„Wiesbaden, eine schöne Stadt mit hässlichen Flecken“ – so sieht zumindest Leser Herbert als Einwohner seine Stadt. Was er damit genau meint, beschreibt er so: „Insbesondere in der Fußgängerzone werden die historischen Gebäude im Erdgeschoss durch Läden geprägt, die keinerlei Rücksicht auf das Gesamtbild des Hauses nehmen.“
„Unverwechselbares Stadtbild“ als Ziel
Wie Herbert schreibt, seien die Wiesbadener diesen Anblick gewohnt. Auswärtige würden dies jedoch als „optisches Durcheinander“ empfinden. Alleine die Idee, man könnte bei der Gestaltung seines Geschäftes einen Bezug zu der darüber liegenden Fassade herstellen, sei für viele völlig fremd. „Weder Denkmalschutz noch Stadtplanung sehen hier Anlass zur Beanstandung. Eine Gestaltungssatzung wie in anderen Städten gibt es nicht“, so Herbert. Doch stimmt das?
Die Stadt Wiesbaden jedenfalls wirkt laut ihrem Ratgeber zur Fassadengestaltung auf eine hohe „Gestaltqualität“ der Hausfassaden und damit auf ein geschlossenes, unverwechselbares Stadtbild hin. Dennoch gibt die Verwaltung auch zu, dass in den letzten Jahrzehnten bei der Gestaltung der Ladenzone das Gebäude als Ganzes aus dem Blick geraten sei. Das führe teilweise zu einer unbefriedigenden Gesamtwirkung, die nicht im Einklang mit der historischen Bausubstanz stehe, wie es in dem Ratgeber heißt. Gemeint seien konkret überproportionierte Schaufensterformate, ausladende Vordächer und Markisen sowie überdimensionierte Werbung.
Auf Anfrage von Merkurist zu dem Thema weist die Verwaltung jedoch darauf hin, dass in Wiesbaden seit Ende der 1970er-Jahre eine sogenannte Gestaltungssatzung existiere, die unter anderem „die äußere Gestaltung baulicher Anlagen“ beinhaltet. Die Satzung wurde zwischenzeitlich neu gefasst mit Bekanntmachung im Jahr 2013. Grundsätzlich seien bei der Gestaltung der Fassaden oftmals auch denkmalschutzrechtliche Regelungen zu beachten. „So bedürfen bauliche Maßnahmen an Ladengeschäften und -lokalen im Wiesbadener Stadtgebiet, die Kulturdenkmal oder Teil eines Kulturdenkmals im Sinne des Hessischen Denkmalschutzgesetzes sind, grundsätzlich der Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde“, so die Verwaltung. Die Behörde würde dann auch die bauliche Umsetzung begleiten.
Die Stadt Wiesbaden hat jedenfalls den Wunsch, wie sie es in ihrem Fassaden-Ratgeber hinterlegt, dass die Bevölkerung und insbesondere die Eigentümer, Mieter und Geschäftsleute angeregt werden, „an der Gestaltung des Stadtraumes mitzuwirken und das städtebauliche Erbe stärker in ihre Gestaltungsabsichten einzubeziehen“. Inwieweit dies dann gelingt, darüber lässt sich wieder diskutieren.