Über 100.000 Euro könnte die Stadt Worms wegen eines Gerichtsurteils bald an Geflüchtete zurückzahlen müssen, denn offenbar hat das Wormser Sozialamt einigen Asylbewerbern unrechtmäßig Leistungen gekürzt. Das berichtete zuerst die Wormser Zeitung.
Menschenwürdiges Existenzminimum
Genauer sind alleinstehende Asylbewerber betroffen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben. Einer von ihnen, ein Geflüchteter aus Syrien, hatte vor dem Mainzer Sozialgericht geklagt, weil ihm von den 410 Euro, die ihm laut der sogenannten Leistungsstufe 1 zustehen, regelmäßig 43 Euro abgezogen wurden – für Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie, so die Begründung.
Doch die Leistungsstufe 1 sehe das Geld für die Bedarfe „Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren, Bekleidung, Schuhe, Gesundheitspflege und Körperpflege“ vor, wie es in der Urteilsverkündung hieß. Mit Miete, Instandhaltung und Energiekosten können diese Gelder also nicht verrechnet werden. Das Mainzer Sozialgericht entschied nun, dass die Stadt dem syrischen Geflüchteten das Geld für den Zeitraum, in dem er die Leistungsstufe 1 bezog, erstatten muss.
Dabei bleibt es aber nicht, denn die Stadt Worms hat nun entschieden, noch etlichen weiteren Asylbewerbern Gelder rückwirkend bis zum 1. Januar zurückzuzahlen – vermutlich, um einer Klagewelle zuvorzukommen. Denn auch das Land Rheinland-Pfalz hatte sich inzwischen mit einer Empfehlung an die Landkreise und Kreisfreien Städte eingeschaltet. Es riet zu prüfen, ob die Verwaltungen die Leistungsstufe 1 freiwillig auszahlen sollten. Ansonsten könnten die Kreise und Städte sehr wahrscheinlich per Gerichtsbeschluss dazu verpflichtet werden.
Land Rheinland-Pfalz will Klagewelle vorbeugen
Der Hintergrund des Empfehlungsschreibens war derselbe wie der für den Gerichtsprozess des Syrers gegen die Stadt: Die sogenannte Leistungsstufe 2 war im Jahr 2022 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt worden, weil sie mit 369 Euro pro Monat kein menschenwürdiges Existenzminimum mehr ermögliche. Die Auszahlung von 410 Euro in der Leistungsstufe 1 wurde damit zur Pflicht. Doch nach Abzug der 43 Euro, die die Stadt Worms einbehielt, erhielt der Syrer nur noch 367 Euro – also sogar weniger, als er mit der verfassungswidrigen Leistungsstufe 2 bekam. Aus Sicht der Landesregierung ist der Anspruch auf die 410 Euro aber wohl so klar, dass es für die Landkreise und Städte günstiger ausfallen könnte, die Differenz zur Leistungsstufe 1 auszubezahlen, als die Prozesse abzuwarten – und mit großer Wahrscheinlichkeit die daraus entstehenden Kosten tragen zu müssen.
Konkret bedeutet das, dass Worms etwa 200 Betroffenen Geld zurückzahlen muss. Die genaue Ziffer lässt sich noch nicht sagen, weil jeder nur für die Monate seit dem 1. Januar 2023 Geld zurückbekommt, in denen er tatsächlich schon in Worms war. Geht man davon aus, dass alle 200 Betroffenen schon seit dem Stichtag in der Stadt waren, kommt man auf eine Summe von 178.000 Euro.