Das Land macht ernst. Jetzt ist Schluss mit der lauten Musik auf dem derzeit stattfindenden Winzerfest in der Binger Innenstadt – zumindest wurden stringentere Auflagen angeordnet, darunter vor allem: Die Musik darf nur bis 22 Uhr, an den beiden Freitagen und Samstagen bis 23:45 Uhr spielen. Eine Stunde länger haben die Stände noch Zeit, ehe sie schließen müssen.
Bisher war der Geräuschpegel enorm hoch, wenn die Bands aufdrehten, Fenster vibrierten und in der Binger Innenstadt ausgelassen gefeiert wurde. Zu Lasten der Anwohner, die sich beschwerten. Mit Erfolg. Auf dem Bürgermeister-Neff-Platz, wo es am kritischsten ist, wird deshalb nur dezentral beschallt, wodurch es leiser wird. Dabei hat nur die Stadt die Hand auf der Tonanlage. Außerdem wurde ein Lärmschutzkonzept erstellt.
Stadt zum Handeln gezwungen
Die Stadt Bingen verhandelte arg mit dem Land, genauer gesagt mit der zuständigen Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD Süd) in Neustadt. Um Zeiten wurde gerungen, Kompromisse wurden gefunden, an die sich die Stadt als Veranstalter halten muss. Messwerte werden zudem auf allen Plätzen gemessen. Wenn die angeordneten Vorgaben nicht eingehalten werden, drohen empfindliche Geldbußen für die Stadt.
Im schlimmsten Fall bleibt die Musik auf dem Fest ganz weg, erläutert Jens Thiele, seit März neu in Bingen als Geschäftsführer der städtischen Tourismus und Kongress GmbH (TuK), die das Winzerfest veranstaltet. Den „Buh-Mann“ möchte Thiele nicht an die SGD weitergeben. Schließlich setze sie mit den angeordneten Auflagen geltendes Landesrecht um.
„Bingen stand und steht mit dem Fest bei der Behörde im Fokus.“ So schaute sie wegen der Beschwerden genauer aufs Winzerfest und erhob „sehr deutliche Forderungen“. Damit das Fest die Genehmigung bekommt, muss die Stadt mit der SGD zusammenarbeiten, was dieses Jahr dem TuK-Geschäftsführer zufolge gut funktioniert habe.
Stadt erntet laute Kritik
Bei vielen stoßen die strengeren Maßnahmen auf Kritik. Wie kann jetzt früher Schluss sein, wenn bisher viel länger gefeiert wurde? Geht nicht die Geselligkeit flöten? Die strengeren Maßnahmen würden dem Winzerfest schaden und seine Zukunft gefährden.
Wenn es so weitergehe, sterbe das Fest aus, denken manche und richten ihre Kritik an die Stadt. Dabei werden nicht nur die Lärmschutzmaßnahmen kritisiert, die von der Stadt nicht angeordnet sind. Auch von zu hohen Standgebühren ist die Rede, die die Preise auf dem Fest erhöhen würden.
Differenzierte Meinungen und Haltungen gibt es zum Fest – die alle gelte es, so Thiele, unter einem Hut zu bringen. Einerseits lebt das Fest von den Besuchern und Geselligkeit. Andererseits sollen die Menschen, Festbesucher wie Anwohner, vor einer übermäßigen Lärmbelastung geschützt werden. Thiele verstehe den Zwiespalt und habe vollstes Verständnis für beide Seiten. Zugleich ist er noch neu in Bingen und wollte dieses Jahr die bekannten und bewährten Punkte des Winzerfestes beibehalten.
Winzerfest kommt auf dem Prüfstand
Im Nachgang möchte der Cheftouristiker das Fest genauer unter die Lupe nehmen. Es muss gefragt werden, wie zukunftsfest es derzeit ist und wie zukunftssicher es gestaltet werden kann. Dazu gehören ebenfalls die Festlänge oder beispielsweise das Feuerwerk.
Sind die elf Tage überhaupt noch zeitgemäß, fragt sich manch einer. Hingegen geht es darüber hinaus um Tradition. Inwiefern kann man mit diesem Alleinstellungsmerkmal brechen? Das macht durchaus einen Unterschied. Hinzu kommt, dass sich die Gewohnheiten und das Ausgehverhalten mit den Jahren deutlich geändert haben. Aber auch wenn das Fest kürzer wäre, befreit es einen nicht, die Musik länger und lauter spielen zu lassen. Das sei ein Trugschluss, den manche äußern, denn der gesetzlich bedingte Lärmschutz gelte weiterhin, erläutert Thiele.
Mit an Bord der Überlegungen müssen seiner Meinung nach selbstverständlich die Winzer und Standbetreiber geholt werden. Mit ihnen gelte es, das Programm zu gestalten und Leben in die Stadt zu holen. Die Winzer sind essentieller Teil des Festes. Sie stehen aber vor Herausforderungen, weil die Weinlese wegen des Klimawandels früher beginnt, dafür Personal gebraucht wird und zeitgleich ein zeit- und personalintensives Winzerfest stattfinde. Die Stadt gebe beim Fest den Rahmen, findet Thiele. Dabei kann sie nicht alle Kosten tragen, irgendwo brauche sie Möglichkeiten zur Refinanzierung. Ein Instrument sei die Standgebühr, wobei es schwer sei, sie gerecht für alle Winzer zu gestalten.
So kommt das Winzerfest bisher an
Seit letztem Freitag, 1. September, wird gefeiert. Das Wetter spielt offenbar mit. Seitdem scheint und schien die Sonne. So hofft auch Thiele auf viele Besucher und ein gutes Fest. Die Innenstadt war an den vergangenen Tagen schon recht gut gefüllt, auch wenn man in anderen Jahren mehr Besucher sehen konnte. Besonders viel Zuspruch fand das „musikalische Prachtfeuerwerk“ von Burg Klopp am Samstagabend.
Weitere Highlights waren die Inthronisierung der Binger Weinmajestäten zu Beginn, der Binger Stadtlauf am ersten Sonntag, „Bingen trinkt Rot“ am Dienstag, eine Riesenrad-Weinprobe und das Brückenfest mit einem weiteren Feuerwerk am Mittwoch. Bei „Bingen trinkt Rot“ merkte man ebenfalls, dass der Lautstärkepegel heruntergeschraubt wurde. Dieses Jahr verzichtete die TuK auf die Live-Musik bei diesem traditionellen Winzerfest-Format. Stattdessen lief im Hintergrund Musik vom Band. Damit wolle der Veranstalter auch jenen Festbesuchern etwas bieten, die es etwas ruhiger mögen.
Bis nächsten Montag, 11. September, dauert das Fest. Bis dahin stehen vor allem noch an: die „festliche Weinprobe“ mit den Weinmajestäten am Freitag, das Marktfrühstück am Samstag, der Winzerfestumzug am Sonntag und der Zapfenstreich zum Abschluss.