Eine Notfallbehandlung ohne Arzt vor Ort – das soll in Wiesbaden bald Realität werden. Wie das hessische Sozialministerium gegenüber Merkurist bestätigt, will die Landesregierung in Hessen flächendeckend ein sogenanntes Telenotarztsystem einführen. Das bedeutet, dass Notärzte nicht mehr zu jedem Einsatz fahren, sondern auch nur per Videocall zugeschaltet werden können.
Seit Anfang 2022 wird dem Sozialministerium zufolge in mehreren Arbeitsgruppen diskutiert, wie das Telenotarztsystem umgesetzt werden solle. Es gehe dabei unter anderem darum, in welchen Fällen und auf welche Art der Einsatz eines Telenotarztes zustande komme. Außerdem würde besprochen, ob dafür Telenotarztzentralen sinnvoll seien. Zudem werde in einer Arbeitsgruppe mit der Landesärztekammer Hessen beraten, welche Voraussetzungen und welche Qualifikation ein Telenotarzt haben sollte.
Vielversprechende Pilotprojekte für Internet-Diagnosen
Schon seit Ende 2018 testet Hessen im Main-Kinzig-Kreis ein technisch anspruchsvolles Telenotarzt-System. Seit Mai 2019 wird dasselbe System auch im Kreis Waldeck-Frankenberg getestet. Dabei entscheiden Rettungssanitäter am Einsatzort, wann eine telenotärztliche Beratung notwendig oder sinnvoll ist. Sie kontaktieren den Telenotarzt dann selbstständig. Der Standort des Telenotarzt-Arbeitsplatzes ist dabei theoretisch frei wählbar. Im Rahmen der Pilotprojekte werden manche Einsätze in Hessen aber aus einer Zentrale geleitet, so zum Beispiel in Aachen. Ein eigener Telenotarzt-Arbeitsplatz im Main-Kinzig-Kreis ist ebenso möglich. Die Technik, die bei den Telenotarzt-Einsätzen verwendet wird, macht es nicht nur möglich, dass die Rettungskräfte per Videoschalte mit dem Notarzt verbunden werden. Auch Vitaldaten können dem Arzt durch die Sanitäter übermittelt werden. Dazu wurden Spezialkameras in Rettungswägen eingebaut.
Ein weiteres Telenotarzt-Pilotprojekt in Hessen heißt „Telemedizin im Rettungsdienst in Mittelhessen“. Es wird in den Landkreisen Marburg-Biedenkopf, Gießen und im Vogelsbergkreis getestet. Technisch ist es etwas weniger anspruchsvoll als die Pilotprojekte im Main-Kinzig-Kreis und im Kreis Waldeck-Frankenberg. Auch hier werden Vitaldaten durch das EKG an einen Telenotarzt übertragen. Die Kommunikation läuft aber über ein Smartphone statt über festinstallierte Kameras. Außerdem wird die Verbindung zwischen den Rettungskräften am Einsatzort und dem Telenotarzt hier telefonisch über die jeweilige Zentrale Leitstelle des Rettungsdienstes hergestellt. Eine Telenotarztzentrale im engeren Sinne gibt es bei diesem Projekt nicht.
Es ist also gut möglich, dass bereits jetzt Notärzte aus Wiesbaden per Videocall Diagnosen stellen und Rettungskräfte bei der Behandlung anleiten. Ab wann in Wiesbaden selbst Einsätze mit Telenotärzten regelmäßig durchgeführt werden, steht noch nicht abschließend fest. Es könnte aber innerhalb der nächsten zwei Jahre soweit sein.