Um gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen vorzugehen, haben Ermittler des hessischen Landeskriminalamts (HLKA) in der vergangenen Woche wieder zahlreiche Wohnungen in Wiesbaden und Hessen durchsucht. Dabei haben sie unter anderem eine Kindersexpuppe gefunden. In einem anderen Fall wurde womöglich ein Kind vergewaltigt.
Hessenweit untersuchte die FOKUS-Einheit des HLKA 71 Wohnungen, Häuser und andere Räume. Bei den insgesamt 69 Beschuldigten handelt es sich um Jugendliche und Männer im Alter von 14 bis 65 Jahren. Gegen acht der Beschuldigten ermittelt die Polizei wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Jugendlichen. 60 weitere stehen unter Verdacht, Kinder- oder Jugendpornografie gekauft, besessen oder verbreitet zu haben. Bei einem Beschuldigten wurde wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung durchsucht.
Ein Beschuldigter bereits in Haft
Bei den Durchsuchungen fanden die Ermittler eine Kindersexpuppe. Außerdem stellte das HLKA insgesamt 524 Datenträger sicher, darunter zahlreiche Smartphones, Computer und USB-Sticks. Diese werden nun ausgewertet, um die Vorwürfe gegen die Beschuldigten zu bestätigen oder zu entkräften. Gegen einen der Beschuldigten wurde bereits ein Haftbefehl erlassen. Ein weiterer Beschuldigter hat laut Polizei gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen.
Außer in Wiesbaden führte das HLKA Einsätze in Darmstadt, Frankfurt am Main, Gießen, Hanau und Kassel sowie in den Landkreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Hersfeld-Rotenburg, Hochtaunus, Kassel, Lahn-Dill, Main-Kinzig, Marburg-Biedenkopf, Rheingau-Taunus, Schwalm-Eder, Odenwald, Offenbach, Vogelsberg, Waldeck-Frankenberg und Wetterau durch. Nach jetzigem Stand der Ermittlungen standen die Beschuldigten untereinander nicht im Austausch.
Immer mehr Fälle von Kinderpornografie
Laut HLKA steigen die Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche seit Jahren an. Insbesondere im Bereich der Kinderpornografie ist dieser Anstieg deutlich zu sehen: 2023 verzeichnete die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) fast 4000 Fälle von Verbreitung, Erwerb, Besitz oder Herstellung von Kinderpornografie in Hessen. Im Vorjahr waren es noch rund 600 Fälle weniger. Auch bei Jugendpornografie sind die Fälle im Vergleich zum Vorjahr um etwa 300 gestiegen, insgesamt wurden 2023 somit 825 Fälle verzeichnet.
Grund für diesen starken Anstieg sei mitunter ein Gesetz, das US-amerikanische Internetanbieter dazu verpflichtet, strafbares Nutzerverhalten an die zuständigen Behörden der jeweiligen Länder zu melden. Beim HLKA wurde speziell für diese Meldungen eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet. Diese kontrolliert, ob Hinweise vorliegen, dass ein Kind akut missbrauchsgefährdet ist – in diesem Fall werde sofort eingegriffen. Außerdem versuchen die Ermittlungsteams, die Tatverdächtigen zu identifizieren.
Auch bei den Zahlen des sexuellen Missbrauchs zeigt die Kriminalstatistik Unterschiede zwischen den Jahren 2022 und 2023. Die Fälle von Kindesmissbrauch in Hessen sind leicht gefallen von 1039 auf 1015. Die Fälle, in denen Jugendliche sexuell missbraucht wurden, sind hingegen von 80 auf 93 gestiegen.
Was ist die FOKUS?
Im Oktober 2020 hat die hessische Polizei die FOKUS gegründet: die Fallübergreifende Organisationsstruktur gegen Kinderpornografie Und Sexuellen Missbrauch von Kindern. Zunächst war die Gruppe nur eine Besondere Aufbauorganisation (BAO), seit Februar 2024 ist sie fester Bestandteil des HLKA. Ziel der FOKUS ist, gezielter gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Hessen vorzugehen. Etwa 275 Mitarbeiter sind Teil der FOKUS, darunter 150 Ermittler. Bei allen hessischen Staatsanwaltschaften sind Sonderdezernate eingerichtet.
Außerdem wurde ein hessenweites Beratungstelefon eingerichtet: Unter der Telefonnummer 0800 - 55 222 00 bietet die Polizei Aufklärung über die Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie.