Der Kanzler in Wiesbaden: Olaf Scholz machte am Samstagnachmittag Halt im Rhein-Main-Congress-Center. Der Spirit auf der Wahlkampfveranstaltung mit rund 1200 Gästen war eindeutig: Scholz will wieder die Kanzlerschaft holen und setzt dabei speziell auf die Unterstützung seiner Parteifreunde. Unter anderem waren anwesend: der Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende, die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, die Ministerpräsidenten Anke Rehlinger und Alexander Schweitzer und der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori.
Harte Kritik an Friedrich Merz
Vor allem möchte sich die SPD von der Union abgrenzen. Die Sozialdemokraten griffen deswegen, wenig verwunderlich, den CDU-Chef und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz besonders an. „Für uns kann Friedrich Merz ohne einen Tag Regierungsverantwortung bleiben. Er will mit Xi Jinping und Trump auf Augenhöhe sein, hat aber Söder nicht im Griff“, fand Saskia Esken. Dass Merz seine Vorschläge auch mit Stimmen der AfD durchsetzen wolle, kritisierte Esken: „Die Brandmauer besteht für Merz nur aus Papier und brennt lichterloh.“
Lars Klingbeil wollte in einer Podiumsrunde mit Rehlinger, Schweitzer und Mansoori stattdessen zeigen, dass sich die SPD täglich für die deutsche Industrie und den Mittelstand einsetzen würde. „Wir wollen, dass Tech-Milliardäre aus den USA hier nicht das Sagen haben, wir wollen ,Made in Germany‘ stark machen.“ Deutschland müsse dabei wieder wettbewerbsfähig werden. Auch glaube man – im Gegensatz zu Merz – an die Transformation der deutschen Industrie.
Scholz glaubt Merz nicht mehr
Im Anschluss der Podiumsrunde kam die Zeit für Olaf Scholz, der mit stehendem Applaus empfangen wurde. Er forderte Merz bezüglich der Asylpolitik auf, „zu handeln und keine Sprüche zu klopfen“. So könnten mit den Ländern besprochene Gesetze noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden, um die irreguläre Migration einzugrenzen. Das Grundrecht auf Asyl dürfe aber nicht eingeschränkt werden, das sei sonst verfassungswidrig.
Merz’ Bereitschaft, mit Stimmen der AfD Gesetze zu verabschieden, kritisierte auch Scholz: „Wir waren in Deutschland einig und müssen einig bleiben: Es darf keine Zusammenarbeit mit extrem rechten Parteien geben. Ich habe Merz geglaubt, als er gesagt hat, nicht mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen. Ich weiß nicht mehr, was ich Merz noch glauben kann.“
Steuerentlastungen und Rentengarantie
Der Kanzler erneuerte sein Versprechen, für stabile Renten zu sorgen. Wenn die Löhne stärker steigen als die Renten, würde das laut Scholz de facto eine Rentenkürzung bedeuteten. Er stehe für eine Garantie des Rentenniveaus, die er gerne verlängern würde. Angesichts der Herausforderungen, sei es wichtig, die „innere, äußere und soziale Sicherheit“ nicht gegeneinander auszuspielen und die Gesellschaft zusammenzuhalten.
Scholz wolle die breite Mitte der Gesellschaft entlasten und die 1 Prozent der höchsten Einkommen stärker beteiligen. Um Anreize für Investitionen in Deutschland zu schaffen, schlägt er einen „Made in Germany“-Bonus vor. Bei den Erneuerbaren Energien sollen die Ausbauziele weiter eingehalten werden.
In der Außenpolitik nannte der Kanzler Besonnenheit als Handlungsprinzip. Beim Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine müsse man nach klaren Prinzipien handeln, eine Eskalation vermeiden und einen Diktatfrieden über die Köpfe der Ukraine hinweg verhindern.
Leute des Saales verwiesen
Auf den Sitzen lagen A3-große Kacheln mit Slogans wie „Olaf statt Merz“, „Arbeitsplätze schützen“ oder „Wachstum für alle“, die dann manche der Anwesenden während der Rede von Olaf Scholz hochhielten. Einer Frau schien das Thema Klimaschutz besonders wichtig: Sie rief mehrmals ihre Kritik laut in Richtung Bühne. Außerdem kam es zu zwei weiteren Zwischenrufen zu Palästina und der Frage um Krieg und Frieden. Da die Personen mit dem Zwischenrufen nicht aufhörten, wurden sie rasch aus dem Saal geführt. Scholz redete in allen Fällen ungehindert weiter.