Eigentlich wollte er am vergangenen Sonntag (16. Juni) ausschlafen. Doch dann ist Merkurist-Leser „Mister Jones“ offenbar von Gebetsrufen über Lautsprecher geweckt worden. Diese ertönten anlässlich des islamischen Opferfestes auch in Wiesbaden. Er fragt nun kritisch: „Wer hat genehmigt, dass ab 7 Uhr Gebetsrufe über Lautsprecher stattfinden dürfen?“
Recht auf freie Religionsausübung?
Doch braucht es überhaupt eine Genehmigung dafür? Auf Anfrage teilt die Stadt Wiesbaden dazu mit: „Eine Genehmigung ist nach der hessischen Landesregierung (Bekanntmachung von 2021) nicht erforderlich.“ Dies begründe die hessische Regierung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem es heißt: ‘In einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, bestehe kein Recht darauf, vom Kontakt mit abweichenden Glaubensbekundungen oder religiösen Symbolen verschont zu bleiben’.
Es bedürfe für einen solchen Gebetsruf mit oder ohne Lautsprecher also keiner Genehmigung, auch nicht nach dem Immissionsschutzrecht, so die Stadtverwaltung. Bei den Lautsprecheranlagen, die für den Gebetsruf verwendet werden, handele es sich ‘um nicht genehmigungspflichtige Anlagen’. Wie die Verwaltung angibt, seien jedoch vereinzelte Beschwerden von Bürgern wegen der Gebetsrufe bei der Stadt eingegangen.
Als „seltenes Ereignis“ zu beurteilen
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift „TA Lärm“ sei das einmal im Jahr stattfindende islamische Opferfest als „seltenes Ereignis“ zu beurteilen, erklärt die Verwaltung. Bei der weiteren Beurteilung wird es gemäß den Vorschriften dann sehr konkret.
Denn wie die Verwaltung mitteilt, gelte hierfür für den Tagzeitraum (6 bis 22 Uhr) „ein Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel“ von 70 dB(A)* mit einzelnen Geräuschspitzen von maximal 20 dB(A). „Um die erhöhte Empfindlichkeit am Sonntag zu berücksichtigen, wird für die Zeit von 6 bis 9 Uhr dem Beurteilungspegel ein Zuschlag von 6 dB addiert“, heißt es. Eine zeitliche Begrenzung der Gebetsrufe ergebe sich also nur indirekt über den Beurteilungspegel. Das heißt: Je höher der Schallpegel, desto kürzer dürfe der Gebetsruf erfolgen. Eine genaue Angabe zur zulässigen Dauer könne jedoch nur mit Kenntnis der tatsächlichen auftretenden Pegel erfolgen, erklärt die Verwaltung.
*dB (A) = bewerteter Schalldruckpegel. Er bezieht sich auf die menschliche Wahrnehmung, also wie laut etwas empfunden wird.