Wer einen Fuß in ihr Gehege setzt, wird nicht lange allein bleiben: Die Poitou-Esel Fam, Lambada, Coco und Kiwi sind äußerst zutraulich und neugierig. Streicheleinheiten freuen sie nicht nur, sie fordern sie regelrecht ein. Steht man zu lange untätig neben ihnen, erinnert ein freundlicher Stupser mit der Nase daran, die Hand wieder im weichen Zottelfell zu versenken.
Bei so viel Liebenswürdigkeit ist es schwer vorstellbar, dass die Riesenesel einmal nicht mehr gefragt waren. Tatsächlich wären sie aber fast ausgestorben. Wie die Leiterin des Wiesbadener Grünflächenamts, Sabine Rippelbeck, erklärt, gab es Anfang der 1970er-Jahre nur noch 44 Exemplare.
Die Rasse ist alt, sie geht vermutlich auf eine Zeit vor dem 11. Jahrhundert zurück. Benannt ist sie nach der Region Poitou im Westen Frankreichs. Dort und etwas weiter südlich war sie lange Zeit weit verbreitet. Die Tiere zählen mit einem Stockmaß von bis zu 150 cm zu den Großeseln. Ihr Fell ist meist zottelig und braun, ihr Maul weißgrau.
Früher wurden die Poitou-Esel vor allem in der Landwirtschaft, aber auch im Krieg eingesetzt. Gezüchtet wurden sie wahrscheinlich für die Feldarbeit. In Kreuzungen mit Kaltblutpferden entstanden aus ihnen große, robuste Maulesel. Doch die Industrialisierung der Landwirtschaft hat die Nutztierhaltung in Deutschland stark verändert. „Gutmütige Last- und Zugtiere oder langlebige unempfindliche Rassen mussten weichen für Rassen, die schnelles Wachstum, hohe Nachkommenzahl oder hohe Legeleistung versprechen“, erklärt die Wiesbadener Umweltdezernentin Christiane Hinninger. Dieses Schicksal ereilte auch die Poitou-Esel, weshalb sie heute zu den bedrohten Arten zählen.
Arche Noah am Stadtrand
Wie Parkleiterin Nadja Niemann betont, setzt sich die Fasanerie nicht nur für den Schutz bedrohter Wildtiere ein, sondern auch für die Bewahrung bedrohter Haus- und Nutztierarten. Zu diesen zählen die Poitou-Esel. „Die Fasanerie ist eine von nur zwei Nutztierarchen in ganz Hessen“, erklärt Niemann. Sie beheimate außer den Eseln sechs weitere bedrohte Nutztierarten: Waliser Schwarznasenschafe, Bronzegänse, Pommerngänse, Laufenten sowie die beiden Hühnerrassen Bergischer Schlotterkamm und Orpington. Man plane auch, den Erhalt der bedrohten Nutztierrassen durch gezielte Züchtungen zu fördern. Schon im frühen Herbst sollen zwei der neuen Eseldamen, Coco und Fam, bei einem Züchter in der Nähe gedeckt werden. „Wenn alles gut geht, haben wir dann 12 bis 13 Monate später zwei Fohlen“, so Niemann.
Für Dezernentin Hinninger ist der Ausbau der Nutztierarche „ein Herzensprojekt“, wie sie sagt. Als langjähriges Mitglied des Fördervereins der Fasanerie freue sie sich besonders, dass die Stadt für das neue Eselgehege aufgekommen ist. Insgesamt hat das 800 Quadratmeter große Gehege 89.000 Euro gekostet, fertiggestellt wurde es in nur vier Monaten. Der Förderverein hat darüber hinaus die Anschaffung von zweien der Esel bezahlt. Hinninger begrüße auch die Pläne, die Fasanerie zu einer Archeschule zu machen. Der Park würde dann vor allem Kinder über bedrohte Haus- und Nutztierarten sowie Ernährung informieren.