Umstrittener Zirkus tritt in Wiesbaden auf

Im Wiesbadener Weihnachtscircus treten Raubtiere auf, die dafür extra von weit her in die Stadt transportiert werden. Während sich die einen auf die Manegennummern freuen, üben Tierschützer heftige Kritik an den Betreibern.

Umstrittener Zirkus tritt in Wiesbaden auf

Es ist bereits das zehnte Mal, dass der „Wiesbadener Weihnachtscircus“ in der Adventszeit nach Biebrich kommt. Er wirbt damit, „Hessens beliebtester Weihnachtscircus“ zu sein, mit „Manegen-Stars“ wie dem französischen Clown Tomito, Hochseilartisten und dem „Todesrad“. Laut Aussagen der Zirkusbetreiber auf Merkurist-Anfrage hin werde in diesem Jahr mit „mehreren Tausend“ Besuchern gerechnet.

Das „Highlight für Tierfreunde“ sei jedoch die Löwengruppe, die der Dompteur Hynek Navratil aus Tschechien einreisen lässt. Außerdem treten Dressurpferde, Hunde und Kamele im Zirkus auf. Fraglich ist jedoch, ob die Tiernummern ausgerechnet für „Tierfreunde“ ein Grund sind, den Zirkus zu besuchen.

Tiere werden nach Wiesbaden transportiert

Dem Deutschen Tierschutzbund ist der Zirkus bekannt. Initiiert und durchgeführt wird er laut der Pressereferentin Nadia Wattad von der Familie Frank, die ansonsten als „Zirkus Alberti“ mit ihren eigenen Tieren auf Tour ist. Der Name „Frank“ taucht auch im Impressum des Zirkus’ auf und wird von der PR-Agentur, die im Namen des Zirkus’ antwortet, gegenüber Merkurist bestätigt. „Die Artisten und Tierdarbietungen des Wiesbadener Weihnachtscircus stammen aus aller Welt“, so Michael Wagner von PR Wagner Medienkommunikation. Der Löwendompteur Hynek Navratil etwa betreibt in Tschechien den „Cirkus Humberto“, erklärt es Tierschutzbund-Sprecherin Wattad. Dieser wiederum wirbt auf seiner Webseite mit seinen Shows aus Zebras, Bären, Löwen und Elefanten.

Auf der Webseite des „Wiesbadener Weihnachtscircus“ heißt es, dass die Tiere „in großflächigen Freigehegen“ gehalten werden und diese „auf die Bedürfnisse der jeweiligen Tierart zugeschnitten werden.“ Nadia Wattad stellt das in Frage. „Die Haltung der Tiere orientiert sich nach unserem Wissen an den üblichen Verhältnissen für Zirkusgastspiele, vornehmlich Stallzelt und begrenzter Auslauf für Pferde, Ponys und Kamele, Käfigwagen mit kleinen Außengehegen für Großkatzen.“

Verstöße gegen Tierschutz?

Die Angaben auf der Webseite würden „nichts über die tatsächlichen Verhältnisse aussagen“. Laut Tierschutzorganisationen wie „Peta“ verstoße die Betreiberfamilie Frank seit Jahren gegen den geltenden Tierschutz. So sei Bär Ben im Jahr 2016 von Tierschützern in einer kleinen Transportbox vorgefunden worden. Die Behörde beschlagnahmte den Bären und übergab das Tier an eine Bärenauffangstation in Bayern. Erst im September und Oktober war der Circus Alberti noch in Wiesbaden-Freudenberg zu Gast. Auch Affen wurden laut dem Tierschutzbund bereits beschlagnahmt.

Löwen, wie sie in diesem Jahr auftreten, seien etwa soziale Tiere, die im Freiland in der Regel im Rudel leben, erklärt Wattad. Ihre Streifgebiete könnten hundert Quadratkilometer betragen. Außerdem seien sie vornehmlich dämmerungs- beziehungsweise nachtaktiv. „Den Großteil des Tages verbringen sie mit Ruhen und Schlafen, die Hauptaktivitätsphase liegt jedoch in der Nacht, also genau zu der Zeit, in der die Tiere im Zirkus aus Sicherheitsgründen auf wenigen Quadratmetern im Käfigwagen untergebracht sind“, so die Tierschützerin.

Unterhaltung für eine artgerechte Haltung?

Zirkussprecher Wagner versichert gegenüber Merkurist: „Die Löwen leben in großflächigen Gehegen auf dem Festplatz Gibber Kerb.“ Dabei könnten sie „zwischen dem Freigehege und dem beheizten Raubtierwagen frei wählen“. Er sagt aber auch: Für die „artgerechte Haltung dieser Raubkatzen“ sei weniger die Größe des Geheges ausschlaggebend. Was zähle, sei „die Unterhaltung, die ihnen darin geboten wird“. So würden etwa Kratzbäume, Spielgegenstände, Holzstämme, Heu und Stroh den Löwen „viel Abwechslung“ bieten. Wie groß das Gehege tatsächlich ist, verrät Wagner jedoch nicht.

Er versichert: „Für die Tierhaltung im Circus existieren in Deutschland Leitlinien, die von einem Expertengremium entwickelt und seither fortlaufend weiterentwickelt werden.“ Ihre Einhaltung werde in jedem Gastspielort kontrolliert. „Keine Form der Tierhaltung in Deutschland unterliegt so häufigen Kontrollen wie die im Circus.“

50 Quadratmeter für fünf Löwen

Diese Zirkusleitlinien sehen jedoch vor: Lediglich 50 Quadratmeter für bis zu fünf Tiere als Außengehege. Dieses müssen die Tiere mindestens vier Stunden lang nutzen können. Hinzu kommen wenige Quadratmeter Käfigwagen. „Das ist absolut unzureichend“, sagt Wattad vom Tierschutzbund.

Im Zirkus seien Gehege damit prinzipiell deutlich kleiner als im Zoo. „Üblicherweise sind die räumlichen Möglichkeiten am Gastspielort begrenzt, außerdem ist es notwendig, ein mobiles und gleichzeitig sicheres Gehege zu errichten.“ Vielfach stünde nicht für jede Großkatze ein eigenes Gehege zur Verfügung. „So verbringen viele Tiere den überwiegenden Teil ihrer Zeit in den Käfigwagen.“

Bereits mehrfach hat der Bundesrat zumindest ein Verbot bestimmter Wildtiere gefordert, umgesetzt wurde es bislang nicht – anders als in den meisten anderen EU-Staaten. „Löwen gehören wie alle anderen Wildtiere nicht in die Zirkusmanege“, so Wattad. „Ein Wildtierverbot ist aufgrund der schwerwiegenden Leiden von Zirkustieren unumgänglich.“