Es gebe keine jungen Menschen in Wiesbaden, die Stadt sei teuer und langweilig. Das ist nicht nur die Wahrnehmung einiger Merkurist-Leser, sondern auch ein hartnäckiges Klischee, das viele verinnerlicht haben. Aber stimmt das tatsächlich? Stirbt Wiesbaden aus?
Bevölkerung wird älter
Fakt ist zunächst: Die Bevölkerung altert. Die Menschen werden tendenziell immer älter und bekommen weniger Kinder. Von diesem sogenannten demografischen Wandel ist nicht nur Wiesbaden betroffen, sondern ganz Deutschland – genauso wie viele andere europäische Länder. Auch die Zuwanderung von jungen Menschen und Familien aus anderen Ländern gleicht diese Entwicklung nicht vollständig aus.
Dennoch wächst die Bevölkerung in Deutschland wie auch in Wiesbaden immer mehr. Auch das hängt nicht nur mit Zuwanderung, sondern mit einer längeren Lebenserwartung zusammen. 1997 haben laut Einwohnerregister knapp 270.000 Menschen in Wiesbaden gewohnt, 2023 sind es schon fast 300.000. Etwa 20 Prozent davon sind 65 oder älter. 1997 machte diese Altersgruppe noch einen kleineren Anteil von knapp 18 Prozent aus.
Immer mehr junge Leute
Entgegen des Klischees sind Wiesbadener damit aber nicht älter als der Durchschnitt – oder besser gesagt, nicht mehr. Denn 1997 waren Wiesbadener tatsächlich noch älter als der Bundesdurchschnitt. Mit 18 Prozent lag der Anteil der Menschen ab 65 Jahren in Wiesbaden nämlich ganze zwei Prozentpunkte über dem von Deutschland insgesamt.
Heute sieht es anders aus: 2023 leben in Wiesbaden nicht nur weniger alte Menschen, sondern auch mehr junge Menschen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Während der Anteil der Menschen ab 65 in Deutschland auf über 22 Prozent gewachsen ist, sind es in Wiesbaden aktuell zwei Prozentpunkte weniger. 15- bis 35-Jährige machen in Deutschland heute knapp 23 Prozent der Bevölkerung aus, während es 1997 noch fast 28 Prozent waren. Waren es in Wiesbaden 1997 ebenfalls etwa 28 Prozent, so sind 2023 immerhin noch 25 Prozent der Wiesbadener zwischen 15 bis 35 Jahre alt.
Wiesbaden – junge Stadt mit altem Image
Im Vergleich zu Deutschland leben in Wiesbaden tatsächlich also mehr junge und weniger alte Leute – ganz im Gegenteil zum weitverbreiteten Klischee. Zwar stimmte es noch 1997, dass Wiesbaden eine auffällig alte Stadt ist. Diese Zeiten scheinen mittlerweile aber vorbei zu sein. Ob das Freizeitangebot in der Stadt gemeinsam mit den Bewohnern jünger geworden ist, darüber lässt sich allerdings streiten. Einige Merkurist-Leser zumindest sind der Meinung, dass viele Geschäfte, Bars, Clubs und Restaurants zu teuer seien und die Stadt insgesamt zu eintönig. Andere verweisen auf den Schlachthof, den auch die Stadt Wiesbaden als wichtigen Freizeitort für Jugendliche sieht.
Die Stadtverwaltung selbst wolle noch mehr junge Menschen in die Stadt ziehen. „Gemeinsam mit den Hochschulen gestaltet die Stadt den Hochschulstandort attraktiv, um junge Menschen nach Wiesbaden zu holen“, so eine Stadtsprecherin. Die Studierendenzahlen seien in den letzten Jahren stark gestiegen, würden aber jetzt aufgrund des demografischen Wandels nicht weiter wachsen. Für die Studierenden und andere junge Menschen wolle die Stadt in Zukunft deshalb mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Insgesamt solle die Meinung von Jugendlichen in Wiesbaden stärker ins Gewicht fallen, auch bei politischen Entscheidungen. Ob Wiesbaden sein Image als zu alte und teure Stadt wohl doch bald abschütteln kann?