Wer in Wiesbaden schlecht schläft, weil es nachts in der Stadt zu laut ist, leidet nicht unter Überempfindlichkeit: Wie das Ergebnis einer großen Studie der Zeitung „Die Zeit“ zeigt, sind die Wiesbadener in der Nacht vergleichsweise hoher Lärmbelastung ausgesetzt. Im bundesweiten Vergleich zählt die Stadt nachts sogar zu den zehn lautesten.
55 dicht besiedelte Städte aus ganz Deutschland hat „Die Zeit“ in ihre Erhebung einbezogen. Dazu wurden die Lautstärkedaten von Hauptverkehrsstraßen, Bahnstraßen und Einflugschneisen mit Einwohnerdaten verknüpft. Ziel war herauszufinden, wie viele Menschen in den 55 Städten jeweils „hochbelastet“ von Straßen-, Schienen- und Flugverkehrslärm sind. Als „hochbelastet“ gilt, wer tagsüber einem Lärmpegel von 55 Dezibel oder mehr ausgesetzt ist, nachts sind es 50 Dezibel oder mehr. Mit den Ergebnissen hat das Blatt Ranglisten für die verschiedenen Lärmbelastungsarten je Tageszeit aufgestellt. Sie zeigen jeweils, in welchen Städten die Bevölkerung, gemessen an der Einwohnerzahl, am stärksten von Lärm betroffen ist.
So laut ist Wiesbaden im Vergleich
Von den gemessenen Lärmarten belastet der Straßenverkehrslärm die Wiesbadener am meisten. Tagsüber landet die Stadt dabei mit einem Betroffenenanteil von 8,9 Prozent im bundesweiten Vergleich auf Platz 17. 25,2 Tausend Personen sind dann hochbelastet. In der Nacht jedoch klettert Wiesbaden in die Top 10 der lautesten Städte: 1,3 Prozent der Einwohner sind dann von starker Lärmbelastung betroffen, das sind 3,7 Tausend Personen.
Beim Schienenverkehrslärm hingegen steht Wiesbaden gut da: Tagsüber sind nur 0,7 Prozent der Bevölkerung stark davon belastet (1,9 Tausend Betroffene), das ergibt Platz 44. Nachts schneidet die Stadt im Vergleich etwas schlechter ab: Sie belegt mit 380 Betroffenen (0,1 Prozent) Platz 36.
Im Fluglärm-Ranking kommt Wiesbaden nicht vor.
Mediziner hält Lärmproblem für „enorm“
Insgesamt zeigt die Studie, dass Autos und Lkw in Deutschland Hauptverursacher von gesundheitsschädlichem Lärm sind. Oft seien außerdem arme Menschen besonders stark von Lärmbelastung betroffen, weil die Miete an lauten Orten oft günstiger sei. Zudem könnten einkommensschwächere Menschen oftmals nicht für zusätzliche Lärmschutzmöglichkeiten aufkommen, etwa Schallschutzfenster.
Konkret steigt bei Menschen, die stark von Lärmbelastung betroffen sind, das Risiko für Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung, Herzschwäche, Herzinfarkt und Schlaganfall, so der Kardiologe Thomas Münzel im „Die Zeit“-Interview. Auch werde bei Messungen deutlich, dass die Gebiete, die im Gehirn für Furcht, Stress und Ärger zuständig sind, bei lärmbelasteten Menschen deutlich aktiver seien. Münzel beurteilt das Lärmproblem in Deutschland als „enorm“. Gemessen daran, wie viele Menschen betroffen seien, sei der Straßenverkehrslärm am schlimmsten, isoliert betrachtet der Fluglärm, lautet seine Einschätzung.
Nächtlichen Lärm beurteilt Münzel als „besonders schlimm“. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Betroffene Schlafstörungen entwickeln und vermehrt Stresshormone ausschütten würden. „Und nach nur einer Nacht konnten wir bei den Studierenden, die an der Untersuchung teilgenommen hatten, tatsächlich Gefäßfunktionsstörungen nachweisen“, so der Kardiologe.