Verkehrswende in Wiesbaden gescheitert? Kowol weist Vorwürfe zurück

Ausfälle, Einsparungen: Der öffentliche Verkehr in Wiesbaden steht immer wieder in der Kritik. Die bis 2030 angestrebte ÖPNV-Neuausrichtung hält ein FAZ-Autor schon jetzt für gescheitert. Verkehrsdezernent Kowol verteidigt das Vorhaben.

Verkehrswende in Wiesbaden gescheitert? Kowol weist Vorwürfe zurück

„Der ÖPNV in Wiesbaden ist ein Feld gebrochener Versprechen“: Zu diesem Schluss kommt ein FAZ-Redakteur in seinem Kommentar vom 20. Mai. Das städtische Unternehmen ESWE Verkehr sei „krisengeschüttelt“, der CO2-neutrale Busverkehr ein „Luftschloss“, der neue Nahverkehrsplan für den ÖPNV und die angestrebte Verkehrswende schon jetzt gescheitert. Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) sieht das anders.

Anlass des FAZ-Artikels sind neue Ergebnisse im Projekt Nahverkehrsplan: Vor zwei Jahren kündigte die Stadt an, den Busverkehr komplett neu zu gestalten, um das Angebot zu verbessern, mehr Menschen vom ÖPNV zu überzeugen und somit letztendlich die Verkehrswende voranzutreiben. Nun stellte das Planungsbüro dem Mobilitätsausschuss der Stadt Wiesbaden das Zielnetz vor, das bis 2030 im ÖPNV umgesetzt werden soll. Gleichzeitig wurde auch ein Basisnetz präsentiert, also eine abgespeckte Variante des Zielnetzes.

Lieber „kleinere Brötchen backen“

„Ein großer Wurf sieht anders aus“, findet der FAZ-Autor. „Das Basisnetz wird zwar als Vorstufe bezeichnet, doch dass Wiesbaden jemals die wünschenswerte Endstufe erreichen wird, erscheint zweifelhaft.“ Zu groß seien die Verluste im Verkehrsunternehmen, zu viele Projekte seien in der Vergangenheit schon gescheitert. Grundsätzlich entferne sich Wiesbaden immer weiter von dem Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden. Anstatt Versprechen zu geben, die nicht zu finanzieren seien und am Ende gebrochen werden müssen, solle die Stadt lieber „kleinere Brötchen backen“.

Auf Merkurist-Anfrage äußert sich nun Verkehrsdezernent Kowol zu den Vorwürfen. „In dem Kommentar werden einige Tatsachen verdreht und andere Sachverhalte gänzlich ignoriert, was meiner Meinung nach wenig auf eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Thematik hinweist“, kritisiert er.

Das sagt der Verkehrsdezernent

Zwar räumt Kowol ein, dass die finanzielle Lage der Stadt Wiesbaden es noch nicht erlaube, das Zielnetz vollständig umzusetzen – was dem Projektteam auch bewusst sei. „Das Postulat, dass deswegen nun die Ziele des neuen Nahverkehrsplans überworfen und zurückgenommen worden sein sollen, entspricht hingegen keinesfalls den Tatsachen.“

Von Anfang an sei der Plan gewesen, den neuen Nahverkehrsplan nur schrittweise umzusetzen. Dafür habe das Projektteam ein Umsetzungskonzept erstellt, das sowohl die finanzielle Lage als auch die Infrastruktur und die Personalsituation berücksichtige. So könne das Zielnetz erst dann umgesetzt werden, wenn es genügend Fahrpersonal, zusätzliche Mini- und Doppelgelenkbusse sowie einen zweiten Betriebshof für die Wiesbadener Busse gebe. Denn der bestehende Betriebshof sei schon jetzt nicht mehr ausreichend.

Basisnetz schon jetzt Verbesserung

Da es eine Weile dauern werde, bis diese Bedingungen erfüllt sind, soll zuerst das Basisnetz umgesetzt werden. Dieses sei direkt aus dem Zielnetz abgeleitet und greife bereits zentrale Elemente daraus auf, wie Metro- und Sprinterbuslinien sowie mehr tangentiale Verbindungen. Außerdem stelle bereits das Basisnetz eine Verbesserung zum jetzigen Fahrplan dar und biete schnellere Verbindungen. Sobald das Basisnetz eingeführt sei, solle es schrittweise mit weiteren Maßnahmen aufgestockt werden – „entsprechend der jeweils gegebenen infrastrukturellen, personellen und finanziellen Voraussetzungen“, so Kowol.

„Mitnichten kann also festgehalten werden, dass wir mit dem neuen Nahverkehrsplan das Ziel einer Klimaneutralität aus dem Blick verloren haben“, meint der Verkehrsdezernent abschließend. „Vielmehr ist der neue Nahverkehrsplan gerade inklusive seiner ersten Umsetzungsstufe, dem Basisnetz, für uns weiterhin ein elementarer, grundlegender Baustein, um die Klimaneutralität in der Stadt zu erreichen.“