersprechstunden. Kessel blickt bisher auf eine schöne und ereignisreiche Zeit, wie er sagt.