Wiesbadens benachteiligte Stadtteile: Das ist geplant

Die Stadt Wiesbaden will Stadtteile „mit hohen sozialen Bedarfslagen“ besser unterstützen. Welche Quartiere betroffen sind und was nun getan werden soll.

Wiesbadens benachteiligte Stadtteile: Das ist geplant

„Ungleiches ungleich behandeln“: Nach diesem Motto will die Stadt benachteiligte Stadtteile zukünftig gezielter unterstützen. Ein entsprechendes Konzept hat die Stadt Wiesbaden im Juni vorgestellt, der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung folgte nun im Juli.

Man wolle „passgenaue Angebote für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen in den Stadtteilen schaffen“, erklärte Sozialdezernentin Patricia Becher (SPD) bei der Vorstellung des sogenannten Teilhabestandards am 18. Juni. Es müsse also für jeden Problemstadtteil individuell bestimmt werden, wie die Lebensbedingungen dort verbessert werden könnten.

Das sind Wiesbadens benachteiligte Stadtteile

Welche Stadtteile eine hohe Bedarfslage haben, wurde anhand der Sozialraumanalyse 2019 festgestellt. 28 Indikatoren aus den Bereichen materielle Lage, soziale Lebensformen und gesellschaftliche Beteiligung wurden dabei ausgewertet. Heraus kam dabei, dass vor allem folgende 14 Wiesbadener Quartiere hohe Bedarfe haben. Hier sind sie aufgelistet, angefangen beim höchsten Bedarf:

  1. Inneres Westend

  2. Schelmengraben

  3. Zentrum

  4. Bergkirchenviertel

  5. Erbenheim-Hochfeld

  6. Dostojewski- und Waldstraße

  7. Biebrich-alt, Gibb und Kalle

  8. Gräselberg

  9. Amöneburg

  10. Hollerborn, Daimlerstraße

  11. Klarenthal

  12. Neubaugebiete in Kastel und Kostheim

  13. Sauerland und Belzbachtal

  14. Parkfeld und Rosenfeld

Demnach leben etwa 31,9 % der Wiesbadener Bevölkerung in Stadtteilen mit hoher sozialer Bedarfslage, das entspricht 95.098 Personen. Laut Andrea Dingeldein, Sozialplanerin im Wiesbadener Sozialamt, sei der Bedarf seit 2019 sehr ähnlich geblieben.

Passgenaue Maßnahmen aus fünf Handlungsfeldern

Dass man erst knapp fünf Jahre nach der Sozialraumanalyse und dem Beschluss, einen Standard zu entwickeln, soweit sei, führte Dingeldein unter anderem auf die Corona-Pandemie zurück. Zudem seien diverse „zeitintensive Abstimmungsprozesse“ nötig gewesen. Insgesamt arbeiteten 47 Organisationen gemeinsam daran. Jetzt aber ist der Teilhabestandard fertig, mit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 11. Juli sollen die Maßnahmen nun sukzessive angegangen werden.

Konkret handelt es sich dabei um Maßnahmen für fünf Handlungsfelder. Diese hat die Wiesbadener Sozialverwaltung zusammen mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege und der sozialen Arbeit in der Stadt beschlossen:

  1. Gemeinwesenarbeit, Arbeit mit Familien: Vernetzte und niedrigschwellige soziale Arbeit / Beratungsangebote im Stadtteil, intensive Beteiligung und Aktivierung der Bewohnenden

  2. Kinder unter sechs Jahren und ihre Familien: Frühkindliche Förderung, Unterstützung der Eltern

  3. Kinder im Grundschulalter: Bildungs- und Freizeitangebote zur Unterstützung der schulischen und sozialen Entwicklung

  4. Jugendliche: Freizeit- und Bildungsangebote sowie berufsvorbereitende Maßnahmen

  5. Ältere Menschen: Angebote zur Förderung der sozialen Teilhabe und Unterstützung im Alltag

Die einzelnen Maßnahmen sind dann konkret für den Bereich „Gemeinwesen“ etwa die Einrichtung von Stadtteilbüros und niedrigschwelligen Kreativangeboten, für den Bereich „Kinder unter sechs“ etwa Sprechcafés in Stadtteilen mit hohem Geflüchtetenanteil und so fort.

Zu welchem Handlungsfeld im jeweiligen benachteiligten Quartier Maßnahmen ergriffen werden, hängt davon ab, was in dem Problemstadtteil gebraucht wird. Die Maßnahmen sollen in jedem Fall dazu beitragen, „dass die benachteiligten Quartiere nicht zu benachteiligenden werden“, hieß es bei der Vorstellung des Teilhabestandards. Darum gehen die Angebote über die sozialen Maßnahmen hinaus, die allen Wiesbadenern bereits gemacht werden.

Indirekte Bürgerbeteiligung

Die Merkurist-Frage, ob es denn Bürgerbeteiligungen gegeben habe, um die Bedarfe in den jeweiligen Stadtteilen zu ermitteln, verneinte Sozialamtsleiterin Daniela Leß (SPD). Man habe darüber nachgedacht, sich aber letztlich dagegen entschieden, weil man befürchtet habe, dass dann gerade jene Menschen nicht zu Wort kämen, die es am dringendsten bräuchten. Es sei schwierig, Fachdiskussionen mit Menschen ohne fachlichen Hintergrund zu führen.

Allerdings sei man froh, über die unterstützenden Organisationen aus sozialer Arbeit und freier Wohlfahrtspflege Bürgernähe geschaffen zu haben. So waren unter vielen anderen etwa der Stadtelternbeirat und der Seniorenbeirat, der städtische Jugendhilfeausschuss, das Kinder- und Beratungszentrum Sauerland, die AWO Wiesbaden und die Arbeitsgemeinschaft Schelmengraben beteiligt.

Vertreten wurden diese Mitbegründer des Teilhabestandards bei der Vorstellung von Bastian Hans, Vorsitzender der Wiesbadener LIGA der Freien Wohlfahrtsverbände und Geschäftsführer der AWO Wiesbaden. Er sagte zu dem Maßnahmenkatalog: „Durch die gezielte Förderung können wir die Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen nachhaltig und zielorientiert verbessern und die soziale Gerechtigkeit in unserer Stadt voranbringen.“