Da ist Thomas, der seit vielen Jahren im „blauen Tunnel“ am Wiesbadener Hauptbahnhof Gitarre spielt. Erik mit der rauen Stimme, und der Mainzer Carl, der sich selbst das Handpan-Spielen beigebracht hat und es liebt, gemeinsam mit anderen Musik zu machen.
„Mit Thomas habe ich schon einige Songs zusammen eingespielt“, erzählt Carl Soltau im Gespräch mit Merkurist. Über ihn hat er auch die anderen kennengelernt, die teilweise von der Straßenmusik leben, teilweise auf der Straße leben. „Alle sind so verschiedene Menschen, mit so unterschiedlichen Schicksalen“, so Carl. Eines Tages fingen sie an, im „blauen Tunnel“ zu dritt Stücke zu spielen: eine Gitarre, eine Handpan und ein Sänger. Hier kam ihnen auch die Idee zu dem Song „Blurry Blue“. „Wir haben die Melodie gespielt und Erik hat etwas dazu improvisiert gesungen“, erinnert sich Carl, der inzwischen als selbstständiger Pädagoge arbeitet.
Menschen am Rand der Gesellschaft ein Gesicht geben
In dem Lied geht es um das „verschwommene Blau“, um die Grenzen zwischen Straßenmusik und sozialer Ausgrenzung, die oft mit Obdachlosigkeit, Drogen, Armut und tragischen Schicksalen endet – ein persönlicher Song. „Es geht aber auch darum, dass das Leben immer weitergeht, weiterfließt“, sagt Carl. Es soll die Extreme spiegeln, in der sich die Menschen heute bewegen, und Menschen am Rande der Gesellschaft ein Gesicht geben, „auf sie aufmerksam machen“.
Carl kam dann auf die Idee, den Song auf Video aufzunehmen. Drei Jahre hat es letztendlich gebraucht, um diese Idee zu verwirklichen: Hunderte Audios wurden aufgenommen, Ecken in Wiesbaden gefilmt, in denen sich die Straßenmusiker und die Obdachlosen aufhalten. Menschen wurden in den Vordergrund gestellt, die auf der Straße leben. Carl lernte zwischendurch Josef kennen, der zwar nicht Straßenmusiker ist, aber mit seiner Bratsche so gut zur Gruppe gepasst hätte.
Produktion auf eigene Kosten
Einige Aufnahmen haben sie in privaten Musikstudios gemacht und einen Raum im „Kontext“ am Schlachthof angemietet. Ein Antrag zur Förderung des Projekts bei der Stadt Wiesbaden wurde abgelehnt, daher haben die Musiker das Video komplett auf eigene Kosten produziert. Unterstützung kam von der Medienstudentin Philina Welsch, die sowohl bei Konzept, Dreh und Schnitt mitgearbeitet hat.
„Das Ergebnis macht uns alle unfassbar stolz“, so Carl. Als sie sich das Video zusammen angeschaut hätten, habe es Freudentränen gegeben. Einer sagte, es sei das beste, das er je im Leben gemacht hätte. Ob die Musiker ihr Projekt fortsetzen und weitere Songs einspielen werden? Ganz sicher ist sich Carl da nicht. „Ich weiß es noch nicht, bin aber immer für alles offen.“
Das gesamte Video könnt ihr euch hier anschauen: