„Ausnahmesituation“ auf Wiesbadens Straßen: Wie hat Digi-V den Verkehr verändert?

Innerstädtischen Stau verhindern, das sollen im besten Fall neue digitale Verkehrssysteme wie „Digi-V“ in Wiesbaden. Doch konnte das Projekt die Verkehrssituation in der Stadt wirklich verbessern?

„Ausnahmesituation“ auf Wiesbadens Straßen: Wie hat Digi-V den Verkehr verändert?

Die Luftqualität in der Stadt verbessern und den Verkehrsfluss auf Wiesbadens Straßen optimieren – unter anderem dafür soll das Projekt „DIGI-V“ (Digitalisierung des Verkehrs der Landeshauptstadt Wiesbaden) sorgen. Bei dieser digitalen Verkehrssteuerung handle es sich um ein hochkomplexes System, das sich stetig weiterentwickelt, wie die Stadt Wiesbaden angibt. Mithilfe von beispielsweise Ampelsteuerungsrechnern, Wärmebildkameras, Wetter- und Luftschadstoffsensoren und einem Daten-Analyse-Server sollen dann fortwährend neue Erkenntnisse gewonnen werden, um die Verkehrsmengen optimal steuern zu können. Unter anderem, so die Stadtverwaltung, könne der Zentralrechner sekundengenaue Eingriffe in die aktuellen Ampelsteuerungen vornehmen.

Doch Leser Berol sieht seit Einführung des Systems keine wirkliche Optimierung des Straßenverkehrs in Wiesbaden. „Kein Durchkommen seit Digi-V: Spürbare Verschlechterung für alle Verkehrsbeteiligte“, so seine Meinung. Und auch Leser Frank sieht bisher keine Vorteile: „Seit der Einführung von Digi-V habe ich auf dem 1. Ring so gut wie keine grüne Welle mehr. Fast jede Ampel springt auf rot.“ Und Leser Pepe meint: „Aber am schlimmsten hat es gar nicht die Autos erwischt, sondern die Fußgänger. Wer da nicht bei Rot geht, verliert seit Digi-V echt viel Zeit“. Aber ist die Kritik an Digi-V tatsächlich berechtigt oder wie lassen sich die negativen Erfahrungen erklären?

Stadt vermeldet Erfolg

Auf Anfrage zum Thema erklärt die Stadt Wiesbaden zunächst, dass die Nutzung des „technischen Werkzeugkastens DIGI-V“ bereits Erfolge gebracht habe. So hätten die notwendigen „Umweltspuren“ auf dem ersten Ring realisiert werden können, um das Dieselfahrverbot zu vermeiden. Und trotz „Umweltspur“ könne der motorisierte Individualverkehr „abgewickelt“ werden. „Die Busse auf dem ersten Ring kommen jetzt etwa 30 Prozent schneller voran und der Radverkehrsanteil auf dem ersten Ring hat sich verdoppelt.“ Parallel habe man seit Einführung der „Umweltspur“ in Verbindung mit der digitalen Verkehrssteuerung die NO2-Grenzwerte an den offiziellen Mess-Stationen am ersten Ring und an der Schiersteiner Straße einhalten können.

Doch: „Bedauerlicherweise haben wir seit der Havarie der Salzbachtalbrücke im Juni 2021 jedoch eine verkehrliche Ausnahmesituation: Ein Großteil der rund 80.000 Fahrzeuge, die im Normalfall werktags über die A66 fahren, weichen derzeit auf das städtische Straßennetz aus, das für Verkehrsmengen in dieser Größenordnung schlicht nicht ausgelegt ist.“ Selbst die beste Verkehrssteuerung habe angesichts solcher Verkehrsmengen nur beschränkte Einflussmöglichkeiten, erklärt die Verwaltung die teils schwierige Verkehrssituation in der Stadt.

Wann sich die Verkehrssituation entspannen soll

So seien nach der Havarie der Salzbachtalbrücke Verkehrsführungen und Ampelschaltungen entlang der Ausweichrouten angepasst worden, um der neuen Situation gerecht zu werden. Dies hätte ohne die neuen Steuer-Möglichkeiten deutlich länger gedauert und wäre weniger effizient gewesen, so die Verwaltung. Selbstverständlich habe dies aber Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen im Stadtgebiet. Doch die Stadt macht den Verkehrsteilnehmern in Wiesbaden Hoffnung: „Erst nach Verkehrsfreigabe der sich gerade im Bau befindenden Südbrücke über das Salzbachtal wird sich die Verkehrssituation in Wiesbaden merklich entspannen und normalisieren.“ Die positiven Effekte der digitalen Verkehrssteuerung würden folglich erst dann für die Verkehrsteilnehmer spürbar sein.

Positiv sei aber bereits jetzt schon, dass im Jahr 2022 ein Rückgang der gesundheitsschädlichen NO2-Konzentration in der Luft festgestellt werden konnte. „Einer der vielen Gründe für diesen Rückgang sind die neuen, durch Digi-V flexibel steuerbaren Pförtnerampeln, die an den Stadteingängen den Verkehrszufluss dahingehend dosieren, dass das nachfolgende Straßennetz nicht überlastet wird“, so die Stadtverwaltung. Ob dann in Zukunft auch der Verkehr wieder besser fließen, wird sich dann sicherlich nach der vollständigen Inbetriebnahme der neuen Salzbachtalbrücke zeigen.

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