„Unsere Stadt bleibt nur lebenswert, wenn die Freiflächen im Ostfeld, Westfeld und Petersweg West erhalten bleiben“ – das zumindest schreibt Merkurist-Leserin Sabine unter einem Snip zum neuen Flächennutzungsplan für Wiesbaden. Auch viele andere Leser machen sich Sorgen um die Freiflächen in der Stadt. Wie steht die Chance, dass sie erhalten bleiben? Und wie genau wird der Flächennutzungsplan festgelegt?
Das Wichtigste zum Flächennutzungsplan
Der Flächennutzungsplan bestimmt, welche Flächen des Stadtgebiets zum Beispiel für Wohngebiete, Verwaltung, Gewerbe, Landwirtschaft oder Grünflächen vorgesehen sind. Nach diesen Vorgaben kann dann im Einzelfall entschieden werden, wo unter welchen Bedingungen gebaut werden darf – und wo nicht. Der aktuelle Flächennutzungsplan in Wiesbaden stammt aus dem Jahr 2003. Da sich seitdem jedoch einiges geändert hat – Klimawandel, Bevölkerungswachstum, neue Gesetze – hat die Stadt 2019 beschlossen, einen neuen Plan aufzustellen: den Flächennutzungsplan 2040 (FNP 2040).
Dabei wolle die Stadt gemäß der Leipzig-Charta „grüner, gerechter, und produktiver“ werden, erklärt Ralf Munser, Sprecher der Stadt Wiesbaden, auf Merkurist-Anfrage. Das heißt, vordergründig sollen nicht nur der hohe Wohnbedarf und attraktive Bedingungen für Gewerbe in den FNP 2040 einfließen, sondern auch der Klimaschutz. Eine Klimastudie, die die Stadt Wiesbaden Anfang dieses Jahres vorgestellt hat, soll insbesondere auch das Ostfeld und seine Bedeutung als Frischluftschneise untersuchen. Heißt das also, dass das Ostfeld als Freifläche erhalten bleibt?
Was bedeutet das für die Freiflächen?
So, wie es jetzt ist, wird das Ostfeld höchstwahrscheinlich nicht bleiben. Denn es gebe schon politische Beschlüsse dazu, dass das Ostfeld bebaut werden darf, so Munser. In welchem Umfang auf der Freifläche gebaut werden kann, stehe aber noch nicht fest. Das soll mithilfe der Klimastudie zum FNP 2040 untersucht werden. Auch Baumöglichkeiten auf dem Westfeld müssten erst noch überprüft werden. Gefallen ist die Entscheidung jedoch bereits für den Bereich Petersweg westlich der Boelckestraße. Dort sei das Baurecht schon rechtsverbindlich beschlossen worden, teilt Munser mit.
Doch zumindest beim Ost- und Westfeld haben die Wiesbadener noch eine Chance, die Zukunft der Freiflächen mitzugestalten. Denn bevor der FNP 2040 offiziell in Kraft tritt, wird der Entwurf nicht nur den politischen Gremien der Stadt, sondern auch den Bürgern vorgestellt. In zwei Beteiligungsverfahren können sich die Wiesbadener dann zuerst zum Vorentwurf und später zum weiterentwickelten Entwurf äußern. Alle Stellungnahmen werden dann den Stadtpolitikern vorgelegt, bevor diese eine endgültige Entscheidung treffen. Beginnen soll das öffentliche Beteiligungsverfahren voraussichtlich Mitte 2024.
Welche weiteren Chancen und Risiken gibt es?
Bereits vor der offiziellen Bürgerbeteiligung setzen sich einige Wiesbadener für den Erhalt von landwirtschaftlichen und freien Flächen ein. Im März 2023 startete Tatjana Wink die Petition „Wiesbaden: Grund zum Leben! Luft – Wasser– Nahrung – Wohnen“. Darin fordert sie unter anderem den Erhalt von Frischluftschneisen und landwirtschaftlichen Flächen. Statt neue Flächen zu bebauen, sollten leerstehende Häuser genutzt und bestehende Gebäude aufgestockt werden.
Im FNP 2040 geht es allerdings nicht nur um Grünflächen und neue Wohngebiete. Die Stadt wolle damit auch „Impulse für die Verkehrswende“ setzen, verrät Munser. So stehe zum Beispiel der Ausbau des ÖPNV-Netzes auf der Agenda, das über Expressverbindungen die Vororte besser an die Innenstadt anbinden und zeitgleich Stau vermeiden soll. Außerdem solle an Bahnhöfen und S-Bahn-Haltestellen mehr Raum für Wohnhäuser und „publikumsintensive Nutzungen“ entstehen. All diese Vorhaben könnten im FNP 2040 rechtswirksam festgehalten werden.
Bis der FNP 2040 rechtskräftig ist, dauert es aber noch eine Weile. Momentan sei die Stadtverwaltung noch dabei, potenzielle Baugebiete wie auch Grün- und Freiflächen nach klimatischen und stadtplanerischen Kriterien zu bewerten. Der Vorentwurf des FNP 2040 soll bis Ende 2023 fertiggestellt und dann im ersten Halbjahr 2024 in die politischen Gremien eingebracht werden, bevor die zweistufige Bürgerbeteiligung beginnt. Erst, wenn der daraus entstandene finale Entwurf von der Stadtverordnetenversammlung abgesegnet wird, kann er dem Regierungspräsidium Darmstadt zur Genehmigung vorgelegt werden. Mit der Genehmigung aus Darmstadt ist der FNP 2040 dann rechtskräftig.