Einzigartig: Diesen freilebenden Vogel gibt es nur in Wiesbaden

Alexandersittiche, Halsbandsittiche: Papageienarten, die man sonst nur aus dem Fernsehen oder Zoo kennt, haben sich auch in Wiesbaden ausgebreitet. Eine Handvoll Vögel unterscheidet sich jedoch vom Rest.

Einzigartig: Diesen freilebenden Vogel gibt es nur in Wiesbaden

Eigentlich stammen sie aus Asien und Afrika, doch auch in Wiesbaden gibt es die knallgrünen Halsband- und Alexandersittiche mittlerweile zu Tausenden. Zwischen all den Sittichen könnte ein anderer Vogel fast untergehen – dabei ist er absolut außergewöhnlich.

Sichtung im Biebricher Schlosspark

Im Biebricher Schlosspark konnte Merkurist-Leserin Oli Vera Nessel vor kurzem einige Exemplare dieses Vogels fotografieren: „Wegen der Entfernung konnte ich die Vögel mit bloßem Auge nicht genau erkennen. Erst auf meiner Fotokamera konnte ich Details erkennen und feststellen, dass es sich eindeutig nicht um Alexandersittiche, sondern um eine andere Papageienart handelt.“

Denn im Gegensatz zum Alexandersittich oder dem Halsbandsittich hatten die Vögel eine blaue Stirn und einen schwarzen Schnabel – keinen roten.

Nachkommen von zwei Papageienarten

Doch wenn es keiner der in Wiesbaden ansässigen Sittiche ist, um welche Vogelart handelt es sich dann? Merkurist-Leserin Oli recherchierte auf eigene Faust und bemerkte eine Ähnlichkeit zur Blaustirnamazone, einer Papageienart aus Südamerika. „Da ich die Vögel noch nie gesehen hatte, dachte ich, sie sind vielleicht vor kurzem entflogen und werden gesucht“, erzählt sie. „Online habe ich versucht herauszufinden, ob die Papageien vermisst werden. Ich war dann sehr überrascht herauszufinden, dass es sich um Papageien handelt, die schon seit über 25 Jahre freilebend in Wiesbaden sind.“

Und tatsächlich: Der Wiesbadener Ornithologe Dieter Zingel war 1998 der erste, der ähnliche Vögel in Wiesbaden beobachtete. Im Frühjahr sichtete er eine Rotbugamazone – eine Unterart der Blaustirnamazone –, die im Biebricher Schlosspark mit einer Venezuelaamazone balzte. Offensichtlich hatten die beiden auch Nachwuchs. Nur wenige Monate später sah Zingel das ungewöhnliche Papageienpaar nämlich mit drei Jungvögeln.

Selten in Wiesbaden – und womöglich einzigartig

Seitdem seien die Amazonen-Hybride mehrfach in Wiesbaden gesichtet worden, insbesondere im Biebricher Schlosspark sagt Oliver Weirich, Diplom-Biologe und Beauftragter der Staatlichen Vogelschutzwarte – wenn auch lange nicht in so großer Zahl wie die Sittiche. „In den letzten Jahren habe ich immer nur höchstens zwei Paare im Schlosspark gesehen.“ Der Rekord seien elf Exemplare gewesen, die sein Mainzer Kollege Detlev Franz vor einigen Jahren beobachtet habe.

Auch bei den Vögeln, die Merkurist-Leserin Oli im Schlosspark fotografiert hat, handelt es sich laut Weirich „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ um die Hybrid-Amazonen. Oli zufolge waren es in diesem Fall sechs Vögel.

Wie viele Hybriden es aber insgesamt in Wiesbaden gebe und wie sich der Bestand in den vergangenen Jahren entwickelt habe, sei nicht bekannt, sagt Weirich. „Bisher wurde kein Schlafbaum der Amazonen gefunden, an dem man sie zählen könnte.“ Zwar geht der Biologe davon aus, dass sich die Hybride auch untereinander vermehren können – einen Nachweis dafür gebe es aber bislang nicht. „Ich gehe davon aus, dass es damals wie heute nur sehr wenige Individuen gibt“, so Weirich.

Einen eigenen Namen haben die Nachkommen der Blaustirn- und Venezuelaamazone nicht. „Es ist keine eigenständige Art, sondern es sind Hybriden aus zwei Arten“, erklärt Weirich. „Deshalb gibt es auch keinen eigenen Artnamen.“ Einen besonderen Titel können die Hybrid-Amazonen aber für sich beanspruchen: Denn womöglich gibt es sie in dieser Form nur in Wiesbaden. Zwar habe auch Stuttgart eine freilebende Amazonen-Population, so Weirich. Allerdings handele es sich dort um Hybriden aus Blaustirn- und Gelbkopfamazonen. „Wiesbaden beheimatet somit die einzige bekannte Population von Mischlingen aus Venezuela- und Blaustirnamazonen.“