Wölfe im Rheingau: Wie nah können sie uns kommen?

Im Rheingau, ganz in der Nähe von Oestrich-Winkel, wohnt ein Wolfspaar. Seit Jahren kommen immer mehr Tiere zurück nach Deutschland. Werden sich künftig noch mehr Wölfe in der Gegend ansiedeln?

Wölfe im Rheingau: Wie nah können sie uns kommen?

Das erste hessische Wolfspaar ist in der Nähe von Wiesbaden aufgetaucht, bei Oestrich-Winkel im Rheingau. Das meldete kürzlich das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Bisher galt nur ein weibliches Tier als sesshaft, nun wurde mittels DNA-Spuren auch ein männlicher Wolf wiederholt nachgewiesen. Ob das Paar auch Nachwuchs hat, ist noch nicht bekannt.

„Wir stehen der Meldung über das erste nachgewiesene Wolfspaar im Rheingau positiv gegenüber“, teilt Markus Stifter, Pressesprecher des Landesjagdverbands Hessen (LJV), auf Merkurist-Anfrage mit.

Die Tiere können bis zu 1000 Kilometer zurücklegen und überqueren sogar größere Flüsse und Autobahnen. Ist es also auch möglich, dass sich noch mehr Wölfe in der Gegend ansiedeln? Seit vielen Jahren beobachtet der LJV das Monitoring großer Beutegreifer. 2020 lagen für ganz Hessen 59 Wolfsnachweise vor, für dieses Jahr sind es bereits 56. Im Zeitraum von 2008 bis 2019 waren es noch 48 Wolfsnachweise. „Es ist ein eindeutiger Trend zu erkennen, dass die Wolfsbestände zunehmen werden“, so Stifter. Der letzte Wolfsfund in Wiesbaden war im Februar 2020. Damals wurde eine Wölfin in der Nähe des Ostbahnhofs von einem Zug überfahren und getötet. Sie stammte wohl aus Sachsen-Anhalt und war auf der Suche nach einem neuen Territorium.

Sind Wolfsansiedlungen gute Nachrichten?

Auch beim NABU Rheinland-Pfalz ist zu erfahren: „Der Wolf kehrt aufgrund seiner starken Ausbreitungs- und Anpassungsfähigkeit von ganz alleine zu uns zurück und nimmt seinen natürlichen Platz im Ökosystem ein“, sagt Ann-Sybil Kuckuk, Wolfsexpertin und NABU-Naturschutzreferentin. „Das Wichtigste ist, dass wir wieder lernen müssen, mit der Anwesenheit dieses Wildtieres angemessen umzugehen, so wie es in anderen europäischen Ländern der Fall ist, in denen der Wolf nie weg war“, so Kuckuk.

Und wenn der Wolf doch einmal gefährlich wird, wenn er zum Beispiel Nutztiere angreift? „Der Wolf ist in der Regel scheu und meidet direkte Konfrontationen mit Menschen. Dennoch zieht es einige wenige neugierige Wölfe in die Nähe des Menschen“, sagt Markus Stifter vom Landesjagdverband Hessen. Mit den höheren Wolfsbeständen gingen auch Nutztierrisse einher. „Es sollte jedem bewusst sein, dass es sich bei dem Wolf um ein Raubtier handelt.“

Das Hessische Umweltministerium stelle daher Fördermittel für Herdenschutzmaßnahmen zur Verfügung, die seien aber oft so gering, dass sie noch nicht einmal die Materialkosten für die Schutzzäune decken, kritisiert Stifter. Der Landesjagdverband in Hessen unterstütze Bevölkerung, Weide- und Pferdetierhalter mit anerkannten ehrenamtlichen Wolfsberatern. Darunter zählen etwa die Sicherung von Probenmaterial und für Weidehalter die Möglichkeit, bei den zuständigen Behörden Schadensersatz und Fördermittel zur Wolfsprävention zu beziehen. „Nun gilt es zu beobachten, wie sich die Anwesenheit des Wolfspaares auf Nutz- und Wildtiere auswirkt“, so Stifter.

Politik und Verbände müssten besser zusammenarbeiten

Um die Akzeptanz des Wolfes bei allen Beteiligten zu erhöhen, brauche es eine deutlich verbesserte Zusammenarbeit zwischen Politik, Landwirten, Jägern und Naturschutzverbänden: „Werden Betroffene nicht angehört, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, wird die Akzeptanz gegenüber Wölfen, in den nächsten Jahren massiv sinken.“

Auch die Naturschützerin Kuckuk fordert, die Beratung für Tierhalter auszubauen. „Für den NABU ist klar: Die Sicherheit des Menschen steht an erster Stelle, sodass im Notfall auch der Abschuss eines besonders verhaltensauffälligen Wolfes gerechtfertigt ist.“ Dies gelte etwa auch dann, wenn der Wolf mehrfach Nutztierherden angreife. „Unsere Studie hilft jedoch, das tatsächliche Risiko sachlich einschätzen zu können, Ursachen zu identifizieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen.“