Wenn es dämmert, kommen sie aus ihren Verstecken hervor – aus Baumhöhlen, alten Fuchsbauten oder Schlupfwinkeln in den Gärten. Dann machen sich die Waschbären auf die Suche nach Nahrung. Sie sind Vielfresser, mögen gerne kleine Fische und Frösche, Echsen und Vögel, aber auch Obst und Nüsse.
Ihr natürlicher Lebensraum ist der Wald, doch hier finden sie zu manchen Zeiten nicht genug zu fressen. Also gehen manche von ihnen in die Siedlungen, denn hier ist der Tisch saisonunabhängig reich gedeckt: Essensreste finden die schlauen Tiere dann im Kompost oder in Mülleimern, in den Fressschalen mancher Haustiere oder in Parks und Gärten unter Obstbäumen.
1934 erstmals ausgesetzt
Eigentlich ist der Waschbär in Nordamerika zuhause, doch aus Liebe zum Pelz brachten ihn die Menschen in den 1920/30er Jahren zu uns und steckten ihn in Pelzfarmen. 1934 wollte man in Hessen den Waschbär erstmals ansiedeln und setzte ihn am Edersee aus. Wann genau der erste Waschbär Wiesbaden erreicht habe, könne man leider nicht sagen, so Dr. Nadine Stöveken vom Landesjagdverband Hessen. „Diese Tierart hat außerhalb besiedelter Bereiche eine sehr heimliche Lebensweise und ist meist auch erst dann unterwegs, wenn wir alle schlafen.“
Hessenweit hat sich der Waschbär unterschiedlich weit ausgebreitet. Während es im Süden im letzten Beobachtungszeitraum 2018 und 2019 teilweise nur zwei Exemplare zu sehen gab, waren es im Norden bis zu 3000 in einem Gebiet. Dabei variieren die Zahlen im Lauf der Zeit stark.
Über den aktuellen Bestand in Wiesbaden würden jedoch keine Angaben vorliegen, teilt die Jagdbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden auf Anfrage mit. Es würden jedoch tendenziell immer mehr: 2014/2015 wurden 43 Waschbären gemeldet, 2017/2018 waren es bereits 76. Jedoch sei nicht klar, ob diese Meldungen auch den Gesamtbestand abbilden würden, so Christian Stettler, der Persönliche Referent des Bürgermeisters. Sichtungen gebe es fast im gesamten Stadtgebiet, derzeit vor allem im Südwesten der Stadt.
Bejagt werde der Waschbär aktuell aber in Wiesbaden nicht, lediglich im Wald- und Feldbereich. „Die untere Jagdbehörde wird hier nur beratend tätig“, meldet Stettler. „In den staatlichen Forstrevieren wird der Waschbär nicht bejagt und kann sich hier in den großen Waldgebieten ungestört vermehren und ausgehend von diesen in den Siedlungsräumen ausbreiten“, so Stöveken.
Seitdem wird zwischen Bejagung und Bleiberecht gestritten. Zum einen plädieren viele für eine friedliche Koexistenz, zum anderen können Waschbären negative Auswirkungen auf die heimische Tierwelt haben.
Der Waschbär fühlt sich wohl in der Nähe der Menschen, denn als Allesfresser findet er hier genügend Nahrung und hat kaum natürliche Feinde. „Diese Art ist sehr anpassungsfähig und findet hier gute Lebensbedingungen vor“, so Stöveken. Da Sonnenberg nahe am Wald gelegen sei und es hier zudem viele Hecken und Gärten gebe, seien auch die Bedingungen für den Waschbären optimal: Sie finden Nahrung, Verstecke und Baumhöhlen zur Aufzucht ihrer Jungen. „Haben Waschbären einmal herausgefunden, dass ihnen in der Nähe des Menschen keine große Gefahr droht, sie aber jede Menge Nahrung und Verstecke vorfinden, etablieren sie sich oft in Siedlungsbereichen und können sich teilweise sehr stark vermehren.“
Können Waschbären gefährlich werden?
Waschbären sind Raubtiere, sie haben spitze Zähne und scharfe Krallen. Können sie gefährlich werden, wenn wir ihnen zu nah kommen und sie sich bedroht fühlen? Das fragt sich auch Merkurist-Leser Mathias:
„In Extremfällen können sie auch beißen und Menschen oder Haustieren Verletzungen zuführen“, erklärt Stöveken. Allerdings seien das Einzelfälle, etwa wenn sich die Tiere bedroht fühlen. In der Regel würden Waschbären eher flüchten. Dennoch sollten Waschbären, wie alle Wildtiere, niemals angelockt oder sogar angefasst werden.
Doch sie richten Schäden an: „Nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz stellen sie eine Gefahr für die Biodiversität dar“, sagt Stöveken - vor allem für Bestände bedrohter Amphibien- oder Reptilienarten. „Abgesehen von den Schäden in der heimischen Fauna, entstehen Schäden im Obst- und Gemüseanbau, in Hausgärten, in und an Häusern, insbesondere an Dachstühlen“, ergänzt Stettler von der Stadt Wiesbaden. Da Waschbären Wildtiere sind, sei es Sache des Grundstückeigentümers, die Tiere vom eigenen Gelände fernzuhalten. „Sofern er über die Sach- und Fachkenntnis verfügt“, könne er den Waschbär auch selbst einfangen oder jemanden dafür beauftragen.
Hier noch einige NABU-Tipps, damit Waschbären nicht angelockt werden:
Mülltonnen und Abfälle unzugänglich aufbewahren oder mit starken Spanngummis sichern. Zu Zäunen, Mauern oder Zweigen sollten sie mindestens einen halben Meter Abstand haben.
Gelbe Säcke erst am Morgen der Abholung vor die Tür stellen oder verschließbare Boxen aufbewahren
Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Brot und Obst nicht auf den Kompost werfen
Keine Nahrungsreste in öffentlichen Papierkörben entsorgen
Futter für Haustiere nicht über Nacht im Garten oder auf der Terrasse belassen
Nachts die Katzenklappe verschließen
Bäume und Sträucher, die an oder über das Dach reichen, großzügig zurückschneiden
Mögliche Einstiege konsequent verschließen
Ein starkes Metallgitter auf dem Schornstein anbringen
Glatte Blechmanschetten (1x1 Meter) über den Fallrohren der Regenrinne hindern den Waschbären am Klettern.